Agnes Husslein-Arco / Marie-Louise von Plessen (Hgg.): Prinz Eugen. Feldherr Philosoph und Kunstfreund, München: Hirmer 2010, 335 S., ISBN 978-3-7774-2521-4, EUR 45,00
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Die Gemäldesammlung des Prinzen Eugen, die zu dessen Lebzeiten im Stadtpalais in der Wiener Himmelpfortgasse und den beiden Gartenpalais der heute Belvedere genannten Vorstadtanlage untergebracht war, wurde nach dem Tod des Feldherrn an den savoyisch-sardischen Königshof nach Turin verkauft, blieb also zunächst en famille. Bis heute ist etwa die Hälfte der 1741 verkauften 178 Gemälde in der Galleria Sabauda beieinander geblieben.
Das Verdienst der Wiener Ausstellung war es, anhand der Verkaufsinventare, der Stiche Salomon Kleiners und vor allem der sachkundigen Recherchen von Cornelia Diekamp (Turin) Bildergalerie und Bilderkabinett des Oberen Belvedere rekonstruiert zu haben. Die durch einstige Supraportengemälde ergänzten dreizehn Leihgaben aus Turin konnten anscheinend nicht in den Originalräumen präsentiert werden, sondern wurden zusammen mit Exponaten der Graphik- und Büchersammlung des Prinzen sowie Bild-, Text- und Sachzeugnissen zu seinem Leben in der einstigen Orangerie des Belvederegartens ausgestellt.
In ihrem sehr lesenswerten Beitrag erkennt Cornelia Diekamp in der vornehmlich mit bolognesischer und venezianischer Historienmalerei bestückten Bildergalerie des Oberen Belvedere, dem Herzstück der Gemäldesammlung, drei Auswahlkriterien der möglicherweise auf Pierre-Jean Mariette zurückgehenden Konzeption (128-129). Neben der Konzentration auf die oberitalienische Malerei, die ein Verweis auf Eugens Statthalterschaft der Lombardei (1707-15) beinhalten könnte, und dem Dominieren des unverhüllten menschlichen Körpers sieht sie ein Wetteifern mit berühmten Gemäldesammlungen des europäischen Hochadels. Für letzteres kann sie als Beleg Eugens Interesse an Gemäldekatalogen anderer Sammlungen sowie die in einigen Fällen enge Verwandtschaft von Bildsujets anführen.
Besonders überzeugend ist Diekamps Entdeckung eines ikonologischen Programms in den zehn einst im Audienzzimmer des Oberen Belvedere befindlichen Gemälden zur Verherrlichung des Prinz Eugen als Türkenbesieger und Friedensbringer (129). Ein Schlachtenbild von Jacques Courtois verlieh der durch Salomon Kleiner dokumentierten Befreiung Andromedas durch Perseus zusätzliche Bedeutung, da sie wegen der abschreckenden Kraft des Medusenschildes als Sinnbild des Kampfes gegen die Türken galt. Die acht Blumen- und Früchtestillleben werden von Diekamp als Friedensbotschaft gedeutet, die sich insbesondere auf den 1714 von Prinz Eugen erfolgreich ausgehandelten Frieden von Rastatt beziehen dürfte.
Die weiteren Aufsätze haben meist eine Verbindung zu den mit Exponaten vertretenen Institutionen. So rundet die Turiner Konservatorin Carla Enrica Spantigati den Themenkreis der Gemäldesammlung ab durch einen Bericht über die Hängung der Bilder in Turin von 1741 bis heute. Dem Landsitz Schloss Hof im Marchfeld, aus dem einige der dortigen Originalmobilien ausgestellt waren, ist der Beitrag von Lieselotte Hanzl-Wachter (Marchfeldschlösser Revitalisierungs- und Betriebsgesellschaft) gewidmet.
Christan Benedik (Albertina) schreibt zur Kupferstichsammlung des Prinzen, die seit 1920 überwiegend in der in den letzten Jahren für Forscher leider nur schwer zugänglichen Albertina aufbewahrt wird. Die umfangreiche Sammlung war von Eugen im Jahre 1717 für 80 Millionen Francs von der Pariser Verlegerdynastie Mariette erworben worden, von der sie seit der Mitte des 17. Jahrhunderts zusammengetragen und nach Künstlern, beziehungsweise innerhalb deren jeweiligem Oeuvre nach der akademischen Gattungshierarchie, geordnet worden war. Benedik führt Argumente dafür an, dass nicht nur die Indexlisten am Schluss eines jeden Bandes (von denen man ohnehin angenommen hat, dass sie bereits in Paris von Pierre Mariette und seinem Sohn Pierre-Jean zumindest begonnen worden waren) in der Tat schon in Paris fertiggestellt wurden, sondern dass auch das ganz besonders aufwändige, durch Intarsieren bewerkstelligte Einbringen der Stiche in Trägerpapiere in Paris vorgenommen worden sein dürfte. Für zukünftige Forschungen interessant ist der Hinweis, dass die bislang kaum zugängliche, von den Zeitgenossen jedoch überschwänglich gelobte Sammlung an historischen Blättern zu Festen und Zeremonien vorwiegend Material zu den Häusern Bourbon, Oranien, Savoyen, den Großherzögen der Toskana, den schottischen Stuarts und den spanischen Habsburgern enthält.
Verdienstvoll ist, dass sich im Katalog erstmals Farbabbildungen von einigen Supraportengemälden aus Stadtpalais und Belvedere finden. Allerdings berücksichtigt der begleitende Aufsatz von Karl Schütz (Kunsthistorisches Museum Wien) nicht die neuere Literatur zur Bau- und Ausstattungsgeschichte des Stadtpalais. Ergänzend sei deshalb auf die zwischenzeitlich eruierte Geschichte um die nachträgliche Bestellung einer mythologischen Supraporte bei Giuseppe Maria Crespi in Bologna und auf den Befund hingewiesen [1], dass die Schlachtenbilder des Großen Saals schon in einem Audienzbericht von 1711 erwähnt werden und somit von Jacques-Ignace Parrocel nicht erst 1719 gemalt worden sein können. Die späteste dargestellte Schlacht, nämlich die Eroberung Belgrads im Jahre 1717, ist anerkanntermaßen nachträglich von einem anderen Maler hinzugefügt worden.
Weitere Beiträge befassen sich mit dem zeitgenössischen Militärwesen (Michael Hochedlinger, Kriegsarchiv), mit dem Phänomen apokrypher Memoiren (Johannes Willms) sowie mit der Bibliothek des Prinzen im europäischen Vergleich (Gabriele Mauthe, Österreichische Nationalbibliothek). Hier wird französischen Privatbibliotheken des 17. Jahrhunderts eine Vorbildfunktion zugewiesen. Erhellend im Hinblick auf Eugens Erziehung in Frankreich sind auch die Ausführungen von Leopold Auer (Haus-, Hof- und Staatsarchiv) zu dem von Eugen angestrebten, im Frankreich des 17. Jahrhunderts wurzelnden Verhaltenscodex des honnête homme. Als Beispiel für Exponate, die wohl in erster Linie ihres dekorativen Charakters wegen aufgenommen worden sind, sei der ganzseitig in Farbe publizierte Grundriss der fälschlich als "Gut Ráckeve" bezeichneten Vierflügelanlage von Promontor auf dem rechten Donauufer südlich von Budapest erwähnt. Er wird in der zugehörigen Kat.-Nr. II. 40 nicht besprochen; ein Verweis auf seine erstmalige Publikation und eingehende Besprechung [2] wäre sicherlich von vielen Lesern begrüßt worden.
Die zwischen den einzelnen Aufsätzen eingestreuten "Themenräume" werfen manchmal die Frage auf, welcher Leserkreis sich in ihnen zurechtfinden soll. Als Beispiel für eine inkorrekte Chronologie sei erwähnt, dass das Obere Belvedere nicht erst 1720, sondern schon 1717 begonnen wurde. Der inhaltliche Zusammenhang mancher "Leitzitate" (meist der Korrespondenz des Prinzen Eugen entnommen) mit den Exponaten beziehungsweise den Aufsätzen und damit auch der - zugestandenermaßen nicht immer leicht zu erlangende - Erkenntniswert der Originale dürfte vielen Lesern verborgen bleiben. So werden beispielsweise als Kat.-Nr. II. 89 einige Zeilen aus einem an Johann Lukas von Hildebrandt gerichteten Briefkonzept zitiert. Der Leser erfährt weder die Originalsprache (italienisch) noch das Datum (1717 im Feldlager bei Peterwardein diktiert) noch den Zusammenhang des Zitats (es geht um Anweisungen zum Bau der Menagerie im Belvederegarten) und muss zudem mit einer irreführenden Übersetzung (Winterpalais statt Räume für den Winter) zurechtkommen.
Zusammenfassend: Ein vorbildlich ausgestattetes, in mancherlei Hinsicht anregendes Buch, das aber der Ergänzung durch die Lektüre der Originalarbeiten bedarf.
Anmerkungen:
[1] Zur Bau- und Ausstattungsgeschichte des Stadtpalais des Prinzen Eugen: Ulrike Seeger: Stadtpalais und Belvedere des Prinzen Eugen. Entstehung, Gestalt, Funktion und Bedeutung, Wien 2004; zu den hier genannten Punkten ebenda, 86-87 und 60-65.
[2] Ulrike Seeger: Zur Bautätigkeit des Prinzen Eugen auf Csepel und in Promontor, in: Acta Historiae Artium 42 (2001), 129-141.
Ulrike Seeger