Rezension über:

Juliane Schwoch: Die spätromanische Bauzier des Mainzer Domes, Regensburg: Schnell & Steiner 2010, 397 S., ISBN 978-3-7954-2218-9, EUR 66,00
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Rezension von:
Stefanie Lieb
Kunsthistorisches Institut, Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Ulrich Fürst
Empfohlene Zitierweise:
Stefanie Lieb: Rezension von: Juliane Schwoch: Die spätromanische Bauzier des Mainzer Domes, Regensburg: Schnell & Steiner 2010, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 2 [15.02.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/02/18114.html


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Juliane Schwoch: Die spätromanische Bauzier des Mainzer Domes

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Das vorliegende opulente Buch basiert auf einer Dissertation, die die Autorin 2009 bei Dethard von Winterfeld an der Johannes Gutenberg-Universität vorgelegt hat. Bereits in der Magisterarbeit von Juliane Schwoch waren die spätromanischen Portale des Mainzer Domes Thema, mit ihrer Dissertation erweitert sie das Spektrum nun auf die spätromanische Bauornamentik am Dom, die sich in den Seitenschiffen sowie besonders am Westbau befindet. Für diese objektbezogene und sehr detailreiche Untersuchung kam der Autorin der Tatbestand entgegen, dass der Mainzer Dom seit 2001 grundlegend restauriert wird und die entsprechenden Bauteile eingerüstet waren, sodass auch die höher gelegene Bauornamentik erstmalig zusammenhängend erfasst und ein Status quo dokumentiert werden konnte. Schon deshalb gebührt dieser Arbeit von Juliane Schwoch eine entsprechende Würdigung, da sie damit wichtiges Material besonders auch für die zukünftige denkmalpflegerische Tätigkeit am Dom bereit gestellt hat.

Methodisch orientiert sich die Dissertation am 'klassischen' Aufbau einer form-, motiv- und stilvergleichenden Analyse romanischer Bauornamentik, die bekanntermaßen stellenweise sehr kleinteilig deskriptiv ausfallen kann. Dies liegt aber in der Natur der Sache begründet: Ohne eine gewisse Akribie und Aufmerksamkeit für das kleine Ornamentdetail oder eine nur schwach erkennbare Bearbeitungsspur lässt sich keine ergebnisreiche Untersuchung von mittelalterlicher Bauplastik durchführen. Auch wenn eine sogenannte 'Händescheidung' (die Unterscheidung von verschiedenen Steinmetzen aufgrund ihrer Technik, ihrer Formenwahl und ihres Stils) beim Vergleich der Werkstücke nicht immer eindeutig bestimmt werden kann, sollte diese differenzierende Methode stets angestrebt werden. Denn nur so lassen sich unterschiedliche stilistische Merkmale herausarbeiten. Juliane Schwoch hat dies berücksichtigt und sehr aufmerksam und genau die Einzelformen der Werkstücke analysiert, verglichen und zugeordnet. Ein grundsätzlicher Fehler unterläuft ihr allerdings an einigen Stellen ihres Kapitellvergleichs: Sie differenziert nicht immer sauber in "Kapitellgrundformen", "Kapitelltypen", "Motivgruppen" und "Stilgruppen" (durch Händescheidung), sodass Werkgruppen aufgrund ihres übereinstimmenden Kapitelltyps statt stilistischer Übereinstimmung bei unterschiedlicher Motivik zusammengestellt werden. Dieser Fall liegt z.B. bei den Seitenschiffskapitellen der Gruppe I vor (35-39), die zwar als Motivgruppe (Schildbogen-Kapitelle) homogen sind, aber nur schlecht in der Einordnung über den Typus des Palmettenringband-Kapitells, wie er im Hildesheimer Raum vorliegt, charakterisiert und datiert werden können (47-56).

Der auf der detaillierten Analyse rekurrierende systematische Aufbau der Arbeit nach einzelnen Bauteilen und ihrer entsprechenden Bauornamentik ist für den Leser auf die Dauer etwas ermüdend, zumal vor jedes neue Kapitel ein umfangreicher Forschungsbericht gesetzt wurde. Dieser hätte eventuell besser zusammenhängend in der Einleitung platziert werden sollen. Die Aufteilung der Kapitelle und sonstigen Bauplastik (Friese, Portale) der Seitenschiffe und des Westbaus vom Mainzer Dom in unterschiedliche motivische und stilistische Werkgruppen, wie sie Schwoch vornimmt, ist im Großen und Ganzen sehr gut nachvollziehbar. Auch die für eine kunsthistorische Einordnung herangezogenen vielen Vergleichsbeispiele aus der niederrheinischen, maasländischen, mitteldeutschen und niedersächsischen sowie Trierer und Elsässer Region sind passend ausgewählt und überzeugen in der Gegenüberstellung für eine relative Chronologie. Für eine schnellere Nachvollziehbarkeit über den jeweiligen Standort der Bauornamentik im und am Dom wäre jedoch ein jeweiliger Grundriss mit Legende im Text hilfreich gewesen. So muss der Leser bei jeder Nennung von nummerierten Werkstücken mühsam in den Anhang an das Ende des Buches blättern. Der tiefere Sinn, warum dort der Grundriss des Mainzer Domes seitenverkehrt, also mit dem Ostchor nach links und dem Westchor nach rechts weisend, abgebildet ist, blieb der Rezensentin verborgen.

Die Datierungsergebnisse von Schwochs Untersuchung der spätromanischen Bauzier am Mainzer Dom sind nicht spektakulär neu und werden die bisherige Bauchronologie nicht grundlegend gefährden: In die bisherige Zeitklammer der Baugeschichte zwischen 1183 und 1239 (369) passen dann sehr gut die um 1180 entstandenen Seitenschiffskapitelle der Werkgruppe I sowie die um 1200 und 1210 gearbeiteten Werkgruppen II und III (366). Um 1210 ist weiterhin die Bauplastik der Memorie sowie des Leichhofportals zu datieren (366-367). Am Trikonchos und an den Türmen finden sich schließlich die jüngsten spätromanischen Werkstücke, die in der Zeit um 1220 bis um 1230 gearbeitet worden sind (368-369). Auffällig sind besonders in den Außengalerien am Mainzer Westbau die vielen unvollendeten Werkstücke, die als unfertige Bossen in den Bauverband eingesetzt wurden - ein Verfahren, das bereits für die 100 Jahre früher gearbeiteten Kapitelle des Speyrer Doms von Dorothea Hochkirchen festgestellt worden ist. Leider wird von der Autorin darauf nur wenig eingegangen und auch die grundlegende Dissertation von Hochkirchen nicht angeführt. [1] Eine weitere bibliografische Ergänzung sei hier erwähnt: zu den Huysburger Kapitellen, die Schwoch für eine datierende Einordnung heranzieht (54), liegt seit 2007 eine umfangreiche publizierte Dissertation von Uta Maria Bräuer vor. [2]

Alles in allem bietet die Publikation von Juliane Schwoch zur spätromanischen Bauornamentik des Mainzer Domes einen hervorragenden Überblick über die vorliegenden Werkstücke und ihren aktuellen Status quo. Weiterhin kann sie, trotz einzelner methodischer Schwachstellen, überzeugend die herausgearbeiteten Werkgruppen vergleichend kunsthistorisch einordnen und schlüssig datieren. Mit diesem Buch liegt damit ein weiterer Fortschritt in der Erarbeitung von romanischer Bauornamentik am Oberrhein mit ihrer Wechselbeziehung zum Niederrhein, Maasland, Elsaß-Lothringen sowie Mittel- und Norddeutschland vor.


Anmerkungen:

[1] Dorothea Hochkirchen: Mittelalterliche Steinbearbeitung und die unfertigen Kapitelle des Speyerer Domes, Köln 1990.

[2] Uta Maria Bräuer: Romanische Bauornamentik im ehemaligen Herzogtum Sachsen: Riechenberg, Huysburg, Ilsenburg, Köln 2007.

Stefanie Lieb