Rezension über:

Ian Taylor: The International Relations of Sub-Saharan Africa, London: Continuum 2010, XI + 176 S., ISBN 978-0-8264-3401-2, GBP 17,99
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Rezension von:
Dustin Dehez
Global Governance Institute, BrĂ¼ssel
Empfohlene Zitierweise:
Dustin Dehez: Rezension von: Ian Taylor: The International Relations of Sub-Saharan Africa, London: Continuum 2010, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 3 [15.03.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/03/19047.html


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Ian Taylor: The International Relations of Sub-Saharan Africa

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Unter den Politikwissenschaftlern und Historikern, die sich mit Afrika beschäftigen, gibt es seit vielen Jahren zwei Schulen. Die erste fordert die eigene Disziplin dazu auf, die Konzepte und Theorien der internationalen Beziehungen endlich auf Afrika anzuwenden, um die Marginalisierung des Kontinents in den Wissenschaften zu beenden. Die zweite verlangt völlig neue und radikal andersartige Konzepte, da, nun ja, Afrika eben anders sei. Ian Taylor, ohne Zweifel einer der führenden Afrikawissenschaftler von internationalem Rang, entzieht sich dieser Diskussion auf besonders pragmatische Weise und erwähnt die Theoriestreitigkeiten in seinem Band zu Afrikas Stellung in den internationalen Beziehungen erst gar nicht. Überhaupt leitet Taylor sein Werk mit einer Liste all dessen ein, was er nicht beschreibt: die von der Forschung zunehmend in den Blick genommene Rolle der afrikanischen Diaspora, die musikalischen und sportlichen Verknüpfungen zwischen Afrika und dem Rest der Welt und die Rolle kleinerer, aufstrebender Wirtschaftsmächte, allen voran Brasilien.

Dabei bleibt jedoch unerwähnt, dass Taylor nicht die internationalen Beziehungen Afrikas bzw. afrikanischer Staaten behandelt, wie der Titel des Bandes nahelegt, sondern vielmehr die Aktivitäten der großen Mächte auf dem Kontinent. Die Darstellung konzentriert sich also auf die jüngeren Entwicklungen der Afrikapolitik der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Frankreichs, der Europäischen Union, Chinas und Indiens. Dieses Narrativ ergänzt Taylor um zwei Kapitel, die sich mit den Strategien internationaler Finanzinstitutionen und der Rolle des Rohstoffs Öl beschäftigen.

Dabei gelingt Taylor durchaus eine kohärente Darstellung, die, sofern es um die Vereinigten Staaten, Frankreich und China geht, den Rahmen des Bekannten allerdings kaum verlässt. So argumentiert er, dass die Afrikapolitik der Bush-Administration deutlich positiver war als die der meisten Vorgängerregierungen und dabei insbesondere bei der Bekämpfung von HIV/AIDS und anderer Krankheiten enorme Fortschritte erzielt wurden, die neue französische Regierung unter Präsident Sarkozy sich mit dem lang ersehnten Ende postkolonialer Einflussnahme schwer tut und in China langsam die Erkenntnis reift, dass zu enge Beziehungen zu den Diktatoren Afrikas auf Dauer kontraproduktiv sein könnten. Neuland betritt Taylor bei der wohl ersten zusammenfassenden Betrachtung der indischen Afrikapolitik, die sich in der starken Beteiligung Indiens an UN-Missionen in Afrika, der Förderung politischer Kontakte und ökonomischer Investitionen in Ostafrika äußert, und der Behandlung der Rolle der internationalen Finanzinstitutionen, die erfrischend ausgewogen und nüchtern ausgefallen ist. Gerade hier zahlt sich Taylors langjährige Forschung aus. Auf elegante Weise greift er dabei die oftmals verzerrte Interpretation von Forschungsergebnissen durch die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds auf und widerlegt einige in den letzten Jahren besonders populär gewordene Annahmen zur Effektivität von Entwicklungszusammenarbeit, ohne dieser dabei gänzlich eine Absage zu erteilen.

Dass der Autor im schottischen St. Andrews lehrt, mag erklären, dass die Rolle Großbritanniens besonders ausführlich behandelt wird. Mittels einer detaillierten Beweisführung versucht Taylor, die Afrikapolitik der Regierungen Blair und Brown als besonders drastisches politisches Marketing zu entlarven. Dies zeige sich gerade an der ständig hergestellten Nähe zu berühmten Persönlichkeiten mit humanitären Anliegen wie Bob Geldof und Bono einerseits und den gleichzeitig sinkenden realen finanziellen Leistungen andererseits. Damit hat Taylor zwar recht, die Darstellung gerät ihm dabei aber aus dem Gleichgewicht. So wird zum Beispiel ausführlich die unzureichende Bekämpfung der Geldwäsche im Finanzdistrikt London kritisiert, die militärische Intervention Großbritanniens in Sierra Leone aber nur in zwei beiläufigen Sätzen erwähnt, womit die Darstellung der britischen Afrikapolitik einseitig bleibt. Denn die Intervention machte deutlich, dass es Blair gelegentlich um mehr als nur Symbolik ging, er im Gegenteil sogar bereit war, sein politisches Schicksal mit einem Militäreinsatz zu verknüpfen.

In seiner Einleitung bemerkt Taylor zu Recht, dass die Geschichte Afrikas in der Vergangenheit zu oft auf die Geschichte der Weißen in Afrika reduziert worden ist. Dieser einseitige Fokus verdankt sich auch dem Mangel zugänglicher und zitierbarer Quellen in Afrika selbst. Trotz aller anderslautenden Vorsätze entkommt die moderne Afrikaforschung - das zeigt Taylors Band deutlich - diesem Dilemma immer noch nicht. Afrikanische Sicherheitspolitik wird auch heute noch fast ausschließlich als sicherheitspolitische Einflussnahme des Westens in Afrika oder als dessen Kooperation mit afrikanischen Staaten betrachtet, und die internationalen Beziehungen des Kontinents werden in der Regel als politische Strategien nichtafrikanischer Mächte behandelt. Das verstärkt den Eindruck, Afrika bleibe vor allem Gegenstand einer Politik, die in Washington, Beijing, Neu Delhi, London und Paris formuliert wird. Auch bei dem hier besprochenen Band scheint allenfalls am Rande auf, dass afrikanische Staaten dieser passiven Rollenbeschreibung längst entwachsen sind und es verstehen, äußere Akteure gegeneinander auszuspielen und selbst Partnerschaften zu suchen und einzugehen.

Letztlich wird deutlich, dass Taylor dem Theoriestreit der Wissenschaften zwar entkommen ist, damit aber in die Falle einer vor allem anekdotisch angereicherten, nicht aber theoretisch konsolidierten Darstellung jener Afrikapolitik läuft, die in Washington und anderen Hauptstädten westlicher und östlicher Mächte formuliert wird. Das ist besonders bedauerlich, weil Taylor in einem Abschlusskapitel zumindest den Versuch einer Synthese hätte unternehmen können. Solide Grundlagen hätte er dafür gelegt. So aber hat er neben der Gelegenheit zur Synthese auch eine dazu ausgelassen, die anfangs genannten Theoriestreitigkeiten aufzugreifen. Diese Kritik soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Autor eine höchst lesens- und lobenswerte Darstellung der wichtigsten äußeren Akteure auf dem afrikanischen Kontinent vorgelegt hat.

Dustin Dehez