Rezension über:

Stephen Chan: Southern Africa. Old Treacheries and New Deceits, New Haven / London: Yale University Press 2011, XVI + 302 S., 2 Kt., ISBN 978-0-300-15405-4, GBP 20,00
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Rezension von:
Dustin Dehez
Global Governance Institute, BrĂ¼ssel
Redaktionelle Betreuung:
Andreas Fahrmeir
Empfohlene Zitierweise:
Dustin Dehez: Rezension von: Stephen Chan: Southern Africa. Old Treacheries and New Deceits, New Haven / London: Yale University Press 2011, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 5 [15.05.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/05/19508.html


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Stephen Chan: Southern Africa

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Der britisch-amerikanische Intellektuelle Christopher Hitchens hat Robert Mugabe kürzlich als Afrikas schlimmsten Diktator bezeichnet und gleichzeitig unumwunden eingestanden, Mugabe zum Auftakt der Unabhängigkeit Zimbabwes vor gut dreißig Jahren viel zu gutgläubig beurteilt zu haben. Mit dieser Enttäuschung ist er keineswegs allein; als Zimbabwe unter der Führung Mugabes Unabhängigkeit erlangte, wurde es schnell zum Hoffnungsträger Afrikas und Mugabe zur Führungsfigur einer intellektuellen und politischen Avantgarde, von der erwartet wurde, Afrika in eine prosperierende Zukunft zu führen. Wie aus Zimbabwe eines der Sorgenkinder der internationalen Gemeinschaft und aus Mugabe einer der letzten, gar schlimmsten Diktatoren des Kontinents werden konnte, ist daher eine Frage, die eine Menge Afrikawissenschaftler und Kommentatoren beschäftigt. In seinem nun vorgelegten Band geht auch der renommierte Afrikakenner und Politikwissenschaftler Stephen Chan dieser Frage nach. Er hat, soviel sei ihm gleich vorweg zugestanden, dabei ein gleichermaßen eingängiges wie spannendes Buch geschrieben, in dem er sich bemüht, den Konflikt in Zimbabwe im Kontext der politischen Entwicklungen im größeren südlichen Afrika zu schildern.

Auch wenn Chan immer wieder die sozialen Probleme in der Region und den daraus entstehenden Druck auf die politischen Eliten anschneidet, im Kern bleibt sein Buch ein Beitrag zur politischen Zeitgeschichte des südlichen Afrikas. Dabei muss freilich zunächst einschränkend angeführt werden, dass mit dem südlichen Afrika nur Zimbabwe und Südafrika gemeint sind, denn Botswana, Namibia, Zambia und Angola finden allenfalls am Rande Erwähnung. Das aber ist nur ein marginaler Einwand: Denn Chan schreibt mit einem erfreulichen Mut zur Thesenbildung und räumt dabei mit einigen gängigen Urteilen der Forschung und vor allem der Medien auf. So argumentiert er, dass Zimbabwe nicht mit den Farm-Invasionen des Jahres 2000 in einen Prozess andauernden Staatszerfalls kippte, sondern mit dem kostenintensiven Engagement Mugabes im Kongo-Krieg und den nicht gegenfinanzierten Pensionsansprüchen der Veteranen des Befreiungskrieges. Gerade das Engagement im Kongo und die damit verbundene kommerzielle Ausbeutung der Bodenschätze des Kongo habe dem Regime zwar die Loyalität der Armeeführung verschafft, die ökonomischen Probleme des Landes aber so sehr verschärft, dass Hyperinflation und eine zusammenbrechende Agrarwirtschaft zu den bekanntesten Merkmalen des Landes gehören.

Doch, so Chan, erst die so gesicherte Loyalität der Armeeführung erklärt, wie es in Zimbabwe in den vergangenen Jahren zu Wahlfälschungen und massiven Menschenrechtsverletzungen kommen konnte. Denn auch wenn diese schon während der Wahlen zwischen 2000 und 2002 begonnen hatten und das Regime schon damals Schlägertrupps einsetzte, um die potentiellen Wähler der Oppositionspartei MDC von den Wahlurnen fernzuhalten, erst 2005 habe auch die direkte Manipulation der Wahlergebnisse begonnen. Zu diesem Zeitpunkt sei die zimbabwische Elite bereits so abhängig von den Verteilungsmechanismen des ausgeprägten Klientelismus gewesen, dass ein friedlicher Machtwechsel praktisch kaum noch möglich gewesen sei. Chan geht sogar noch weiter und argumentiert in einem der spannendsten Kapitel des Buches, dass es nach den letzten Wahlen im Jahr 2008 auch dann zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen wäre, hätte Mugabe seine Niederlage eingestanden. Nachdem Oppositionsführer Morgan Tsvangirai völlig unerwartet eine absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen konnte, drängten die Militärs Mugabe, die Wahlen zumindest so zu manipulieren, dass eine Stichwahl nötig werden würde. Die Führung des Militärs habe zu diesem Zeitpunkt sogar einen Staatsstreich erwogen, um eine Machtübernahme durch Oppositionsführer Morgan Tsvangirai zu verhindern. Die Stichwahlen gaben dem Regime genügend Zeit eine noch breiter angelegte Einschüchterungs- und Fälschungskampagne zu starten. Chan macht dabei deutlich, dass es nicht nur Robert Mugabe selbst ist, der das Regime in die Auseinandersetzung mit dem Volk Zimbabwes treibt, sondern der ganze korrupte Regierungsapparat, der von den selbstverordneten Privilegien lebt. Und schließlich ist Tsvangirai, auch daran lässt Chan keinen Zweifel, nicht der beeindruckendste aller Oppositionspolitiker und die Oppositionspartei MDC nicht besonders professionell darin, die eigene Basis zu mobilisieren.

Da eine Lösung des Konfliktes in Zimbabwe ohne die Hilfe Südafrikas nicht möglich ist, bindet er diese Darstellung immer wieder an die südafrikanische Politik zurück. Chan geht es - und auch hier wird sein Hang zur Politikgeschichte deutlich - dabei vor allem um eine Erklärung des wenig produktiven Einsatzes von Thabo Mbeki als Vermittler zwischen Mugabe und Tsvangirai. Der Autor schildert eindringlich, wie sehr der Respekt und die Anerkennung die Mbeki gegenüber Mugabe empfindet, den damaligen südafrikanischen Präsidenten seine Unparteilichkeit gekostet hat. Dass Mbeki in Tsvangirai zudem einen unreifen Politiker sah, hat in den Augen Chans zudem dazu geführt, dass Mbeki von Beginn an eine Lösung anstrebte, in der Tsvangirai nur die zweite Rolle im Staat wahrnehmen sollte und das obgleich das Wahlergebnis eigentlich Tsvangirai eine absolute Mehrheit beschert hatte. Überhaupt geht der Autor mit Thabo Mbeki scharf ins Gericht, der sich gerne in leidenschaftlich geführten, akademischen Diskussionen verloren, das politische Spiel aber nicht beherrscht habe. Bei solch pointierter Darstellung wird deutlich, wie sehr Chan von seiner jahrzehntelangen Erfahrung in der Region profitiert.

Unsicher wird Chan freilich immer dann, wenn er den direkten Kontext der Politik und Geschichte im südlichen Afrika verlässt und sich bemüht die Konflikte in einen globalen Kontext einzuordnen. So ordnet er bereits im ersten Kapitel den Krieg in Angola in die Geschichte des Kalten Krieges ein und behauptet dabei, die kubanische Intervention sei vor allem auf sowjetischen Druck hin erfolgt. Mehr noch, der Kreml habe in der Angola-Intervention eine Art Testlauf für die wenige Jahre später beginnende Intervention in Afghanistan gesehen. Dies steht allerdings im klaren Widerspruch zu den Ergebnissen der jüngeren Forschung zum Kalten Krieg, die deutlich gezeigt hat, dass die Entscheidung zur Intervention in Angola von Kuba ausging und die sowjetische Führung davon sogar weitgehend überrascht wurde, sich jedoch gezwungen sah, die Versorgung der kubanischen Einheiten sicherzustellen. Und das, obwohl der Kreml eine Belastung der sowjetisch-amerikanischen Beziehungen in dieser Phase des Kalten Krieges eigentlich vermeiden wollte.

Da Chan seine Kapitel keiner chronologischen Ordnung unterzogen hat, kommt er im Verlaufe des Buches immer wieder auf bereits angerissene, zum Teil auch ausgeführte Thesen zurück. Das könnte durchaus hilfreich sein, doch gelegentlich verliert selbst der mit der Materie vertraute Leser dabei den Überblick - nicht immer ist im Lesefluss ganz klar, von welcher Wahl nun gerade gesprochen wird. Das aber sind nur marginale Einwände gegen eine gelungene Darstellung.

Wie ambivalent das Verhältnis vieler Akteure zu Robert Mugabe, trotz seiner blutigen Herrschaft, immer noch ist, zeigt sich daran, dass selbst die demokratischen Prinzipien verpflichtete Afrikanische Union in ihm einen gestandenen Staatsmann sieht und ausgerechnet ihn während der Krise in der Elfenbeinküste zum Vermittler ernannt hatte. Der mittlerweile 87 Jahre alte Mugabe hat inzwischen deutlich gemacht, dass das letzte Kapitel zu seiner Herrschaft freilich noch nicht geschrieben ist. Für diesen Herbst strebt er erneut Wahlen an und diese werden, da dürften sich Hitchens und Chan einig sein, wohl kaum weniger blutig werden als die vergangenen.

Dustin Dehez