Leo Pollmann: Was steht wirklich im Koran?, Darmstadt: Primus Verlag 2009, 160 S., ISBN 978-3-89678-652-4, EUR 19,90
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Leo Pollmann, emeritierter Romanistikprofessor und Hobby-Islamwissenschaftler, sieht sein Buch als "Marktlücke" an. Er erhebt den Anspruch, den Islam/Koran durch sich selbst sprechen zu lassen, ohne feste Schlussfolgerungen ziehen zu wollen. In diesem Sinne richtet sich das Werk vor allem an Laien und ist als populärwissenschaftliche Darstellung anzusehen, die den interkulturellen Dialog fördern soll.
Es zeigt sich, dass Pollmann keine arabischen Primärquellen für seine Studie heranzieht, sondern diese vielmehr auf der bestehenden Forschung aufbaut. Dabei verwendet er neben den Werken hochrangiger Forscher - wie Theodor Nöldeke oder Annemarie Schimmel - auch das stark umstrittene Werk von Christoph Luxenberg, um seine Ergebnisse zu stützen. Insgesamt bietet Pollmanns Studie der Wissenschaft keine neuen Aspekte, sondern stellt vielmehr eine Zusammenfassung bisheriger Resultate aus seiner Perspektive dar.
Erklärtes Ziel Pollmanns ist es, anhand des Korans verbindende Elemente zwischen Islam und Christentum herauszuarbeiten. Zu diesem Zweck hat der Autor eine Methode entwickelt, welche die koranische Botschaft und ihren Bezug zum Christentum in einem Kreisschema von innen nach außen analysieren soll.
Entsprechend dokumentiert der Verfasser im 2. Kapitel den "Umgang" Mohammeds mit der Bibel. Pollmann unterstreicht hier, dass biblische Gestalten vor allem genutzt wurden, um die Position von Mohammed zu stärken und als Bindeglied - so Jesus - zwischen den Religionen zu dienen. Entsprechend weist die Studie laut Pollmann auf bewusste Änderungen von biblischen Stoffen im Koran hin, wenn diese nicht dem Grundgedanken der Einzigartigkeit Gottes entsprechen.
Das 3. Kapitel baut auf dieser Thematik auf und vertieft sie anhand einer vergleichenden Analyse der Verwendung von Freude und Lachen in Koran und Bibel. Hauptthese des Autors ist, dass die gesamte Botschaft des Koran auf das Jenseits ausgerichtet ist, weshalb Freude nur als Ausdruck des Glaubens zulässig ist. Somit sieht Pollmann auch Kampfeslust als koranisch legitim an, wenn sie dazu dient, die Liebe Gottes zu erringen.
In den beiden folgenden Kapiteln setzt sich das Werk mit dem Einfluss der Prophetenbiografie auf die koranische Botschaft auseinander. Dabei bezieht sich Pollmann ausschließlich auf Forschungsarbeiten zu Ibn Ishaqs Vita Muhammadi, um den "autobiografischen Charakter" des Koran herauszuarbeiten. So liefert der Autor verschiedene Beispiele für seine Ansicht, dass Mohammed Suren "künstlich herabkommen ließ", um so Anhänger zu beruhigen und politische Konflikte zu lösen. Dies führt Pollmann zu der abstrusen Theorie, dass biblische Themen zur Annäherung an die Christen dienen sollten, während Suren mit dunklem Textcharakter die Hilflosigkeit des Propheten am Ende der 2. mekkanischen Periode um 620 dokumentieren.
Mit dem 6. Kapitel wechselt der Autor das Thema und befasst sich mit der Formelhaftigkeit des Koran. Pollmann betrachtet den Koran als Zeichen der Rechtleitung für die Gläubigen und folglich jede Sure als ein Symbol. Der Autor sieht die Wiederholung gleicher Themen, welche er mit Formeln gleichsetzt, als Nahtstellen an, die zum einen verschiedene Inhalte verbinden zum anderen die Musikalität des Koran unterstützen.
Im 7. Kapitel greift Pollmann darauf aufbauend ein klassisches Forschungsthema auf: den Zusammenhang von Koran und Hadith. Schon der Umfang des Kapitels (13 Seiten) weist daraufhin, dass es sich um eine stark minimalisierte Analyse anhand weniger Beispiele handelt, die eher einer Inhaltsangabe von Themen der Ahadith gleicht. Dies gilt auch für den Versuch des Autors im abschließenden Kapitel - wie es scheint der Vollständigkeit halber - noch auf das Verhältnis Koran-Hadith-Scharia einzugehen, wobei er als Beispiel die Rolle der Frau wählt. In vereinfachten Definitionen gewährt der Autor einen Überblick über Gebote und Verbote im Koran sowie die Inhalte der Scharia, mit dem Ziel letzteres am Beispiel der Ehe zu verdeutlichen. Dieser letzte Teil seines Werkes stellt eine Zusammenfassung von Forschungsarbeiten zum Thema Ehe und Verhältnis Frau und Mann im koranischen Kontext dar, ohne dass eine kritische und differenzierte Auseinandersetzung erfolgt.
Insgesamt bleibt wenig von dem Anspruch Pollmanns übrig, den Koran durch sich selbst sprechen zu lassen. Vielmehr stellt sein Werk eine thematisch begrenzte Zusammenfassung von bestehender Forschung dar, der zuweilen die Tiefe fehlt. Es erscheint fraglich, ob der Autor dadurch Laien wirklich zum Dialog und zum Nachdenken mit dem Islam bewegt und nicht vielmehr bestehende Vorurteile bestärkt.
Tonia Schüller