Fritz Schulze / Holger Warnk (Hgg.): Religion und Identität. Muslime und Nicht-Muslime in Südostasien (= Frankfurter Forschungen zu Südostasien; Bd. 4), Wiesbaden: Harrassowitz 2008, X + 227 S., ISBN 978-3-447-05729-5, EUR 48,00
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Das Werk "Religion und Identität - Muslime und Nichtmuslime in Südostasien" beinhaltet Aufsätze, die auf dem gleichnamigen Kolloquium am 26. Mai 2006 in Frankfurt gehalten wurden. Die Veranstaltung war Teil eines von der Thyssen-Stiftung geförderten Forschungsprojektes zum Thema "Der kontemporäre islamische Diskurs in Indonesien und seine Relevanz für den kulturellen und sozialpolitischen Entwicklungsprozess."
Ziel der Studie ist zu belegen, dass der islamische Diskurs in Südostasien durch nationale, kulturelle, historische und politische Gegebenheiten in einzelnen Staaten geprägt wurde. Entsprechend umfasst der Band zwölf Aufsätze, die sich mit der Rolle des Islam in Malaysia, Thailand, den Philippinen und Birma/Myanmar sowie - schwerpunktmäßig - Indonesien befassen. Besonderen Wert gewinnt das Werk durch die Vielzahl der verwendeten methodischen und theoretischen Ansätze. Regionalwissenschaftler, Sozialwissenschaftler, Historiker und Vertreter der Islamwissenschaft kommen zu Wort und vermitteln dem Leser ein breites Bild des Islamdiskurses in Südostasien.
Insgesamt ist der Sammelband in fünf Rubriken entlang der regionalen Schwerpunkte unterteilt. Der erste Teil "Indonesien" beinhaltet sechs Beiträge und präsentiert einen guten Einblick in die Facetten des dortigen Islams. Den Einstieg bildet Susanne Schröter mit ihrem Aufsatz "Religiöser Pluralismus in Indonesien" (1-23). Anhand der Region Minangkabau -, definiert als "Kleinindonesien" - veranschaulicht die Verfasserin den Konflikt zwischen der zunehmenden Islamisierung einerseits und dem verfassungsmäßig (Pancasila) vorgegebenen religiösen Pluralismus andererseits. Anhand von Einzelfallstudien wird die Komplexität des Konfliktes zwischen Religion, Pluralismus und Demokratie in Indonesien verdeutlicht. Die Aufsätze von Fritz Schulze ["Pluralismus und Demokratie im radikal-islamischen Diskurs am Beispiel der Hizbut Tahrir" (43-65) und "Die Konzeption von Pluralismus im neo-modernistischen Islam Indonesiens" (65-77)] sowie von Eva Ottendörfer und Patrick Ziegenhain ["Islam und Demokratisierung in Indonesien: Die shari'a-Gesetzte auf lokaler Ebene und die Debatte um das so genannte Anti-Pornografie-Gesetz" (43-65)] bieten einen ausgezeichneten Einstieg sowohl in die radikale Interpretation von Menschenrechten durch die Hizbut Tahrir, als auch in die Nutzung des Islam zur Erhaltung von Moral in Form des 2008 vom Parlament erlassenen Gesetzes gegen die Verbreitung von pornographischem Material. Thema der letzten beiden Beiträge zum indonesischen Islam sind dann die Authentisierung des javanischem Islams (77-91) und die Gegenüberstellung von religiöser und ethnischer Identität (91-111).
Der folgende Abschnitt leitet mit zwei Beiträgen zur Entwicklung des Islam in Malaysia über. In seinem Artikel "Die komplexe Dynamik der Islamisierung. Der malayische Islam im Spannungsfeld von Staat, politische Gesellschaft und Zivilgesellschaft" (111-137) präsentiert Andreas Ufen seine These einer zunehmenden Islamisierung aller Lebensbereiche seit der Unabhängigkeit Malaysias. Dabei betont er insbesondere die Rolle der "Asienkrise" als Auslöser für die gegenwärtige politische Ausprägung des Islamismus als Wettstreit zwischen orthodoxen und radikalen Parteien. Diese Thematik konkretisiert und vertieft Holger Warnk im Anschluss, indem er die Sichtweise zweier malayischer Oppositionspolitiker zur politischen und sozialen Lage im Land analysiert. Der folgende Aufsatz "Gewalt in Thailands Süden: Vom ethnischen zum religiösen Konflikt" von Marco Bünte (161-185) befasst sich mit den Hintergründen der seit Januar 2004 im Süden Thailands aufgekommenen Gewaltwelle. Der Autor geht zunächst auf die allgemeine Situation der Muslime im thailändischen Kontext ein und arbeitet dann die Konfliktgenese und Transformation zu einem ethno-religiösen Konflikt heraus. Als deren Ergebnis sieht Bünte die aktuelle Lage an, betont jedoch auch hier die Rolle der Wirtschaftskrise als Teilaspekt der gewalttätigen Aktionen in Süd-Thailand.
Die abschließenden drei Beiträge befassen sich mit dem Islam-Diskurs auf den Philippinen und in Birma/Myanmar. Peter Kreuzers "Ein Blick auf die Mikro-Ebene des komplexen Gewaltsystems im muslimischen Süden der Philippinen" (185-205) veranschaulicht zum einen die zentrale Rolle, die kulturalistische Argumentationsmuster bei der Mobilisierung von Gewaltpotential spielen können. Zum anderen zeigt er, wie der Islam von verschiedenen Akteuren zur Abgrenzung von den Christen genutzt wird. Birte Brecht weist dann in ihrer Fallstudie nach, dass der Islam entscheidend zur Identitätsfindung der Maranao Frauen auf Mindanau beiträgt. Der letzte Aufsatz zur Situation von Muslimen in Birma/Myanmar dokumentiert das für Südostasien charakteristische Problem der doppelten ethnisch-religiösen Zugehörigkeit. Hans-Bernd Zöllner kann anhand kleinerer Fallstudien sehr schön die Konfrontation von Mönchen und Muslimen sowie von Mischehen zwischen muslimischen Indern und Birmaninnen verständlich machen.
Insgesamt bietet der Sammelband einen guten Einblick in das Verhältnis von Muslimen und Nichtmuslimen in Südostasien. Die aus verschiedenen Disziplinen stammenden Autoren bieten durch Fallstudien sowohl neue und vertiefende Aspekte des regionalen Islam-Diskurses als auch eine anschauliche Zusammenfassung des bestehenden Forschungsstandes.
Tonia Schüller