Michael Berger: Eisernes Kreuz, Doppeladler, Davidstern. Juden in deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen. Der Militärdienst jüdischer Soldaten durch zwei Jahrhunderte, Berlin: trafo 2010, 467 S., ISBN 978-3-89626-962-1, EUR 49,80
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Für Gewiss kann gelten, eine mehr oder minder große Zahl Juden habe auch zu früheren Zeiten, etwa im Dreißigjährigen Krieg, in Armeen deutscher Potentaten als Soldaten gedient. Doch ist dies zum einen kaum nachzuweisen, zum andern aber wird ihr Militärdienst erst im Zuge der so genannten Judenemanzipation relevant, beginnend mit der Aufklärung. Folgend einer gewissen Rechtssicherheit, einem, wenn auch zögerlichen und streckenweise steinigen Weg zur Gleichberechtigung im Land, kam die Forderung, sich dafür auch einzusetzen, nötigenfalls sein Leben zu geben für dieses Land und eine Gesellschaft, die zumindest vor grober Willkür schützte. In den Erblanden der Habsburger durften Juden schon gegen Ende des ancien régime als Fuhrknechte beim Train (24) dienen, eine der untersten Positionen in der Militärhierarchie. In Preußen waren sie in den Freiheitskriegen als Freiwillige willkommen - mit einem Gemälde von Gustav Graef wurde ihnen quasi ein Denkmal gesetzt - und in Bayern, wo nur ein paar Tausend Juden lebten, füllten sie die Lücken bei der Aufstellung der Armee, die das Land als Alliierten im Vertrag von Ried akzeptabel machten.
Zu diesen Zeiten begannen die "zwei Jahrhunderte" des Militärdienstes jüdischer Soldaten. Während die Verhältnisse jüdischer Soldaten in der k. u. k. Monarchie gut erforscht sind - etwa durch die Arbeiten von Istvan Deàk und Erwin Schmidl - fehlen umfassende Arbeiten über jüdische Soldaten in deutschen Armeen; der Interessierte ist auf vereinzelte Aufsätze angewiesen, wie denen von Rainer Braun über jüdische Offiziere in der Bayerischen Armee des 19. Jahrhunderts, oder auf einschlägige Abschnitte in Biographien und allgemeinen Untersuchungen über die deutsche Judenheit. Weil die Behandlung jüdischer Soldaten nicht nur in Krieg und Frieden, sondern auch von Land zu Land unterschiedlich war, auch die deutschen Streitkräfte, ausgenommen die kaiserliche Marine, zwischen 1871 und 1918 ein Kontingentheer waren, wird eine Recherche sich zumindest auf die Militärarchivalien der ehemaligen Kontingente Preußen, Sachsen, Württemberg und Bayern erstrecken müssen, soweit diese überhaupt noch existieren. Der Titel des zu besprechenden Buches erscheint in diesem Zusammenhang als ein großes Wort. Sein Autor, ein Offizier beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam und Vorsitzender der Vereinigung jüdischer Soldaten der Bundeswehr, gibt an (252), in dieser dienten seit geraumer Zeit eine Anzahl jüdischer Soldaten; der Rezensent lernte in dreißig Dienstjahren zwei kennen, einen Stabsoffizier und einen Wehrpflichtigen. Den Einband des Buches ziert eine Vignette nach einem Gemälde betender jüdischen Soldaten im Krieg 1870/71; neben einem preußischen Sanitätsoffizier sind zwei offensichtlich bayerische Offiziere erkennbar; im Buch sind jedoch vornehmlich preußische Zustände gemeint, wenn von deutschem Militär die Rede ist. Kern der Arbeit sind Artikel über jüdische Soldaten in Deutschland, respektive dem Kaiserreich, der k. u. k. Monarchie sowie längere Ausführungen über Vereinigungen jüdischer Frontsoldaten; die drei Teile bilden etwa ein Drittel des Buches, umfangreich ist der Anhang mit Listen, Verzeichnissen und zweisprachig dargebotenen jüdischen Gebeten.
Freilich herrschten im deutschen wie im österreichischen Kaiserreich durchaus rechtsstaatliche Verhältnisse; dass betrunkene Kosaken an öden, verregneten Sonntagen aus Langeweile ungestraft jüdische Häuser niederbrennen durften, war in beiden undenkbar. Antijudaismus, Antisemitismus in Österreich mehr als in Deutschland, gab es hier wie dort und nicht erst seit dem wirtschaftlichen Aufstieg sowie der Stagnation 1873-1886, dann jedoch verstärkt. Weil das deutsche Bürgertum nie das Selbstvertrauen der französischen oder englischen Bourgeoisie erreichte, hatte die deutsche Judenheit keinen liberalen Schild, der ihre Rechte als "einen Teil eines universell anerkannten Kodex der Menschenrechte" geschützt hätte. Ja, jene verbleibende moralische Macht einer "verarmten und habgierigen Klasse von Kriegern und Agrariern" propagierte einen Nationalismus aggressiven, fremdenfeindlichen Charakters. Nur konsequent war es deshalb, Juden von militärischen Führungsposten - eine ihrer verbliebenen Domänen - fernzuhalten. Besonders in Preußen, aber zunehmend auch in den anderen Staaten des Reichs, war der Offizier, die Uniform Bestand der Eliten, merkwürdiges Amalgam aus Ritter, Germane, Pflicht und Eisen. Deutsch sein, germanisch ungeachtet, so vieler eher slawisch klingender Familiennamen. Viele deutsche Juden schlossen sich dennoch dem Liberalismus an, diesem diffusen politischen Charakter, und waren nicht, wie der Autor meint, genuin konservativ. Sie suchten die Integration in die Gesellschaft; ungeachtet deren Zögern bis zur Ablehnung. Die deutsche Judenheit als politische Interessengruppe zeigte folgerichtig erhebliche Vorbehalte gegen die in Scharen einwandernden Juden aus dem Osten, meistens aus Galizien, mit ihren zionistischen Neigungen. Ein Prototyp dieses Integrationswillens war Gerson Bleichröder, dessen Enkel Mitglied des Stahlhelms wurde. Symptomatisch erscheinen denn auch die Sätze Rabbiner Beermanns Anno 1914 (49).
Von einer Armee des Kaiserreichs, wie der Verfasser schreibt (14) kann angesichts deren Kontingentcharakters keine Rede sein und dass für Juden die Möglichkeiten in der Bayerischen Armee günstiger gewesen seien, ist eine Legende; als sie 1907 in Rede stand, dienten zwar im preußischen Heer überhaupt keine Juden, aber in Bayern waren es auch nur 48; Reserveoffiziere zumal, bei eineinhalb Tausend Einjährig-Freiwilligen pro Jahr. Die Vermutung des Autors (49), die 16 jüdischen Offiziere, die es 1907 gab, seien in der Bayerischen Armee gewesen, trifft nicht zu. Wenn irgendwo, dann waren im Königreich Württemberg die Bedingungen günstiger; in dessen allerdings kleinem Kontingent. Bezüglich des kriegsministeriellen Erlasses zur Zählung der Juden im Heer zwischen 9. und 15. November 1916 erwartet man mehr als Larmoyanz, angesichts der Bedeutung dieses Phänomens. Das permanente Lob der Tapferkeit jüdischer Soldaten impliziert dessen Notwendigkeit, ist nicht ohne judenfeindlichen Hautgout, da es sich von selbst verstehen müsste, Juden erfüllten ihre Pflicht wie jede andere Gruppe - I stand for judgment: answer; shall I have it? - wer, wenn nicht ein Ignorant, wollte das bestreiten. Der Autor betont in häufigen Anmerkungen mit Verweisen auf sein erstes Buch seine Sachkompetenz (exemplarisch bei ...). Dem Rezensenten steht nicht zu, die Kompetenz des Verfassers in Zweifel zu ziehen, doch kommen seine Ausführungen nicht über das Allgemeine und Bekannte hinaus, von den Fallbeispielen - soweit es länger dienende Soldaten waren - abgesehen. Ohne Zweifel ist Militärgeschichte Sozialgeschichte pur. Eine Untersuchung der Geschichte der Juden im Zusammenhang mit der Entwicklung deutschen Militärs vornehmlich im 19. Jahrhundert wäre ein überaus mühsames Unternehmen und vermutlich deswegen ein Desiderat. Das Buch über den Militärdienst jüdischer Soldaten, gar in Deutschland, ist noch zu schreiben.
Günther Hebert