Sven Externbrink (Hg.): Der Siebenjährige Krieg (1756-1763). Ein europäischer Weltkrieg im Zeitalter der Aufklärung, Berlin: Akademie Verlag 2011, 296 S., ISBN 978-3-05-004310-4, EUR 79,80
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Walther Mediger / Thomas Klingebiel: Herzog Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg und die alliierte Armee im Siebenjährigen Krieg (1757-1762), Hannover: Hahnsche Buchhandlung 2011
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Marian Füssel (Hg.): Der Siebenjährige Krieg 1756-1763. Mikro- und Makroperspektiven, Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2021
Stephan Lehnstaedt: Der große Nordische Krieg 1700-1721, Stuttgart: Reclam 2021
Imants Lancmanis: Libau. Eine baltische Hafenstadt zwischen Barock und Klassizismus, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2007
Sven Externbrink / Charles-Édouard Levillain: Penser l'apres Louis XIV. Histoire, mémoire, représentation (1715-2015), Paris: Editions Honoré Champion 2018
Sven Externbrink: Ludwig XIV. König im großen Welttheater, Paderborn: Brill / Ferdinand Schöningh 2021
Sven Externbrink: Friedrich der Große, Maria Theresia und das Alte Reich. Deutschlandbild und Diplomatie im Siebenjährigen Krieg, Berlin: Akademie Verlag 2006
Bis in die jüngste Vergangenheit ist der Siebenjährige Krieg in der deutschen Frühneuzeitforschung - gemessen an der ansonsten im Fach anzutreffenden thematischen und methodischen Bandbreite - nur auf wenig Interesse gestoßen. Allenfalls der österreichisch-preußische Gegensatz sowie klassisch militärgeschichtliche und politische Fragen des Krieges wurden umfänglicher diskutiert. Der Fokus erstreckte sich dabei nur selten über die preußische und deutsche Geschichte hinaus, während europäische und weltpolitische Aspekte dieses auf verschiedenen Kontinenten ausgetragenen Krieges zumeist unbeachtet blieben. Eine gewisse Neuorientierung der Forschung zeichnet sich erst in den letzten Jahren ab, wobei die "neue", kulturgeschichtlich ausgerichtete Militärgeschichte der Frühen Neuzeit sowie die Geschichte internationaler Beziehungen eine Vorreiterrolle einnehmen. 2010 erschien aus der Feder von Marian Füssel (Der Siebenjährige Krieg. Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert) auch eine erste deutschsprachige, kompakte Gesamtdarstellung, die den Siebenjährigen Krieg in den größeren Rahmen europäischer und außereuropäischer Geschichte stellt. Während dieser militärische Großkonflikt bis in die jüngste Vergangenheit auch in Frankreich für wenig Aufmerksamkeit gesorgt hat, ist der englischsprachige Forschungsstand sehr viel günstiger. Sicherlich hat dies auch damit zu tun, dass der Ausgang des Siebenjährigen Krieges für Frankreich das Ende seines Kolonialreichs in Amerika und Indien bedeutete, während England sich die Basis für sein Empire des 19. Jahrhunderts schuf.
Vor diesem Hintergrund fand im September 2007 am damaligen Forschungszentrum für Europäische Aufklärung in Potsdam eine von Sven Externbrink organisierte Tagung statt, an der Historikerinnen und Historiker aus England, Frankreich und Deutschland teilnahmen. Die dort gehaltenen Vorträge bilden, abgesehen von einigen Ausnahmen, den Kern des Sammelbandes, den der Veranstalter und Initiator nun selbst herausgegeben hat. Zusätzliche Beiträge steuerten Marian Füssel, Beatrice Heuser und Joachim Rees bei. Der Band wird eingeleitet durch einen von Sven Externbrink verfassten Überblick über den aktuellen Forschungsstand sowie die einzelnen Beiträge, die dann im Folgenden in drei großen Abschnitten, überschrieben mit "Internationale Beziehungen und Staatensystem - Globale Dimensionen, Akteure und Interessen", "Kriegswahrnehmungen und Nachwirkungen: Politik, Literatur und Kunst" sowie "Der Siebenjährige Krieg und der Alltag des Krieges im Zeitalter der Aufklärung", zusammengefasst werden. Eine Chronologie der wichtigsten politischen und militärischen Ereignisse, ein Autorenverzeichnis sowie ein Orts- und Personenregister beschließen die Publikation.
Olaf Asbach spannt in seinem Beitrag über "Die Konflikte der Moderne - Dynamiken und Widersprüche in der Theorie und Praxis der internationalen Beziehungen" einen weiten, vom 16. bis ins 20. Jahrhundert reichenden Bogen. Sein zentraler Befund lautet, dass "diese Zeit und dieses Ereignis tatsächlich als Knotenpunkt auf dem Weg der Durchsetzung der modernen politischen und sozialen Ordnung auf europäischer und globaler Ebene" anzusehen sei (61). Dabei habe sich ein System von Großmächten etabliert, das zum Ursprung eines sich mit der Zeit verfestigenden, dauerhaften Mächtesystems wurde. Brendan Simms beleuchtet in einem vergleichsweise knappen Überblick die britische Außenpolitik, in deren Zentrum bis in das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts nicht - wie oft behauptet - die Kolonien, sondern noch Europa gestanden habe. Die von Lucien Bély vorgestellte französische Außenpolitik führte unter Ludwig XV. bereits vor dem Siebenjährigen Krieg zu einem "renversement des alliances", das für Frankreich in ein Bündnis mit den Habsburgern mündete. Es ergänzte den bourbonischen Hausvertrag bzw. Familienpakt mit den Spaniern, der 1761, mitten im Siebenjährigen Krieg, erneuert wurde. Sind die vorgestellten drei Beiträge von ihrem methodischen Ansatz her eher der klassischen politischen Geschichte zuzurechnen, erweitern die beiden folgenden nicht nur räumlich den Horizont. Michael Mann beleuchtet die Auseinandersetzung zwischen zwei europäischen Handelskompanien (Compagnie des Indes und East India Company) in Indien, die im weiteren Verlauf zu einer tiefen Verstrickung der Engländer und Franzosen auch in die innerindische Politik führte. Die längerfristige Weiterentwicklung der Handelskontore zu territorialer Herrschaft gelang den siegreichen Engländern nicht zuletzt dadurch, dass sie von den Herrschaftsträgern vor Ort Rechte erwarben. Ulrike Kirchberger beleuchtet die Handlungsspielräume und das Handeln nordamerikanischer Indianer während des Siebenjährigen Krieges. Im Mittelpunkt stand das Bemühen, den eigenen Lebensraum zu sichern und gegen die Expansionsabsichten der britischen Kolonisten zu verteidigen. Allerdings betont die Verfasserin, dass sich Briten und Indianer keinesfalls in geschlossenen Blöcken mit jeweils einheitlicher Sichtweise auf das ethnisch Andere gegenüber standen. Vielmehr gab es jeweils unterschiedliche Gruppierungen und Fraktionen und damit zusammenhängend auch vielschichtige Wahrnehmungsmuster und Stereotypisierungen. Auch die Selbst- und Fremdwahrnehmung war durchaus heterogen.
Im zweiten Abschnitt des Sammelbandes beschäftigen sich vier Beiträge mit politischen, literarischen und künstlerischen Wahrnehmungen und Nachwirkungen des Krieges. Angesichts der Weite dieses Themenfeldes kann es sich zweifelsohne nur um eine exemplarische Auswahl handeln. Sven Externbrink setzt sich mit der Wahrnehmung und Kommentierung des Krieges durch Voltaire auseinander, wobei er dessen herausragendes Werk "Candide" besonders intensiv beleuchtet. Das bereits erwähnte "renversement des alliances" und seine - weitgehend negative - Bewertung in der französischen Öffentlichkeit und Politik stehen im Mittelpunkt des Beitrags von Jörg Ulbert. Deutlich wird, dass der Fortbestand der Allianz mit Österreich vor allem von der entschlossenen Haltung des französischen Königs Ludwig XV. abhängig war. Beatrice Heuser analysiert, auf welche Weise der Mythos vom großen Feldherren Friedrich Eingang in die Strategie-Literatur des 18. bis 20. Jahrhunderts gefunden hat. Wenig überraschend kommt sie zu dem Ergebnis, dass dafür die Doppelrolle des preußischen Monarchen ausschlaggebend war, der als geradezu idealtypisch erscheinender Entscheidungsträger Politik und Kriegsführung in seiner Person vereinte. Darüber hinaus betont sie den Einfluss, den auch französische Verehrer des Preußenkönigs Friedrich mit ihren Schriften besaßen. Einen nicht nur vom Umfang her besonders gewichtigen Beitrag steuert aus kunsthistorischer Perspektive Joachim Rees bei. Sein Thema ist der Wandel des militärischen Ereignisbildes seit 1756. Gekonnt interpretiert er seine insgesamt acht Bildbeispiele, analysiert dabei unter anderem den Wandel des französischen Königs Ludwig XV. vom kämpfenden Monarchen hin zu einem Käufer von Bildern, in denen weit entfernte Kämpfe Thema sind.
Den dritten und letzten Abschnitt zum Kriegsalltag eröffnet Sylviane Llinares mit einem sozialgeschichtlichen Beitrag über das System der Rekrutierung von Matrosen für die französische Kriegsflotte. Die männlichen Bewohner der Küstenregionen unterlagen einer spezifischen Form der Wehrpflicht. Im Siebenjährigen Krieg wurde die Kampfkraft der Marine vor allem durch Desertion und Gefangennahmen beeinträchtigt. Marian Füssel untersucht in einem kulturgeschichtlich ausgerichteten Beitrag am Beispiel von Hochkirch 1758 die "Wahrnehmung und Repräsentation einer Schlacht des Siebenjährigen Krieges". Im Mittelpunkt stehen zum einen Erlebnisse und Erinnerungen teilnehmender Soldaten und anderer Augenzeugen der Schlacht sowie zum anderen deren mediale Repräsentation. Schließlich setzt sich Ralf Pröve mit der Delegitimierung des militärischen Gegners im Siebenjährigen Krieg auseinander. Er nutzt dazu vor allem die umfangreiche, in Form von Zeitungen, Flugblättern und Pamphleten vorliegende Publizistik.
Der Sammelband enthält zahlreiche anregende Einzelbeiträge, zumeist auf hohem Niveau. Er fördert die internationale Erforschung des Siebenjährigen Krieges und eröffnet durch seine thematische Breite und die dargebotene Vielfalt der methodischen Zugänge weitere Perspektiven, von denen vor allem die stärkere Betonung global wirksamer Verflechtungen hervorzuheben ist.
Stefan Kroll