Ian Christopher Levy / Gary Macy / Kristen Van Ausdall (eds.): A Companion to the Eucharist in the Middle Ages (= Brill's Companions to the Christian Tradition; Vol. 26), Leiden / Boston: Brill 2011, XVII + 640 S., ISBN 978-90-04-20141-5, EUR 195,00
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Ian P. Wei: Intellectual Culture in Medieval Paris. Theologians and the University c. 1100-1330, Cambridge: Cambridge University Press 2012
Simon Tugwell (ed.): Petri Ferrandi. Legenda Sancti Dominici, Rom: Angelicum University Press 2015
Elizabeth Biggs: St Stephens College, Westminster. A Royal Chapel and English Kingship, 1348-1548, Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2020
Spätestens seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert nahm die Eucharistie innerhalb der Sakramentenheptas den Spitzenplatz ein. Während des hohen und späten Mittelalters gibt es wohl keinen Theologen, der sich in seinem (überlieferten) Werk nicht mit diesem zentralen Sakrament beschäftigt hätte. Doch heute wie damals ist das, was sich im magnum mysterium vollzieht, erklärungsbedürftig. Die Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi erschließt sich weder den Sinnen noch dem Verstand unmittelbar. Urban IV. konnte in seiner 1264 publizierten Bulle zur Einführung des Fronleichnamsfestes sehr wohl vom excellentissimum sacramentum sprechen, dem Anbetung und Verehrung gebühre - Theologen und Kanonisten neigten in den seltensten Fällen dazu, diese Glaubenswahrheit unhinterfragt und unkommentiert zu akzeptieren.
Die Eucharistie und ihre Bedeutung für die Lebenswirklichkeit des Mittelalters war in den vergangenen Jahren erfreulicherweise bereits Gegenstand einiger Untersuchungen. [1] Hier schließt nun vorliegender Band an, der den vielversprechenden, weil profundes Überblickswissen suggerierenden Titel eines "Companion to the Eucharist in the Middle Ages" trägt. Dokumentiert wird darin der von aktuellen Forschungen in Frankreich, Italien und Deutschland unberührte status quo der anglo-amerikanischen Forschung zur Thematik.
Der Band gliedert sich in vier große, chronologisch angeordnete Abschnitte: 1. Spätantike (The heritage of the late Empire), 2. Frühmittelalter (The early Middle Ages), 3. Hochmittelalter (The High Middle Ages), 4. Spätmittelalter (The late Middle Ages). Ein Glossar, in dem zentrale theologische Begrifflichkeiten erläutert werden, und ein ohne Anspruch auf Vollständigkeit zusammengestellter Index der Namen, Sachen und Orte beschließen den Band.
Jeder Abschnitt umfasst drei bzw. vier Beiträge, für die ausgewiesene Kenner der Materie verantwortlich zeichnen. Eine Vergleichbarkeit der Abschnitte untereinander sollte durch die Behandlung gleicher Themenkomplexe hergestellt werden. Liturgie, Theologie, Kanonistik und Kunst stehen vor allem im Fokus des Interesses.
Die Eucharistiethematik ist von Kontroversen geprägt, in die Celia Chazelle in ihrem Beitrag einführt (The Eucharist in early medieval Europe, 205-249). Der erste lateinische Traktat, der sich ausschließlich mit der Eucharistie auseinandersetzte, stammt von Paschasius Radbertus und wurde von diesem 843/44 Karl dem Kahlen übergeben. Nur wenige Jahre später zog Ratramnus, Mönch in Corbie mit einem eigenen Eucharistietraktat nach und eröffnete damit eine Diskussion darüber, ob der eucharistische Leib tatsächlich identisch mit dem Fleisch der Menschwerdung Christi sei. Im Artikel werden die unterschiedlichen Positionen der karolingischen (Hof-)Theologen ebenso konsequent entfaltet wie die - sofern nachweisbar - Reaktionen darauf. Deutlich wird, dass das frühe Mittelalter eine Zeit des Herantastens an das bedeutet, was Eucharistie ausmacht. Man mühte sich um eine Basisverständigung über die Problematik - das uns bekannte theologische Raffinement entwickelte sich erst sehr viel später.
Mit der "theoretischen" Seite der Materie beschäftigen sich zwei Beiträge, die als einführende Überblicksdarstellungen wohl mit zum Besten gehören, was in den vergangenen Jahren vorgelegt wurde. Befasst sich Gary Macy mit den theologischen Implikationen der Eucharistie-Diskussion im Hochmittelalter (Theology of the Eucharist in the High Middle Ages, 365-398), richtet Ian Christopher Levy den Blick auf die Stellung der Eucharistie im kanonischen Recht (The Eucharist and Canon Law in the High Middle Ages, 399-445). Deutlich wird in beiden Beiträgen, welche bedeutsame Rolle die Materialität der Hostie in den Diskussionen der Theologen und Kanonisten spielte. Geweihte Hostien, die von Ungläubigen oder Tieren konsumiert wurden, tauchen spätestens in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts als Problem in jedem Sentenzenkommentar und jeder Rechtssumme auf. Die Behandlung der Thematik erscheint dem heutigen Leser spätestens dann obsessiv, wenn ausführlich über erbrochene Hostien gehandelt wird. Macy und Levy lassen jedoch keinerlei Zweifel an der Relevanz dieses Problems aufkommen, dient dessen Diskussion doch einer Art Feinjustierung des sensiblen Verhältnisses zwischen Substanz und species bzw. accidens - die Substanz von Brot und Wein wird in Leib und Blut Christi gewandelt, die species von Brot und Wein aber bleiben unverändert.
Zentrale Bereiche innerhalb der Diskussion - in den Schlagworten von "Realpräsenz" und "Transsubstantiation" verdichtet - und damit der theologische Höhenkammdiskurs finden sich in allen Beiträgen mehr oder minder ausführlich abgehandelt. Ungleich problematischer gestaltet sich der Blick auf die Masse derjenigen, die (zumindest seit dem IV. Lateranum) gehalten waren, die Eucharistie eimal im Jahr zu empfangen. Wie gestaltete sich der alltägliche Umgang mit der Eucharistie? Welche Vorstellungen verband die Masse der Gläubigen mit diesem Sakrament? Miri Rubin geht dieser Frage in ihrem Beitrag nach (Popular attitudes to the Eucharist, 447-468) und unterstreicht die Bedeutung von Eucharistie als "Mahl" mit allen damit verbundenen sensorischen Konnotationen. In der Eucharistie ist das Heilige - so Rubin - mit dem Allerbanalsten, nicht zuletzt dem "Verzehr" der Hostie selbst, verbunden und macht das eucharistische Mahl damit tatsächlich zu etwas, was Gemeinschaft stiftet und trägt.
Dem Bereich der "Praxis" zeigt sich auch der Beitrag von Edward Foley verbunden (A tale of two monasteries. Late medieval eucharist and the analogous, 327-363). In ihm wird dem konkreten Moment der Eucharistiefeier nachgespürt. Verglichen werden die im Königskloster von Saint-Denis und der Pariser Kathedrale Notre-Dame gepflegten eucharistischen Praktiken in drei Punkten: Form, Typus und Stil. Ausgehend von diesem Schema wird eine Parallelrekonstruktion der Struktur der Eucharistiefeier, wie sie am 28. Juli 1280 in beiden Kirchen gefeiert wurde, vorgenommen. Es handelt sich dabei liturgisch um den 6. Sonntag nach Pfingsten. In Saint-Denis fiel dieser Sonntag mit dem Fest der Altarweihe zusammen, was eine sehr viel stärker elaborierte Liturgie zur Folge hatte. Deutlich wird, wie stark jede Eucharistiefeier vom Festgrad des jeweiligen Sonntags, vom räumlichen Kontext, nicht zuletzt auch von den Besonderheiten partikularer Liturgien bestimmt war.
Die 13 Beiträge des Bandes bewegen sich leider nicht durchgängig auf dem von Macy und Levy demonstrierten Niveau. In einigen Fällen wurde in die Zweitverwertung bereits publizierter Arbeiten nur ein Minimum an Arbeit investiert. Zitate aus überholten, durch moderne kritische Editionen ersetzten Quellenwerken sind dafür ein untrügliches Zeichen. Das behandelte Themen- und Gattungsspektrum in Ehren: doch wäre es nicht sinnvoll gewesen, den "literarischen" Aspekt in weitestem Sinne, beispielsweise durch eine umfassendere Behandlung mittelalterlicher Exempla oder Poesie, stärker zu gewichten? Problematisch sind die eher kunsthistorisch orientierten Beiträge, in denen ikonographische Besonderheiten bzw. Veränderungen zwar mitunter eindrucksvoll beschrieben werden, die jedoch nicht immer mit einer Abbildung des so detailliert Beschriebenen aufwarten können. Überhaupt die Abbildungen: sollten Schwarz-Weiß-Abbildungen bei einem Band dieser Preiskategorie wirklich der Weisheit letzter Schluss sein?
Summa summarum: ein Handbuch, das zum selektiven Lesen einlädt. Der Einstieg in die eucharistische Wunderwelt des Mittelalters wird einem dabei zwar nicht immer einfach gemacht: Doch wer sagt, dass das Durchdringen einer hochkomplexen Materie immer einfach sein muss?
Anmerkung:
[1] Maßgeblich nach wie vor die beiden Monographien von Miri Rubin: Corpus Christi. The Eucharist in the later Middle Ages, Cambridge 1994 und Gary Macy: Treasures from the storeroom. Medieval religion and the Eucharist, Collegeville 1999; vgl. des Weiteren: Neil X. O'Donoghue: The Eucharist in Pre-Norman Ireland, Notre Dame 2011; Marilyn McCord Adams: Some later medieval theories of the Eucharist: Thomas Aquinas, Gilles of Rome, Duns Scotus, and William Ockham, Oxford 2010; Ann W.Astell: Eating beauty. The Eucharist and the Spiritual Arts of the Middle Ages, Ithaca 2006; István Perczel: The Eucharist in theology and philosophy. Issues of doctrinal history in East and West from the Patristic Age to the Reformation, Leuven 2005.
Ralf Lützelschwab