Ulrich L. Lehner: Enlightened Monks. The German Benedictines 1740-1803, Oxford: Oxford University Press 2011, VII + 266 S., ISBN 978-0-19-959512-9, USD 99,00
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Ulrich L. Lehner widmet sich in seiner ausgezeichneten Studie der Sozial-, Kultur- und Geistesgeschichte der deutschsprachigen Benediktiner in der Zeit von 1740 bis 1803. Dabei untersucht er, vor welchen sozialen, kulturellen, philosophischen und theologischen Herausforderungen die Klöster standen und wie sie mit den Anforderungen des aufgeklärten Zeitgeistes umgingen. Lehner geht es dabei um die Wechselwirkungen zwischen den Mönchen als Individuen und ihrer Institution, um das Verhältnis zwischen Freiheit und Gehorsam, zwischen Fortschritt und Tradition unter den Benediktinern. Lehners Enlightened Monks war in der Erstauflage bereits nach wenigen Wochen vergriffen und wurde 2011 mit dem John Gilmary Shea Prize der American Catholic Historical Association ausgezeichnet.
Lehners Studie unterliegt einer klaren systematischen Gliederung, die die wichtigen Einflussfaktoren, Veränderungen und Entwicklungen im monastischen Leben des 18. Jahrhunderts reflektiert. Jedes Kapitel befasst sich mit einer der Herausforderungen der Aufklärungszeit für das benediktinische Mönchtum. Dabei beginnt Lehner mit der benediktinischen Historiographie, die sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts durch den Einfluss des französischen Klosters St. Maur auf die deutschsprachigen Benediktinerklöster entscheidend veränderte.
Lehner kann ab den 1750er Jahren eine Säkularisierung der benediktinischen Historiographie feststellen. Durch den Einfluss von St. Maur kam es gleichzeitig zur Rezeption der Schriften der französischen Aufklärer und Jansenisten, was zur Entwicklung einer neuen Sichtweise auf die Kirchendisziplin führte und die strenge Befolgung der benediktinischen Regel hinterfragte. Dies eröffnete zusammen mit der gestiegenen Bedeutung der Gelehrsamkeit einen neuen klösterlichen Lebensstil. Die Stundengebete wurden nun immer häufiger als etwas betrachtet, das die Mönche von ihrer eigentlichen, nützlichen Arbeit abhielt. Der Freizeitanteil vergrößerte sich und wurde nun mit persönlichen Hobbys gefüllt. Aber auch das Verlangen nach weltlichen Gütern wie Geld, Kaffee oder Tabak wuchs in den Benediktinerklöstern des 18. Jahrhunderts. Die Essgewohnheiten veränderten sich, sodass der Fleischgenuss selbst in der Fastenzeit üblich wurde. Eine große Anzahl von Benediktinern begann die Tonsur abzulehnen, und Kartenspiele und Billard wurden zu beliebten klösterlichen Freizeitvergnügungen.
Die fortschreitende Individualisierung zeigte sich auch in der Veränderung des Gehorsamsverständnisses. Ungehorsam wurde mehr und mehr mit dem eigenen Gewissen gerechtfertigt. Lehner zeigt eindrucksvoll, dass die frühneuzeitlichen Klöster keine isolierten Gemeinschaften waren, sondern in weit gespannte, effiziente Netzwerke eingebettet waren. Es gab fruchtbare und lebhafte Verbindungen zwischen deutschen und französischen Klöstern, gelehrte Netzwerke, einen Austausch auch mit protestantischen Gelehrten und zahlreiche akademische Veröffentlichungen aus den Reihen der Benediktiner.
Nachdem Lehner so den Rahmen gespannt und gezeigt hat, wie die Benediktiner sich dem aufgeklärten Zeitgeist allmählich öffneten, beleuchtet er die Frage der Klosterkerker. Diese standen in der Kritik der Aufklärer und wurden ab 1768/69 von den Bischöfen und Fürsten eingeschränkt. Als wichtigem Faktor für das Verständnis des persönlichen Lebens der damaligen Mönche und ihrem Verständnis von Keuschheit, Armut und Gehorsam widmet Lehner ein Kapitel dem Schicksal einiger entlaufener Benediktiner, bevor er seine Studie mit der Untersuchung der Herausforderungen durch die neuen Rechtstheorien, Philosophien und Theologie der Aufklärungszeit abschließt.
Die Bedeutung der frühneuzeitlichen Ordensgeschichte wurde lange Zeit von der Forschung wenig beachtet. Lehner schließt daher bewusst an die Arbeit von Derek Beales [1] an, der als einer der Ersten in der jüngeren Zeit die Bedeutung der Orden und Klöster in der Frühen Neuzeit wieder in den Mittelpunkt gerückt hat. Lehners Arbeit ist ein wichtiger Beitrag für die weitere Erforschung der Ordensgeschichte in der Aufklärungszeit, wie sie aktuell beispielsweise in einer Forschungsgruppe der Universität Wien geleistet wird [2].
Lehners Buch besticht durch eine geschickte Gliederung und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Darstellung von Fallbeispielen und allgemeinen Tendenzen. Die Beschränkung auf die Untersuchung des Benediktinerordens unter Berücksichtigung nahezu aller deutschsprachigen Benediktinerklöster zeichnet die Arbeit aus, die nicht schlicht Einzelfälle aufgreift, sondern aus einer Vielzahl von vergleichbaren Fallbeispielen grundsätzliche Entwicklungen herauszuarbeiten vermag, die durch das umfassende Quellenstudium verbürgt sind. Dies bewältigt Lehner auf nur 228 angenehm zu lesenden Seiten mit einer ausführlichen Bibliographie und einem übersichtlichen Personen- und Ortsregister.
Lehner zeigt, dass das Mönchtum des 18. Jahrhunderts nicht der Hort des finsteren Mittelalters gewesen war, als der es oft dargestellt wurde. Ganz im Gegenteil spielten die Klöster eine bedeutende Rolle als Träger und intellektuelle Basis der katholischen Aufklärung. Das Mönchtum hatte sich bereits früh im 18. Jahrhundert dem aufgeklärten Zeitgeist geöffnet und angepasst. Dies erklärt vielleicht auch die aufgeklärte Kritik an den Missständen in den Klöstern, die sich letztlich gegen die Folgen dieser Anpassung an den aufgeklärten Zeitgeist richtete. Es ist zu hoffen, dass die Enlightened Monks in der deutschen Forschung breit rezipiert werden und das Buch bald auch in deutscher Übersetzung vorliegen wird.
Anmerkungen:
[1] Derek Beales: Prosperity and Plunder. European Catholic Monasteries in the Age of Revolution, 1650-1815, Cambridge 2003 [deutsch: Derek Beales: Europäische Klöster im Zeitalter der Revolution 1650-1815, Wien 2008].
[2] Monastische Aufklärung und die benediktinische Gelehrtenrepublik. Die Korrespondenz der Brüder Pez: http://www.univie.ac.at/monastische_aufklaerung/de/ (06.10.2012).
Sascha Weber