Ulrich L. Lehner: Monastic Prisons and Torture Chambers. Crime and Punishment in Central European Monasteries 1600-1800, Eugene, OR: Cascade Books 2013, XI + 105 S., ISBN 978-1-62564-040-6, USD 15,00
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1769 wurde in München die 35-jährige Nonne Magdalena Paumann von kurbayerischen Soldaten aus ihrer vierjährigen Haft im Kerker des franziskanischen Angerklosters befreit. Dort war sie nach einer gescheiterten Klosterflucht auf unbestimmte Zeit eingekerkert worden. Das Schicksal der Klarisse sorgte reichsweit für großes Aufsehen und wurde noch befeuert durch die fast zeitgleiche anonyme Veröffentlichung einer Quellensammlung zum Strafrecht des Franziskanerordens durch den Benediktiner Heinrich Braun.
Die episkopalistisch geprägten Fürstbischöfe wie die josephinisch-staatskirchlich geprägten katholischen Fürsten waren entsetzt von der Vorstellung, dass die Orden nicht nur "Privatkerker" unterhielten, sondern es in den Klöstern auch eine Rechtssprechung gab, die nicht ihrer eigenen geistlichen und weltlichen Jurisdiktion unterlag.
Der Mainzer Erzbischof Emmerich Joseph erließ im Folgejahr ein Verbot der Klosterkerker und erklärte jegliche innerklösterliche Jurisdiktion ohne bischöfliche Zustimmung für ungültig. Maria Theresia verbat 1771 alle Klosterkerker in den habsburgischen Landen. Die anderen katholischen Territorien des Reiches folgten diesen Beispielen. Damit war zwar das Ende der Klosterkerker eingeleitet, doch noch bis in die 1780er und 1790er Jahre sollte es dauern, bis die bischöflichen und fürstlichen Autoritäten die Verbote durch die massive Bedrohung der einzelnen Klöster auch erzwingen konnten.
Wenngleich solche Reaktionen der Landesherren einen anderen Anschein erwecken, war die Existenz klösterlicher Rechtsprechung verbunden mit körperlicher Züchtigung, Folter- und Klosterkerkern auch im Mittelalter und der Frühen Neuzeit durchaus kein Geheimnis. Oft war sie in den Ordensregeln festgelegt und wurde in kirchenrechtlichen Schriften diskutiert. Doch genauso wie die geistliche und weltliche Obrigkeit sich über Jahrhunderte nicht mit der Existenz der Klosterkerker beschäftigt hatte, wurden sie auch von der historischen Forschung, insbesondere gerade im Umfeld der Erforschung der frühneuzeitlichen Gefängnisse und Strafjustiz, nur sehr selten beachtet und wahrgenommen.
Mit seinem kleinen Büchlein hat Ulrich Lehner keine abschließende Studie zur Frage von Verbrechen und Bestrafung in den europäischen Klöstern der nachtridentinischen Zeit vorgelegt. Vielmehr will er die Erforschung dieses Themas erst anstoßen und aufzeigen, wie fruchtbar es für viele Forschungsfelder gemacht werden kann. Nicht nur für die Kirchengeschichte, sondern auch für sozial- und kulturhistorische Fragestellungen.
Lehners Arbeit fußt auf einer ausgiebigen Quellenrecherche, durch die er viele Informationen vor allem aus Klöstern des Alten Reiches aber auch aus anderen europäischen Ländern zusammentragen konnte. Die Tatsache, dass bei einigen Orden Prozessakten recht schnell nach den Urteilsfassungen vernichtet wurden, damit sie nicht in falsche Hände geraten konnten, mag mit ein Grund sein, weshalb sich die Forschung des Themas so lange Zeit nicht angenommen hat.
In sieben kurzen Kapiteln behandelt Lehner die verschiedenen Dimensionen seines Themas. Im ersten Kapitel geht es um die Unterschiede zwischen den verschiedenen Orden bei der Einkerkerung von straffälligen und von geistig verwirrten Mönchen und Nonnen. Dabei ist ein erster wichtiger Befund, dass es in Nonnenklöstern anscheinend viel seltener zu harten Bestrafungen als in Männerklöstern kam.
Nach einem zentralen Kapitel zu der Frage, wie die verschiedenen Formen von Klosterkerkern ausgesehen hatten, widmet sich Lehner der Frage nach den Unterschieden zwischen den verschiedenen Männer- und Frauenorden bei der Bestrafung und der Unterhaltung von Kerkern. So sind etwa die nachtridentinischen Ordensgründungen, dem Zeitgeist des 17. und 18. Jahrhunderts entsprechend, deutlich milder in der Bestrafung als die mittelalterlichen Gründungen. Bei den, zugegeben elitären, Jesuiten gab es noch nicht einmal Gefängnisse oder Kerker. Während die bei der Novizenauswahl wählerischen Benediktiner eher mild straften, waren es besonders die Mendikantenorden, die viele und harte Strafen verhängten.
Nach einer ausführlichen Untersuchung des franziskanischen Strafverfahrens lenkt Lehner den Blick auf die Bestrafung körperlicher Angriffe und Mordversuche in Nonnenklöstern. Den Umgang mit Unzucht und Kindesmissbrauch behandelt er im vorletzten Kapitel, bevor das Buch mit einem letzten Kapitel über Klosterflucht schließt; einem der häufigsten Tatbestände in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ihm hatte sich auch Magdalena Paumann schuldig gemacht.
Lehner ist nicht nur ein schönes und kurzweilig zu lesendes Büchlein gelungen, das einen Blick in eine weitgehend unbekannte Welt gewährt, sondern es bietet auch vielfältige Anregungen und Anknüpfungspunkte für weitere Forschungen - von der Rechtsgeschichte bis zu den Gender Studies.
Sascha Weber