Michael Mann: Sahibs, Sklaven und Soldaten. Geschichte des Menschenhandels rund um den Indischen Ozean, Mainz: Philipp von Zabern 2012, 254 S., 25 s/w-Abb., ISBN 978-3-8053-4363-3, EUR 29,90
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Der Klappentext verspricht "erstmals eine Gesamtschau aller Aspekte der südostasiatischen Sklaverei". Damit ist ein ambitiöser Anspruch formuliert, der aber, dies kann hier schon gesagt werden, im Kern meisterhaft eingelöst wird.
Das Buch zeichnet zunächst die "Sklaverei als Form der kontrollierten Arbeit" nach, wendet sich dann dem Sklavenhandel und schließlich der weit in das 20. Jahrhundert gehenden Abschaffung der Sklaverei zu. Im Vorwort wird deutlich, welche umfangreiche über zehn Jahre dauernde Arbeit Michael Mann in das Buch gesteckt hat. Dafür kann sich das Ergebnis sehen lassen und zwar optisch wie inhaltlich. Der Band wird von vielen extra für das Buch angefertigten Karten begleitet, welche die geographischen und politischen Zusammenhänge in einem sehr großen Untersuchungsraum verständlich werden lassen.
Das Buch von Mann betritt Neuland. Denn die Geschichtswissenschaft wandte sich zunächst dem transatlantischen Sklavenhandel zu, bezog dann auch den Handel im Mittelmeer und schließlich den innerislamischen Handel in Afrika mit ein. Der Indik aber wurde dabei weitgehend ausgelassen. Zwar wurde auf den Weiterverkauf von Menschen aus Ostafrika in den Indik verwiesen, diese Spuren aber nicht genau verfolgt. Daher musste die Thematik von Mann nun zusammenfassend erarbeitet werden, wobei er nicht allein einen Forschungsüberblick liefert, sondern seine Ausführungen allgemeinverständlich in einen Globalisierungsdiskurs einbezieht. Mit dem Ziel, den Lesefluss zu verbessern, wurden daher die Anmerkungen in Endnoten umgewandelt.
Der Überblick über die Sklaverei pickt sich Beispiele heraus, die, wer möchte es dem Autor verdenken, geographisch vielfach im Zusammenhang mit seinem eigenen Forschungsschwerpunkt Indien und dessen Bezügen zu Ostafrika stehen, ohne dabei aber je den vergleichenden Blick auch nach Ostasien zu verlieren. Zunächst aber wird der Leser in Meeresströme, Haupthandelsgüter, Zahlungsmittel, regionale Einteilungen und den rechtlich normativen Rahmen eingeführt. Schwerpunkte bei der konkreten Betrachtung sind Südafrika, die Maskarenen, Ostafrika, Sansibar und Madagaskar und die ganz unterschiedlichen Ausformungen der Sklaverei in Indien. Es ist sehr zu begrüßen, dass gerade für das diesbezüglich sehr heterogene Indien eine regional geschiedene und differenzierte Darstellung gewählt wurde. Denn besitzen die Formen von Sklaverei in den europäischen Kolonien aufgrund der gesellschaftlichen Zusammensetzung und des Rechtsrahmens noch gewisse Gemeinsamkeiten, so kann dies für Indien kaum gesagt werden. Kriegsgefangenschaft, Ersatz für Todesurteile, Selbstversklavung aus purer Not fanden sich hier nebeneinander und hielten den menschlichen "Nachschub" aufrecht. Gerade Frauen konnten aufgrund von "unmoralischem Lebenswandel" zur Sklaverei verurteilt werden - so in Maharashtra in Indien im 18. Jahrhundert: und überhaupt boomte der Kinder- und besonders Mädchenhandel stets. So waren 55 % der 2.240 nach England verkauften Inder weiblich. (94, 151, 153)
Das Buch ist spannend und erschütternd, aber enorm kenntnisreich geschrieben. Wir erfahren, wie der Begriff "Amok laufen" sich etymologisch auf den Versuch der Flucht vor der Sklaverei auf Amok (Indonesien) zurück führen lässt (115), wie der wachsende Klavierbedarf in Europa insofern zu einer Steigerung des Sklavenhandels führte, weil einmal der Elfenbeinbedarf für die Tasten stieg, andererseits die Händler zur Sicherung des Geschäftes mittels Diversifizierung Menschen- und Elfenbeinhandel nebeneinander betrieben (142). Diese spannenden Details sind sehr zahlreich, können aber im Rahmen der Rezension nicht wiedergegeben werden.
Deutlich wird besonders die Verflechtung von europäischer Expansion und lokaler Sklaverei. Beispiele wie Thailand, wo zur Mitte des 19. Jahrhunderts wohl die Hälfte der Bevölkerung aufgrund von Schulden in die Sklaverei abrutschte (121) sind eher Ausnahmen. Häufiger sind vielmehr Veränderungen durch europäischen Einfluss, wie z.B. auf Java, wo die Niederländer durch eine Umwandlung der Rechtssprechungspraxis schon für geringere Verbrechen die Sklaverei durchsetzen und damit ihren Sklavenbedarf sichern konnten. (111)
Wie kaum anders zu erwarten, wird im Kapitel um den Sklavenhandel der globale Aspekt des Themas deutlich, weil gerade von den Europäern ganz bewusst eine Mischung von Sklaven aus Afrika und Asien angestrebt wurde. In Südafrika wurden nicht nur Afrikaner, sondern gerade auch Sklaven aus Südostasien zur Feldarbeit gekauft. (136) Dies führte zu großen erzwungenen Menschenbewegungen: etwa von Sansibar in die Länder des Persischen Golfs, wo innerhalb von 80 Jahren um die 800.000 Menschen verkauft wurden. Besondere Beispiele sind "Reimporte", wie ab den 1830er Jahren auf den Seychellen. War auf Mauritius mittlerweile die Versklavung verboten, so nicht der Verkauf von bereits versklavten Menschen. Um dies zu suggerieren, brachten findige Händler ihre "Ware" auf die Seychellen, wo sie etwas Französisch zu lernen hatten, um dann legal auf Mauritius verkauft werden zu können. (148) Insgesamt wird deutlich, wie durch die globale Ökonomie die lokalen Strukturen verändert wurden und diese Transformationen zu einer Vielzahl von Versklavungen führte.
Aus Europa kam dann andererseits seit dem Ende des 18. Jahrhunderts die Forderung nach der Abschaffung der Sklaverei. Diese führte 1807/1811 zum Verbot des Sklavenhandels in Großbritannien. Dem Vorbild folgten 1822 viele europäische Staaten, doch schnell sollte sich zeigen, dass die Unterzeichner lediglich an den transatlantischen Sklavenhandel gedacht hatten. Daher entwickelte sich nun ein lang dauernder Diskurs um die Abschaffung der Sklaverei in seinen verschiedenen Formen. Zivilisierungsdiskurse, die Ersetzung von Sklaven durch Arbeiter und Sträflinge sowie schließlich das Negieren von Sklaverei erlaubte aber europäischen Kolonialherren und arabischen, afrikanischen und asiatischen Gesellschaften ein Festhalten an den bestehenden Strukturen. Da Mauritus und Assam, um nur zwei Beispiele zu nennen, erst nach der Abschaffung der Sklaverei in Großbritannien britisch wurden, wurde der Abolition Act gar nicht umgesetzt. (169-171). Für Südostasien kam hinzu, dass es in weiten Teilen keine "freie" Arbeit gab, sondern dass man sich in Abhängigkeitsverhältnisse stets zu begeben hatte. Solange der Betroffene über seine Arbeitskraft bestimmte, unterschied sich sein Zustand von vollständiger Sklaverei. In Europa wurde diese Praxis für den seit dem Verbot des Sklavenhandels bestehenden Diskurs genutzt, indem verurteilt wurde, dass die Menschen sich freiwillig in die Sklaverei begäben (102). Mann zeigt auch an einer anderen Stelle auf, wie europäische Vorstellungen mit asiatischen Begrifflichkeiten inkompatibel waren. So war die Übertragung des europäisch-amerikanischen Abolitionsdiskurses überall dort kaum möglich, wo kein Wort für "Freiheit" existierte und mit Begriffen wie "Ruhm" und "Befriedigung der Bedürfnisse" gearbeitet werden musste (168). So kann es nicht verwundern, wenn die Europäer ihre eigenen Ansprüche nicht konsequent realisierten. Gerade die Briten brachten einerseits weltweit Sklavenschiffe auf, duldeten aber andererseits Sklavenhandel in ihrem Einflussbereich, ja beteiligten sich sogar weiter an ihm.
Letztlich brachten dann erst die Maßnahmen des Völkerbundes ein Ende der Sklaverei, denn er schuf eine einheitliche europäische Politik gegenüber der Sklaverei, weil die Europäer vor Ort stets ambivalent agiert hatten. Es war ein Meilenstein, als durch die klare Nennung von allen Ländern, in denen Sklaverei noch existierte (so auch Britisch- und Italienisch Somaliland) 1926 endlich insofern ein umfassender Druck aufgebaut werden konnte, als nur Staaten, die dem Ende von Sklavenhandel und Sklaverei zustimmten, in die Weltgemeinschaft aufgenommen werden konnten. Aber dennoch, so muss Mann resümieren, "Frustrierend mag die Erkenntnis sein, dass nur wenige der seit 1815 mehr als 200 national wie international erlassenen Gesetze und getroffenen Vereinbarungen...tatsächlich das Ende von beidem [Sklaverei und Sklavenhandel] bewirkt haben". (210)
Wir können Michael Mann für seinen Überblick, der aus einer Fülle der Beispiele schöpft und dennoch nie den globalen Gesamtzusammenhang aus den Augen verliert, dankbar sein. Dass ihm dabei nicht eine "Gesamtschau aller Aspekte" gelingen kann, sollte dem Leser durchaus zusagen, darf er oder sie doch auf weitere Ausführungen zu diesem so weiten Feld gespannt sein.
Ludolf Pelizaeus