Doina Oehlmann: Erfolgreich recherchieren - Geschichte (= Erfolgreich recherchieren), Berlin: De Gruyter 2012, IX + 134 S., ISBN 978-3-11-027112-6, EUR 19,95
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Die neue, von Klaus Gantert herausgegebene Reihe "Erfolgreich Recherchieren", die im Verlag Walter de Gruyter/Saur erscheint, wurde 2012 mit sechs Titeln für unterschiedliche Fachbereiche (Anglistik/Amerikanistik, Politik-/Sozialwissenschaften, Romanistik, Jura, Geschichte und Germanistik) begonnen; neun weitere Titel (u.a. Medizin, Wirtschaftswissenschaften) sind geplant. Während sich die Reihe "Elektronische Informationsressourcen für ..." [1] im gleichen Verlag eher an erfahreneres Lesepublikum zu richten scheint, liegt mit "Erfolgreich recherchieren" eine vergleichbare Reihe für eine andere Zielgruppe vor.
Der Band zur Geschichte von Doina Oehlmann, einer "Informationsexpertin" und Leiterin der Abteilung "Neuere Medien und Integrierte Medienbearbeitung" an der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, umfasst 143 Seiten mit 69 Abbildungen (überwiegend Screenshots der besprochenen Informations-/Internetressourcen). Die Zielgruppe des Buches wird auf dem Klappentext genannt: "Studierende in allen Phasen des Studiums", ganz gleich "ob für das erste Referat oder die Abschlussarbeit", und "ein eindeutiger Schwerpunkt liegt [...] auf den digitalen Medien" (1). Der Band ist in drei große Bereiche unterteilt: "Basics" (1-24), "Advanced" (25-113) sowie "Informationen weiterverarbeiten" (114-126) und wird durch ein Ressourcenverzeichnis mit 116 Webseiten, ein Literaturverzeichnis mit elf Titeln, ein Sachregister mit 41 Einträgen und die Abbildungsnachweise abgerundet.
Das löbliche Ansinnen, Studienanfängern eine lesbare Einleitung in die elektronische Recherche zu geben, lässt sich vermutlich nur mit Vereinfachung erreichen. Allerdings sollte jede Form von Simplifizierung den Inhalt trotzdem richtig wiedergeben, doch genau hier liegen die Schwächen des Buches. Es ist nicht mit Details überfrachtet und oft drängt sich die Frage auf, ob etwas mehr Informationen dem unbedarften Leser vielleicht hätten schaden können. Sätze wie "Eigtheenth [sic!] Century Collection Online ist eine Sammlung von Texten aus dem 18. Jahrhundert" (71) setzen kaum noch Wissen voraus.
Bei den Artikeln ist angestrebt worden, eine prägnante Charakterisierung voranzustellen (oft farbig und grafisch abgesetzt), dann die Ressource zu beschreiben, und ab und an finden sich grafisch abgesetzte "Tipps". Von solchen gibt es 13; aber Tipps wie "nutzen Sie den umfassenden Hilfetext, der gleichzeitig eine Einführung in die LLT darstellt" (67) entmündigen fast den Leser, auch wenn sie vergleichsweise harmlos sind.
Leider gleitet die Vereinfachung stufenlos ab in eine Verunklarung. Zugunsten höherer Lesbarkeit wird verkürzt, was das Zeug hält und das kann bei einem Lehrbuch nicht nur Vorteile bringen.
Einige Beispiele, die solche Ungenauigkeiten verdeutlichen sollen: "Das kostenpflichtige Bildarchiv prometheus bietet digitalisierte Bildbestände aus über 62 Archiven über eine Suchoberfläche an. [...] Sowohl die Suche als auch die Verwaltung und Präsentation der gefundenen Ergebnisse sind sehr professionell gestaltet" (108). Der Sachverhalt ist zu ungenau dargestellt, denn prometheus bietet keine Bildbestände an, sondern ermöglicht die gleichzeitige Suche in den von 62 Archiven angebotenen Bildbeständen. Bei "kostenpflichtig" hätte sich angeboten, eine Größenordnung des Preises anzugeben. Als Tipp wäre sinnvoll gewesen, auf die Möglichkeit eines zeitlich begrenzten Testzugangs hinzuweisen.
Oder: "Das Bundesarchiv kooperiert auch mit Wikimedia Commons (s. S. 109) und veröffentlicht Bilder über dieses Portal" (107). Die Zusammenarbeit zwischen Wikimedia Commons und dem Bundesarchiv ist aber seit 2011 aus rechts- und arbeitsökonomischen Gründen wieder beendet. [2] Die Gesamtzahl der Bilder, die dabei veröffentlicht wurden, steht fest, wird aber nur ungefähr genannt.
Im Detail fehlerhaft sind auch einige der definierenden Zusammenfassungen: "Ziel des Langzeitprojektes Regesta Imperii [...] ist die Sammlung, Bearbeitung und Publizierung aller deutschen Königs- und Kaiserurkunden" (47) oder "Die Regesta Imperii sind eines der größten und bedeutendsten Quellenwerke zur deutschen und europäischen Geschichte" (102). (Dass letzteres genauso falsch bei Wikipedia steht, macht es nicht wahrer. [3])
Technisches: Das Lektorat hat gut gearbeitet, ob allerdings Smilies (13) oder die "Quick and Dirty"-Suche (109) den Weg in Lehrbücher finden sollten, ist mehr als fraglich. Auch die Einzelüberschrift 1.2.1 (7) führt bei Studienanfängern zu Fehlern. Vermutlich diesen sollen die Hinweise helfen, wenn unter der Frage "Was tun, wenn die Zeit zur Literatursuche zu knapp wird" (24) geantwortet wird: "Lesen und hoffen ..." (24). Der Leser erfährt zwar einiges über Informationsressourcen, allerdings dürfte die Menge an Informationen pro Seite ruhig etwas höher sein - zu wissen, dass etwas "riesig" (78 etc.) oder "sehr professionell" (108) ist, bringt wenig. Auch wäre es besser, mehr gesichertes Wissen zu lesen und nicht ob etwas "evtl." (99 f, 107 etc.) so ist.
Redundanzen lassen sich oft nicht vermeiden; so werden die Regesta Imperii (102 f.) und der zugehörige RI-OPAC (47 f) in ungünstiger Reihenfolge getrennt dargestellt und nicht durch Verweise aufeinander bezogen. Auch im Ressourcenverzeichnis taucht nur ein Hinweis zur Gesamtwebseite auf, im Gegensatz dazu wurde bei "Iter" (48 und 90) besser verfahren. Unnötig doppelt dargestellt sind zum Beispiel auch die Hinweise auf die "Historikerliste in der Wikipedia" (77, 84).
Der Schwerpunkt des besprochenen Webangebotes - etwa ein Viertel dessen, was Gantert in den "Elektronischen Informationsressourcen für Historiker" [1] im vergangenen Jahr vorgestellt hat - liegt auf dem Mittelalter. Die Liste enthält zwar viele Hinweise auf Webangebote, die im Text vorkommen, aber nicht alle: manuscriptorium (95), Handschriftenzensus (95), In Principio (95), mediaevum.de (95), Nachrichtendienst für Historiker (106), Deutsches Musikarchiv (110), Landesfilmstellen/-mediendienste (111) etc. fehlen.
Dagegen ist eine Ausweitung der Anleitung zur Recherche auf die "Grundregeln des Zitierens" (120-124) kaum notwendig, die Warnung vor einem Plagiat (125) am Ende des Bandes, das elektronisch heute einfacher denn je ist, schon eher.
Fazit: Insgesamt ist der Grad der Vereinfachung zu hoch, durch die fehlenden Details wird der Text zu ungenau zum Lernen. Das Gelesene bietet zu wenig Mehrwert für den Leser. Auch das Literaturverzeichnis ist erstaunlich kurz. Die Auswahl der Ressourcen ist vergleichsweise systematisch, die Schwerpunkte liegen aber eher auf dem Mittelalter und bieten für den Studierenden der Neuzeit - die deutliche Mehrheit der Geschichtsstudenten - zu wenig Hinweise. Die meisten eingestreuten Tipps sind zu platt, um hilfreich zu sein. Insgesamt ein Buch, das absoluten Anfängern sicherlich einige Neuigkeiten bringt, fortgeschritteneren Studierenden jedoch weniger. Für Einführungsseminare kann es mit den derzeitigen Monita noch nicht empfohlen werden, der Verlag hat aber Neuauflagen angekündigt.
Anmerkungen:
[1] Vgl. Sebastian Becker: Rezension von: Klaus Gantert: Elektronische Informationsressourcen für Historiker, Berlin 2011, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 6 [15.06.2012], URL: http://www.sehepunkte.de/2012/06/20943.html (12.09.2012).
[2] Vgl. Oliver Sander: "Der Bund mit Wiki" - Erfahrungen aus der Kooperation zwischen dem Bundesarchiv und Wikimedia, in: Archivar 63 (2010), H. 2, S. 158-162. Vgl. auch Thomas Wolf: Bundesarchiv setzt die Zusammenarbeit mit Wikimedia nicht fort, in: Archivalia 11.11.2010: http://archiv.twoday.net/stories/8427530/ (12.09.2012).
[3] Vgl. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Regesta_Imperii&oldid=107733874 (12.09.2012).
Thomas Wozniak