Denys Pringle: Pilgrimage to Jerusalem and the Holy Land, 1187-1291 (= Crusade Texts in Translation; Vol. 23), Aldershot: Ashgate 2012, XII + 470 S., 9 s/w-Abb., ISBN 978-0-7546-5125-3, GBP 70,00
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Der jüngste Band der rasch wachsenden Reihe Crusade Texts in Translation präsentiert keine Kreuzzugsquellen im Wortsinne, sondern eine Sammlung von 17 Pilgerführern bzw. Berichten über Pilgerreisen nach Jerusalem und dem Nahen Osten aus dem 13. Jahrhundert bis zum Fall von Akkon, der letzten Kreuzfahrerbastion in "Outremer" (1291). Da die Pilgerfahrt nach Jerusalem ein konstitutiver Bestandteil der Kreuzzugsidee war, ist gegen solch eine weite Auslegung des Reihenkonzepts im Prinzip nichts einzuwenden, wenn auch keine zwingende Notwendigkeit dazu besteht. Die zeitliche Eingrenzung der Textauswahl wird außer mit Problemen beim Zugang zu den teils entlegen publizierten älteren Editionen hauptsächlich damit begründet, dass solche Zeugnisse aus der Periode nach dem Dritten Kreuzzug bislang in ihrer Gesamtheit noch nicht so intensiv studiert worden seien wie vergleichbare Quellen aus der Zeit davor.
Herausgeber Denys Pringle, ein führendes Mitglied des Cardiff Centre for the Crusades, hat sich als Archäologe in den letzten Jahrzehnten große Verdienste um die Erforschung historischer Stätten im Heiligen Land zur Zeit der Kreuzzüge erworben. Insbesondere ist hier auf sein vierbändiges Werk The Churches of the Crusader Kingdom of Jerusalem (1993-2009) zu verweisen, das im Anmerkungsapparat der Neuerscheinung denn auch das meistzitierte Referenzwerk ist, da in den Quellen nicht nur die herausragenden, sondern auch etliche weniger bis kaum mehr bekannte Gotteshäuser an den diversen Pilgerzielen erwähnt werden.
Nach seiner Einführung in Form eines Überblicks über die wichtigsten Aspekte der Pilgerfahrt ins Königreich Jerusalem zwischen 1187 und 1291 (1-19) stellt Pringle den Stand der Erkenntnisse über die Autoren, die Entstehungsumstände, die Bedeutung sowie die Editions- und Überlieferungslage der ausgewählten Schriftzeugnisse vor (21-59). Im Einzelnen handelt es sich dabei um die Reiseberichte respektive Landesbeschreibungen des als Erzbischof von Utrecht gestorbenen Wilbrand von Oldenburg, des nicht näher bekannten "Magisters Thietmar", des Edelknechts Ernoul aus dem Gefolge Balians von Ibelin, des französischen Dominikaners und Biographen König Ludwigs IX. von Frankreich, Gottfried von Beaulieu, des Franziskaners Bruder Mauritius aus Norwegen (2 Fragmente), des deutschen Dominikaners Burchard vom Berg Sion, des italienischen Franziskaners Philipp von Savona und des in Florenz geborenen Dominikaners Ricoldus de Monte Crucis. Ergänzt werden sie durch einige zumeist kleinere Werke anonymer Autoren sowie die Beschreibung des Nahen Ostens durch Matthew Paris, die, ebenso wie die dazugehörigen Landkarten, in verschiedenen Versionen einen Bestandteil seiner berühmten Chronica Majora bildet. Für die Kreuzzugshistoriographie näherhin von Bedeutung ist eine Aufzählung der Gebiete des Heiligen Landes, die sich um 1239 in den Händen der Ayyubiden befanden.
Die Nummern 8 und 17 der Sammlung bieten eine willkommene Ergänzung der westlichen Perspektive in Bezug auf die jüdisch-christlichen Heiligtümer in Palästina aus griechischer Sicht. Es handelt sich dabei um einen im Jahr 1895 schon auf Russisch und fast hundert Jahre später von Andreas Külzer auch auf Deutsch publizierten Pilgerführer aus dem Jahr 1253 oder 1254, der offenbar auf unmittelbarer Anschauung des anonymen Verfassers oder eines Informanten beruht. Deutlich jünger könnte die zweite von Pringle aufgenommene griechische Schrift sein, deren einzelne Teile im vorliegenden Band in eine logischere Reihenfolge als bislang gewohnt gebracht wurden.
Der gesamte Quellenteil (61-392) ist mit Anmerkungen insbesondere zu den erwähnten Personen, Orten sowie damit verbundenen Bibelstellen oder Legenden versehen. Darüber hinaus ist der Band mit einer Reihe von Karten, einer Übersicht über sämtliche dem Herausgeber bekannten "Pilgrimage Accounts and Geographical Descriptions of the Holy Land, 1187-1291", einer umfangreichen Bibliographie und einem detaillierten Index ausgestattet.
Aufgrund der sehr zahlreichen inhaltlichen Wiederholungen, die sich in dem gesamten Corpus genrebedingt finden, eignet sich der Band eigentlich nicht zur Verwendung als frömmigkeits-, kultur- oder mentalitätsgeschichtliches "Lesebuch". Wer ihn unter Inkaufnahme der Redundanzen trotzdem in diesem Sinne zur Hand nimmt, stößt dabei jedoch unter anderem auch - um nur diesen Bereich herauszugreifen - auf interessante Äußerungen und Reflexionen über die Muslime, die keineswegs nur negativ ausfallen (vgl. etwa 314 f.). Schon Wilbrand von Oldenburg schildert bemerkenswert unaufgeregt, dass die Araber sich einen Sport daraus gemacht hätten, den Jordan oberhalb der Taufstelle Jesu zu verunreinigen, um die Christen zu ärgern (94). Selbst wenn Thietmar ein höchst unschmeichelhaftes Porträt des Propheten Mohammed zeichnet, erwähnt er immerhin, dass dieser nicht nur Unsinniges, sondern auch Gutes gelehrt habe (130). Burchard vom Berg Sion hatte sogar Kenntnis vom Inhalt des Korans aus erster Hand (276). Derselbe Autor schreibt übrigens über das im Bereich des Toten Meeres vorkommende Bitumen, es werde "Judenkleber" genannt und könne nur mit Menstruationsblut wieder aufgelöst werden (284). Ansonsten jedoch erwähnen die Texte Juden fast nur in biblischen Zusammenhängen.
Ganz selten nur ist Denys Pringle in seinen Fußnoten eigentlich angebrachte Erklärungen schuldig geblieben, wie etwa - zumindest für die englischsprachigen Leser - hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs "bukesteins" (= Steinböcke) (208) oder der von ihm 65, A. 25, mit der "Erläuterung" "[u]nidentified" versehenen Nennung eines "Duke Hospinel", über den Wilbrand von Oldenburg anlässlich der Schilderung des Besuchs seines angeblichen Geburtsdorfes mitteilt, man könne von den Taten dieses kriegerischen Mannes vieles lesen. Hier wäre darauf zu verweisen, dass eine Figur solchen Namens exotischer Herkunft sowohl in der Rolandslegende bzw. -dichtung als auch im Titurel-Roman Wolframs von Eschenbach (hier als Ritter von Artus' Tafelrunde) begegnet.
Die Zahl der Druckfehler und Versehen ist erfreulich gering. Erwähnt sei lediglich: Die Schlacht von Hattin fand nicht am 5. (so 97, A. 16), sondern am 4. Juli 1187 statt, und leider nicht nur im Register steht anstatt "Hildesheim" "Hildersheim". Zudem findet sich die Fußnote 192 sowohl auf Seite 355 als auch auf Seite 356.
Abschließend kann festgestellt werden, dass die vorgelegte Ausgabe der zum Verständnis der Bedeutung des Heiligen Landes für die Christenheit und seiner unmittelbaren Wahrnehmung vor Ort im 13. Jahrhundert so illustrativen Pilgerliteratur in der lingua franca der Wissenschaft kaum Wünsche offen lässt und die Rezeption dieser Quellen nicht nur im anglophonen Sprachraum wesentlich erleichtert.
Gerd Mentgen