Abdallah Frangi: Der Gesandte. Mein Leben für Palästina. Hinter den Kulissen der Nahost-Politik, München: Heyne-Verlag 2011, 431 S., ISBN 978-3-453-19354-3, EUR 21,99
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Es gibt viele Gründe, Abdallah Frangis Autobiografie "Der Gesandte" zu begrüßen. Zunächst einmal gibt es wenige deutschsprachige Studien, die einen Einblick in die komplexe Geschichte des Nahostkonflikts aus palästinensischer Perspektive eröffnen. Darüber hinaus handelt es sich bei Frangi zweifellos um einen wichtigen Akteur, der den Prozess der politischen Legitimierung der Palästinensischen Befreiungsbewegung (PLO) in den 1970er und 1980er Jahren wesentlich mitgestaltete.
Frangi, 1943 in Beersheva als Sohn einer einflussreichen Beduinenfamilie geboren, musste seine Heimat im Gefolge des arabisch-israelischen Krieges 1948 verlassen. Seine eigentliche "Kampfzeit" war nur kurz: Als Teilnehmer eines Kommandos geriet er 1967 für sechs Monate in israelische Gefangenschaft. Danach war Frangi für die PLO vor allem ein "Sprachrohr", um an die westliche und hier vor allem die deutsche Öffentlichkeit zu appellieren.
Schon 1962 war Frangi nach Frankfurt am Main gekommen, um dort Politik und Medizin zu studieren - zu einem Zeitpunkt, als in der Bundesrepublik Deutschland weder von Palästina noch von einem palästinensischen Volk die Rede war. Diesen Umstand zu ändern, wurde zur wichtigsten Mission von Frangi: Seit 1968 Vorsitzender der Generalunion Palästinensischer Studenten (GUPS) in der Bundesrepublik und in Österreich, verwandelte er die GUPS in ein effektives Instrument, um auf die Belange der Palästinenser aufmerksam zu machen. Am 9. Juni 1969 kam es zu einem vielbeachteten Eklat: Der Auftritt des ersten israelischen Botschafter in Bonn, Asher Ben-Natan, im Hörsaal VI der Frankfurter Universität wurde so massiv gestört, dass sich dieser an die Nazizeit erinnert sah. Frangi, der am Podium gesprochen hatte, wurde drei Tage später bei einer weiteren Veranstaltung von einem Schlägertrupp attackiert. Er erlitt dabei einen Schädelbasisbruch. Die Täter kamen angeblich aus der "Frankfurter Unterwelt" (143).
Im September 1970 wurde Frangi von Jassir Arafat zum PLO-Vertreter bei der Arabischen Liga in Bonn ernannt: "Ich arbeitete mehr denn je: Interviews, Vorträge, eine breit gefächerte Kulturarbeit und erste Gehversuche auf dem diplomatischen Parkett der Bundesrepublik. Die Büros der Arabische Liga hatten die Aufgabe, durch Kontakte zu Medien und Politikern Sympathiewerbung für die arabische Welt und nicht zuletzt für die Palästinenser zu betreiben" (160). Es war kein ungefährlicher Job: Zahlreiche seiner Kollegen in anderen europäischen Hauptstädten - wie Machmud el-Hamschari in Paris, Wael Zueter in Rom, Said Hammami in London und Naim Khader in Brüssel - wurden in den 1970er und 1980er Jahren vom israelischen Geheimdienst Mossad oder von Killern der mit der PLO verfeindeten Abu-Nidal-Gruppe ermordet (157 f.).
Der Anschlag des "Schwarzen September" auf die Olympischen Spiele 1972 in München bedeutete einen Einschnitt: Frangi wurde gemeinsam mit 300 anderen Palästinensern aus der Bundesrepublik ausgewiesen. Ein etwaiger persönlicher Vermittlungsversuch, so ist sich Frangi sicher, wäre chancenlos gewesen: "Es mischten so viele mit, dass ich so oder so zum ohnmächtigen Zuschauer verurteilt gewesen wäre." (162) Tatsächlich ergaben die Ermittlungen, dass die Geiselnehmer nicht nur versucht hatten, in Fatah-Büros in Tripolis, Beirut und Tunis Ansprechpartner zu finden - sie hatten auch im hessischen Langen, Frangis Wohnort, angerufen, ihn aber nicht erreicht. [1]
Mitte der 1970er Jahre kehrte Frangi nach Bonn zurück, wo er die "Informationsstelle Palästina" aufbaute. Er knüpfte direkte Kontakte zu hochrangigen deutschen Politikern, zu Parteien, NGOs und Institutionen. Dabei achtete er darauf, nicht "mit diesem Temperament, das wir im arabischen Raum einfach haben - dass man laut schreit und mit Fäusten diskutiert -, sondern ganz sachlich, ganz nüchtern" aufzutreten." [2] Mit dem Auftritt Arafats vor der UNO 1974 hatte die PLO dem internationalen Terrorismus abgeschworen. Es begann eine diplomatische Initiative, um vor allem in Westeuropa für politische Anerkennung zu werben. Neben Frangi spielte dabei besonders der "special envoy" Arafats, Issam Sartawi, eine Schlüsselrolle. In "Der Gesandte" streicht Frangi die unterschiedlichen Zugänge beider heraus und charakterisiert sich dabei auf anschauliche Weise selbst: 1978 bat Sartawi Frangi, ihn zu einem Treffen mit Bundeskanzler Helmut Schmidt und Nahum Goldmann, dem Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, zu begleiten. Obgleich letzterer für Frangi zu den "Vernünftigsten und Klügsten" gehörte, weigerte er sich teilzunehmen, weil ihm dieses als "zu riskant" erschien. Daraufhin lachte Sartawi Frangi aus. Der entscheidende Unterschied zwischen ihm und Sartawi sei gewesen, dass letzterer, "ohne Rücksicht auf die Empfindlichkeiten anderer oder auf die Gesamtlage zu nehmen", sein Ziel zu erreichen versuchte. Frangi dagegen wollte nur innerhalb eines "festen Rahmen[s]" agieren (221). Während Sartawi 1983 von den Hardlinern der Abu-Nidal-Gruppe ermordet wurde, machte sich Frangis Linientreue bezahlt. Er zählt noch heute zu den wichtigsten Beratern von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.
Ein Kapitel, das Frangi in "Der Gesandte" ausspart, sind PLO-Anschlagsvorbereitungen in der Bundesrepublik, die im Frühjahr 1979 aufflogen. Die Attentate waren als Vergeltung für den Mord an PLO-Führer Abu Hassan Salameh geplant gewesen. Nachdem Salameh am 22. Januar 1979 bei der Explosion einer Autobombe in Beirut getötet worden war, hatte der verantwortliche Geheimdienst Mossad nämlich falsche Spuren in die Bundesrepublik gelegt. Frangi war über diese Vorgänge gut informiert. Einem hohen Beamten im Auswärtigen Amt erzählte er: "Vertreter des BKA hätten [...] zweimal die PLO in Beirut besucht und Verständnis für ihr Anliegen der Terrorismusbekämpfung in der Bundesrepublik Deutschland gefunden. Dessen ungeachtet hätten von der Linie der Führung abweichende Gruppen der PLO das Attentat auf Abu Hassan Salameh [...] zum Anlass genommen, um auch ihrerseits vom deutschen Territorium aus den Krieg gegen Israel fortzuführen." [3] Aus einem Dokument der ostdeutschen Staatssicherheit geht hervor, dass Jassir Arafat "vor Realisierung des geplanten Sprengstoffanschlags" in der Bundesrepublik durch Frangi "davon in Kenntnis gesetzt" wurde. [4] Hierzu erfährt man in "Der Gesandte" nichts - dafür betont Frangi, sich in den 1980er Jahren für die Sicherheit der Bundesrepublik eingesetzt zu haben: "Ich legte Wert auf klare Verhältnisse, und dem BKA lag daran, die Zusammenarbeit mit der Fatah-Führung bei der Bekämpfung des Terrors in Europa zu verbessern." Das seien nützliche Kontakte gewesen, durch die "der Terror von der Bundesrepublik ferngehalten wurde" (274).
Unter dem Strich ist "Der Gesandte" ein gut lesbarer, persönlicher Bericht über die Dynamik des Nahostkonflikts - wirkliche Einsichten oder überraschende neue Erkenntnisse fehlen allerdings. Es bleibt der Eindruck, dass Frangi - ganz der PR-Fachmann - die Untiefen, sowohl was seine Biografie als auch die Entwicklung der PLO betrifft, geschickt umschifft hat.
Anmerkungen:
[1] "Die angekündigte Katastrophe", in: Der Spiegel, Nr. 30 vom 23. Juli 2012, 34-44, hier 41.
[2] Palästinenser werden "es nicht alleine schaffen". Ex-Diplomat Frangi fordert stärkere Unterstützung Europas; http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1590855/ (abgerufen am 18. Februar 2013).
[3] Aufzeichnung des Ministerialdirigenten Hans-Joachim Hille vom 25. Oktober 1979, in: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1979. Herausgegeben im Auftrag des Auswärtigen Amts vom Institut für Zeitgeschichte, bearbeitet von Michael Ploetz / Tim Szatkowski, München 2010, 1557 f.
[4] Wilhelm Dietl: Die Agentin des Mossad. Operation Roter Prinz, Düsseldorf / Wien 1993, 259.
Thomas Riegler