Martin Pozsgai: Germain Boffrand und Joseph Effner. Studien zu Architektenausbildung um 1700 am Beispiel der Innendekoration, Berlin: Gebr. Mann Verlag 2012, 332 S., 200 Farbtafeln, ISBN 978-3-7861-2661-4, EUR 58,00
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Die 2010 an der Freien Universität Berlin eingereichte Dissertation von Martin Pozsgai widmet sich Ausstattungen in bayerischen Schlössern. Nach der bereits Anfang des vorigen Jahrhunderts erschienen Studie von Max Hautmann zu Effner unternimmt Pozsgai nun einen Anlauf, dessen Werk aus der Zusammenarbeit mit dem französischen Architekten und Ornamentisten Boffrand heraus neu zu bestimmen. Durch seine Ausbildung in Paris, nahm der deutsche Gärtnersohn insofern eine besondere Stellung unter den Künstlern seiner Zeit ein, als diese im Gegensatz zu ihm französische Dekorationen der Zeit hauptsächlich durch druckgrafische Vorlagen, also aus zweiter Hand, rezipierten. Hiermit gingen bei Effners Kollegen die Neuinterpretation französischer Ornamentik und ihre Integration in einheimischer künstlerischer Kontexte einher. Diese Anverwandlung fremden Formengutes musste Effner nicht leisten.
Sein Auftraggeber, Kurfürst Max II. Emanuel, und dessen Bruder, der Kölner Kurfürst Joseph Clemens, kannten zeitgenössische französische Innenraumdekorationen aus der Zeit ihres Exils in Frankreich bis 1714. Danach wollte Max II. Emanuel die gewonnenen Anregungen in seinen eigenen Schlössern von Boffrand und Effner umsetzen lassen. Die nahsichtige Betrachtung der in Dachau und Nymphenburg erhaltenen Innendekorationen von Boffrand und Effners Weiterentwicklungen von dessen Formensprache in den Schleißheimer Wandgestaltungen bilden den Fokus der vorliegenden Arbeit. Hiermit leistet der Autor einen wichtigen Beitrag im Rahmen des sich seit einiger Zeit neu entwickelnden Interesses an der französischen Ornamentgeschichte des 18. Jahrhunderts. Die abhängige Arbeitsweise Effners im Verhältnis zu Boffrand erschwert es jedoch, seine Leistung als Entwerfer und Architekt derart eigenständig wahrzunehmen, wie er es künstlerisch zweifellos verdient hat.
Die Analyse von Effners Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, namentlich mit dem Stuckateur Johann Baptist Zimmermann und dem Kistler Johann Adam Pichler bei den Dekorationen im Neuen Schloss Schleißheim wirft jedoch ein erhellendes Licht auf den komplexen Entstehungsprozess seiner Entwürfe. Dies ist in Bezug auf Effners Architektenausbildung mangels erhaltener Quellen ungleich schwieriger, weshalb Pozsgai Querverbindungen zu besser erforschten italienischen Architekten zieht. Wie man beispielsweise von Gianlorenzo Bernini weiß, bildete das Zeichnen lebenslang den Mittelpunkt seines Entwurfsprozesses.
Durch seine Untersuchung des erhaltenen Briefwechsels von Max II. Emanuel mit seiner Geliebten, der Gräfin von Arco, kann Pozsgai Max II. Emanuels Rolle als Mäzen von Boffrand und Effner umfassend und detailliert darstellen und zugleich in den Kontext von Max II. Emanuels Biografie stellen. Bilden die Ausführungen zu Max II. Emanuel den Anfang des Buches, so steht am Ende gewissermaßen als Kontrapunkt ein Kapitel über seinen Bruder Joseph Clemens. Hier führt Pozsgai den Briefwechsel zwischen Joseph Clemens als Auftraggeber und dem Ersten Königlichen Architekten Robert de Cotte sowie seinem Assistenten Guillaume d'Hauberat als wichtige Quelle an. Maßgeblicher Entwerfer der hier zur Diskussion stehenden Innenraumdekorationen war Gilles-Marie Oppenord, über den Jean-François Bédard jüngst eine Monografie veröffentlicht hat. [1] Aus dem Briefwechsel geht eindrucksvoll hervor, wie präzise die Vorstellungen Joseph Clemens in Bezug auf die Ausführung der Innenraumdekorationen waren.
Gleichzeitig belegt er die wichtige Rolle der Architekten von jenseits des Rheins im Netzwerk der deutschen Residenzen was die Durchsetzung französischer Normen in der Innenraumgestaltung und Architektur betrifft. Dies zeigt auch ein Blick auf die kurpfälzischen Wittelsbacher in Mannheim, für die Guillaume d'Hauberat als Baumeister tätig war. Motor der Rezeption französischer Innenraumdekorationen an deutschen Höfen war nach Werner Paravicini der Wunsch, "den Blick auf die Standesgenossen zu werfen, mit denen gleicher Rang zu halten ist, von denen man sich aber auch absetzen möchte, indem man anders ist, zugleich aber auch überlegen". [2] Hierbei konkurrierte man Peter-Michael Hahn zufolge beinahe ausschließlich mit dynastisch verwandten Zweigen. [3] Die bayerischen Wittelsbacher hatten dabei ganz offensichtlich das französische Königshaus im Blick, mit dem man durch Anne de Bavière eng verbunden war. Diese Thematik kommt im Buch jedoch absichtlich nicht zur Sprache, da der Autor sich ganz auf das Zusammenspiel seiner beiden Protagonisten konzentrieren möchte (16).
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass der Autor eine Fülle an Material über die bereits von Hautmann erwähnten Archivalien hinaus zusammengetragen und ausgebreitet hat, mit dessen Hilfe er Effners Wirken wesentlich schärfer als bisher konturieren kann und einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung der Rezeption französischer Innenausstattungen an deutschen Höfen geleistet hat.
Anmerkungen:
[1] Jean-François Bédard: Decorative Games. Ornament, Rhetoric and Noble Culture in the Work of Gilles-Marie Oppenord (1672-1742) (=Studies in Seventeenth- and Eighteenth-Century Art and Culture), Newark 2011.
[2] Werner Paravicini: Zwischen Nachahmung und Abgrenzung. Höfe und Residenzen im gegenseitigen Blick. Einleitung, in: Vorbild - Austausch - Konkurrenz. Hofe und Residenzen in der gegenseitigen Wahrnehmung (=Residenzenforschung, 23), hg. von ders. / Jörg Wettlaufer, Ostfildern 2010, 16f.
[3] Peter-Michael Hahn: Dynastische Rivalitäten und höfische Konkurrenzen: Die Wahrnehmung der Residenzen durch die Fürstenhäuser (Zusammenfassung), in: Paravicini / Wettlaufer (wie Anm. 2), 393.
Stefanie Leibetseder