Rezension über:

Bernd Stöver: Geschichte des Koreakriegs. Schlachtfeld der Supermächte und ungelöster Konflikt (= Beck'sche Reihe; 6094), München: C.H.Beck 2013, 268 S., 7 Kt., 20 s/w-Abb., ISBN 978-3-406-64447-4, EUR 12,95
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Rezension von:
Ragna Boden
Düsseldorf / Marburg
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Ragna Boden: Rezension von: Bernd Stöver: Geschichte des Koreakriegs. Schlachtfeld der Supermächte und ungelöster Konflikt, München: C.H.Beck 2013, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 12 [15.12.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/12/23814.html


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Bernd Stöver: Geschichte des Koreakriegs

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Das Thema Koreakrieg hat zum 60. Jahrestag [1] auch in Deutschland Konjunktur. Nach dem 2012 erschienenen Sammelband von Bernd Bonwetsch und Matthias Uhl mit neuen Forschungen zur internationalen Dimension [2] legt nun Bernd Stöver ein Überblickswerk zum Koreaproblem im 20. und 21. Jahrhundert vor.

Wegen Koreas strategischer Lage in der Nachbarschaft zu den sozialistischen Staaten China und Sowjetunion sowie zu Japan konzentrierte sich seit 1950 für eine kurze Zeit die Aufmerksamkeit der Welt auf diesen Schauplatz. Hier führten Ost und West den ersten großen Stellvertreterkrieg in Asien und die Koreaner einen Bürgerkrieg. Am ersten "heißen Krieg" während des Kalten Krieges waren, bedingt durch den Einsatz von UN-Truppen, Menschen aus 25 Nationen als Soldaten, logistisches oder medizinisches Personal beteiligt; er forderte etwa 4,5 Millionen Tote. Trotz dieses Ausmaßes geriet der Krieg insbesondere in den USA aus der öffentlichen Wahrnehmung, die sich zunehmend auf den Vietnamkrieg verlagerte. In Korea blieb und bleibt der Krieg naturgemäß bis heute sehr präsent.

Stöver deckt in acht Kapiteln alle wesentlichen Facetten zum Koreaproblem ab und geht dabei weit über die Darstellung der drei Kriegsjahre hinaus. Knapp 80 Seiten (zwei Kapitel) sind dem eigentlichen Krieg gewidmet, die übrigen der Vorgeschichte, den Folgen und der Entwicklung der Problematik bis heute. Dabei zieht er immer wieder Vergleiche zu Entwicklungen in China, Vietnam und Deutschland. Im Hinblick auf die Beteiligten auf allen Seiten (nord- und südkoreanische Politiker, Polizei und Militär, Akteure der USA, Chinas, der UdSSR) bemüht er sich um eine ausgeglichene Einschätzung der politischen und militärischen Entscheidungen sowie ihrer häufig grausamen Folgen.

Nach einigen Worten zur internationalen Mächtekonstellation am Ende des Zweiten Weltkrieges (Einleitung) gibt Stöver einen sehr kurzen Überblick über die Geschichte Koreas seit dem Mittelalter, insbesondere über den Einfluss Chinas und Japans (Kapitel 1). Er beschreibt den Prozess der Teilung des Landes mit der doppelten Staatsgründung 1948, zuerst der "Republik Korea", dann der "Volksrepublik Korea" (Kapitel 2), bevor er zur eigentlichen Kriegszeit übergeht (Kapitel 3/4). In Kapitel 5 betrachtet er die Folgen des Krieges für die USA, die UdSSR, die Volksrepublik China und Europa. Daran schließt sich ein Ausblick auf die Entwicklung der beiden koreanischen Staaten bis Ende der 1980er Jahre an (Kapitel 6), der in Kapitel 8 und im Epilog bis zur Gegenwart geführt wird; ein weiteres, sehr erhellendes Kapitel behandelt die Gedenkkultur zum Krieg in beiden Teilen Koreas (Kapitel 7). Abgerundet wird die Darstellung durch hilfreiche Karten, eine Zeittafel, Anmerkungen, thematisch gegliederte Literaturhinweise und ein Personenregister.

Stövers Darstellung besticht durch die gekonnte Verflechtung von Daten und Zahlen (Opferzahlen, militärtechnische Ausrüstung, Kräfteverhältnisse) mit Beispielen von Einzelschicksalen und übergreifenden Analysen. Er geht auf die grundlegenden Fragen ein wie die nach der Verantwortung für den Ausbruch des Krieges, die bei Nordkorea und seinen Verbündeten, insbesondere Mao Zedong, lag (56 f.). Ebenso bewertet er die Bedeutung des Konfliktes insgesamt, den er als "Beschleuniger" statt "Auslöser für Veränderungen" (17) charakterisiert. Überdies streift er viele Themenbereiche, die auch für andere militärische Konfrontationen im Kalten Krieg und darüber hinaus wichtig wurden, wie die psychologische Kriegsführung, die Entführungen von Militärs und Zivilisten, die psychologische Belastung der Soldaten, das Schicksal von Kriegsgefangenen, den Einsatz von Napalm und die Bedeutung der CIA, der es nicht gelang, den US-Politikern den drohenden Kriegsbeginn rechtzeitig zu verdeutlichen.

Stöver kann bei diesem Buch auf sein breites Wissen über den Kalten Krieg zurückgreifen. Offenbar bedingt durch die Quellen- und Literaturlage sowie durch eigene Forschungen zu den USA ergibt sich bei allem Bemühen um Ausgewogenheit doch bisweilen eine starke Konzentration auf die US-Politik. An dieser Stelle vermisst man eine klarere Diskussion des Forschungsstandes, die auch bei einem Buch für eine breitere Leserschaft ihre Berechtigung hätte.

Insgesamt legt Stöver jedoch eine ansprechende Darstellung für alle vor, die einen Grundlagenband zum Thema suchen. Wer zudem über die zum Teil sehr pointierten Feststellungen hinaus in die Problematik der vielen noch ungeklärten Fragen einsteigen möchte, findet im oben erwähnten Band von Bonwetsch und Uhl eine hervorragende Ergänzung.


Anmerkungen:

[1] Vgl. exemplarisch die folgenden Werke mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten: Sheila Miyoshi Jager: Brothers at war: the unending conflict in Korea, London 2013; Philip D. Chinnery: Korea: the ground war from both sides - rare photographs from wartime archives, Barnsley 2013; Lev Petrovič Kolesnikov: Pod krylom Jaluczjan: 224 IAP v Korejskoj vojne, Moskau 2013.

[2] Bernd Bonwetsch / Matthias Uhl (Hgg.): Korea - ein vergessener Krieg? Der militärische Konflikt auf der koreanischen Halbinsel 1950-1953 im internationalen Kontext, München 2012. Vgl. dazu meine Rezension in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 4: www.sehepunkte.de/2013/04/21748.html

Ragna Boden