Jerzy Kłoczowski: Klöster und Orden im mittelalterlichen Polen (= Klio in Polen; 15), Osnabrück: fibre Verlag 2013, 541 S., 15 Karten, ISBN 978-3-938400-86-9, EUR 48,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Milena Svec Goetschi: Klosterflucht und Bittgang. Apostasie und monastische Mobilitaet im 15. Jahrhundert, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2015
Alison I. Beach / Isabelle Cochelin (eds.): The Cambridge History of Medieval Monasticism in the Latin West, Cambridge: Cambridge University Press 2020
André Heinzer: Pfründen, Herrschaft, Gottesdienst. Lebenswelten der Mönche und Weltgeistlichen am Kloster und Kollegiatsstift St. Leodegar in Luzern zwischen 1291 und 1550, Basel: Schwabe 2014
Steven Vanderputten / Tjamke Snijders / Jay Diehl (eds.): Medieval Liège at the Crossroads of Europe. Monastic Society and Culture, 1000-1300, Turnhout: Brepols 2017
Mirko Breitenstein / Julia Burkhardt / Stefan Burkhardt u.a. (Hgg.): Identität und Gemeinschaft. Vier Zugänge zu Eigengeschichten und Selbstbildern institutioneller Ordnungen, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2015
Ernst Badstübner / Uwe Albrecht (Hgg.): Backsteinarchitektur in Mitteleuropa. Neue Forschungen - Protokollband des Greifswalder Kolloquiums 1998, Berlin: Lukas Verlag 2001
Robert Born / Alena Janatková / Adam S. Labuda (Hgg.): Die Kunsthistoriographien in Ostmitteleuropa und der nationale Diskurs, Berlin: Gebr. Mann Verlag 2004
Thomas Biller: Templerburgen, Mainz: Philipp von Zabern 2014
Sprachbarrieren sind in den historischen Wissenschaften - im Gegensatz zu den vom Englischen dominierten Naturwissenschaften - noch immer eine hohe Hürde für die gegenseitige Wahrnehmung von Forschungsergebnissen aus benachbarten europäischen Ländern. Dies trifft in besonderem Maße auf das Verhältnis zwischen der deutschen und polnischen Geschichte zu. Während für polnische Historiker die Kenntnis der deutschen Sprache eine Selbstverständlichkeit ist (mit allerdings nachlassender Tendenz bei der jüngeren Generation), trifft dies umgekehrt nicht zu. Dies hat zur Folge, dass selbst grundlegende Werke zur Geschichte Polens - die häufig auch die deutsche Geschichte mehr oder weniger stark berühren - in deutschen Fachkreisen kaum bekannt sind. Daher ist die vom Deutschen Historischen Institut in Warschau herausgegebene Reihe Klio in Polen eine äußerst nützliche und verdienstvolle Initiative.
Mit dem Band 15 liegt nun eine Übersetzung des Grundlagenwerks von Jerzy Kłoczowski zu den Klöstern und Orden im mittelalterlichen Polen vor. Der Autor, emeritierter Professor für polnische Kulturgeschichte an der Katholischen Universität Lublin, ist die große Autorität unter den polnischen Historikern zum Thema der Geschichte des Christentums unseres Nachbarlandes. Seine Synthese zu den Klöstern und Orden erschien in polnischer Sprache erstmals 1968 und wurde mehrmals aktualisiert. Mit der deutschen Ausgabe verfügen nun auch der Originalsprache nicht mächtige Leser über die Möglichkeit, sich mit der Entwicklung und den Spezifika des Ordenslebens im polnischen Mittelalter bekannt zu machen. Die über 60 Jahre währende Forschungstätigkeit des Autors zeigt sich dabei in einer souveränen Art der Behandlung des Themas. Man spürt, dass Kłoczowski an jeder beliebigen Stelle tiefer in die Problematik eindringen könnte, er sich aufgrund des Synthesecharakters der Publikation aber häufig nur mit Andeutungen begnügen muss.
Der Autor hat sein Werk im Wesentlichen chronologisch gegliedert. Das erste Großkapitel beschäftigt sich mit der Grundlegung des Ordenslebens in den polnischen Ländern (10.-12. Jahrhundert), im zweiten Kapitel wird der Durchbruch und die Etablierung der Ordensbewegung im 13. Jahrhundert behandelt und das dritte Kapitel widmet sich der Festigung der Orden im Spätmittelalter. Das vierte Kapitel richtet den Blick auf die bedeutende Rolle der Ordensgemeinschaften für Gesellschaft und Kultur im mittelalterlichen Polen. Im letzten kurzen Kapitel wendet sich Kłoczowski der Rolle der Ordensgemeinschaften für die Entstehung des christlichen Humanismus zu, einen Aspekt, der dem Autor besonders am Herzen liegt und der für ihn die Quintessenz des Wirkens der Mönche und Bettelbrüder im mittelalterlichen Polen bildet.
Da im Rahmen einer kurzen Rezension nur wenige Aspekte angesprochen werden können, möchte ich nur stichwortartig die Punkte erwähnen, die aus deutscher Sicht die Besonderheiten der polnischen Ordensgeschichte ausmachen. Die christlichen Orden waren im Mittelalter länderübergreifend organisierte Institutionen, deren Grundstrukturen und Ausrichtungen europäischen Charakter besaßen. Dennoch zeigen sich immer wieder auch nationale und regionale Besonderheiten, die vor dem Hintergrund der jeweiligen Landesgeschichte zu verstehen sind. Polen gehörte mit Böhmen und Ungarn zu den großen Reichen im östlichen Mitteleuropa, die mit einer gewissen Verspätung dem Kreis des christlichen Abendlandes beitraten und die Grenzregionen zum orthodoxen Osten bildeten. Aufgrund der historischen Umstände war das Christentum zunächst weitgehend auf den engen Kreis der Herrschaftseliten beschränkt - Kirchen entstanden fast nur im unmittelbaren Umfeld von Burgwällen. Somit existierten bis einschließlich des 12. Jahrhunderts keine guten Voraussetzungen für die dauerhafte Ansiedlung von Klöstern, deren Zahl am Ende dieses Zeitraums bei lediglich acht lag. Die große Wende kam im 13. Jahrhundert als sich die Zisterzienser und die Bettelorden flächendeckend über das Land ausbreiteten. Insbesondere die Dominikaner spielten dabei eine herausragende Rolle. Sie ließen sich schon 1222 in Krakau nieder und die riesige Ordensprovinz reichte ab dem 14. Jahrhundert von Schlesien und Pommern bis nach Litauen und in die Rus, wohin die Bettelorden gleichzeitig mit der Ostexpansion des polnischen Staats gelangten. Das Erfassen der breiten Masse durch die Bettelorden stand für Kłoczowski in direktem Zusammenhang mit dem durch das vierte Laterankonzil (1215) angestoßenen großen Erziehungsprogramm, das der Autor als ein tiefgreifendes Ereignis für die innere Christianisierung der Bevölkerung und die Ausbreitung eines christlichen Humanismus in Polen betrachtet. Dabei spielte das von den Bettelorden entwickelte Schulwesen eine wesentliche Rolle für die Ausbildung einer intellektuellen Elite. Aufbauend auf der durch Dominikaner und Franziskaner angeführten ersten Phase der christlichen Durchdringung kam es nach der Mitte des 15. Jahrhunderts zu einer letzten intensiven Gründungswelle von Klöstern, die von den Franziskaner-Observanten (in Polen 'Bernhardiner' genannt) ausging. Von dieser Seite kamen entscheidende Impulse für die Nutzung der polnischen Sprache in Schrift und Literatur.
Aus der Sicht eines deutschen Lesers ist die 'Erzählperspektive' Kłoczowskis bemerkenswert. Er empfindet als gläubiger Christ und polnischer Patriot auch eine spürbare Dankbarkeit für das Schaffen der christlichen Orden, vor allem der Dominikaner und Franziskaner-Observanten, die den kulturellen Charakter Polens und seines 'menschlichen Christentums' entscheidend geprägt haben. Dem eher religionskritischen deutschen Leser, der von einem Historiker eigentlich eine weltanschauliche-religiöse Neutralität erwartet, dürfte diese Haltung gelegentlich als etwas idealisierend und parteiisch erscheinen. Hier zeigen sich gewisse nationale Mentalitätsunterschiede, die auch in der modernen Zeit durchaus fortbestehen. An einigen Stellen vermisst der Rezensent in diesem Zusammenhang eine kritische Auseinandersetzung mit problematischen Aspekten der Ordensgeschichte in Polen. Zwar waren Judenverfolgungen und die Inquisition in Polen wesentlich weniger an der Tagesordnung als in den westlichen Ländern des Christentums. Dennoch hat es sie gegeben und gerade die Bettelorden spielten dort eine wichtige Rolle - etwa bei der Gründung des Karmeliterklosters in Posen am Ort der 'Hostienschändung' von 1399 oder beim von Johannes Capistranus 1453 in Breslau organisierten Judenprogrom. Kłoczowski geht auf diese Fragen überhaupt nicht oder nur ganz beiläufig ein. In Hinsicht auf die antijüdischen Ausschreitungen nach den Predigten Capistranus' bemerkt er lediglich, dass diese sich nur im deutsch geprägten Breslau jedoch nicht im polnischen Krakau ereignet haben. Während der Autor in anderen Zusammenhängen das seit dem 14. Jahrhundert nicht mehr im polnischen Staatsverband befindliche Schlesien immer wieder dem polnischen Kulturraum zuspricht, schiebt er negative und repressive Seiten des Christentums lieber dem deutschen Charakter der Bewohner zu. Aus Sicht des Rezensenten wäre es wünschenswert gewesen, wenn auch die Problematik des Spannungsfelds zwischen den Bewohnern deutscher und polnischer Herkunft in vielen Städten - die sich auch in der Zusammensetzung der einzelnen Ordenskonvente widerspiegelte - ausführlicher thematisiert worden wäre. Da das Buch sich jedoch eigentlich an ein polnisches Publikum richtet, ist die Vernachlässigung dieses Aspektes andererseits aber auch nachvollziehbar.
Christofer Herrmann