Rezension über:

Manfred Knedlik (Hg.): Leonhard Müntzer. Ein dichtender Kämmerer der Frühen Neuzeit in Amberg. Eine Edition, Regensburg: Friedrich Pustet 2013, 240 S., 16 Farb-, 10 s/w-Abb., ISBN 978-3-7917-2528-4, EUR 26,95
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Rezension von:
Johann Kirchinger
Universität Regensburg
Redaktionelle Betreuung:
Johannes Wischmeyer
Empfohlene Zitierweise:
Johann Kirchinger: Rezension von: Manfred Knedlik (Hg.): Leonhard Müntzer. Ein dichtender Kämmerer der Frühen Neuzeit in Amberg. Eine Edition, Regensburg: Friedrich Pustet 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 3 [15.03.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/03/24609.html


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Manfred Knedlik (Hg.): Leonhard Müntzer

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Amberg gehörte zu den kulturellen Zentren Süddeutschlands im 16. Jahrhundert. Schulwesen, Kunst, Musik und Theater erlebten einen beachtenswerten Aufschwung, der nicht zuletzt in Ambergs politischen und administrativen Funktionen als Hauptort der Oberpfalz begründet lag. "Im Zeitalter von Humanismus und Reformation gewann die oberpfälzische Haupt- und Regierungsstadt Amberg zunehmend an geistiger und kultureller Ausstrahlung", so Manfred Knedlik im Klappentext seiner Edition des literarischen Werkes von Leonhard Müntzer (1538-1588). Dieser war ein dichtender Stadtkämmerer, der Knedlik als Beispiel für die geistesgeschichtliche Stellung Ambergs im 16. Jahrhundert dient. Seit 1571 verfasste Müntzer Lyrik, Sinnsprüche, Gebete, Lieder und politische Zeitgedichte, die ganz überwiegend nicht gedruckt wurden und deshalb nur handschriftlich vorliegen. Sie finden sich verstreut in zwei Serien von Rechnungsbüchern, und zwar in den Amtsrechnungen der Stadtkammer sowie des "Gemeinen Almosens", die im Original im Stadtarchiv Amberg aufbewahrt werden. Der Germanist Manfred Knedlik, der bereits durch zahlreiche Editionen und Studien zur literarischen Kultur der Oberpfalz in der Frühen Neuzeit hervorgetreten ist, hat die Texte nun erstmals vollständig ediert. Sie sind durch ausführliche Stellenkommentare mit Wort- und Sacherklärungen erschlossen. Dabei wurde Knedlik von dem oberpälzischen Heimatforscher Alfred Wolfsteiner und von Ulrich Leinsle, emeritierter Regensburger Professor für Philosophisch-theologische Propädeutik, unterstützt.

In der Einleitung beschreibt Knedlik zunächst kenntnisreich den historischen Kontext des literarischen Werks von Müntzer. Er erläutert die komplizierte administrative und politische Stellung Ambergs und seiner lutherischen Bürgerschaft gegenüber einer meist calvinistischen Landesherrschaft. Dies ist der spannungsreiche Hintergrund, vor dem der bekenntnismäßig gefestigte und dezidiert lutherische Charakter der Texte erst verständlich wird. Anschließend daran stellt Knedlik die Biographie Müntzers vor. Er zeichnet das ziemlich unspektakuläre Bild eines gewöhnlichen bürgerlichen Honoratioren. Es folgt eine literaturwissenschaftliche Analyse der Texte, zu deren Eigenheiten ein "kunstvoll-spielerisches Gewand" geradezu barocker Art gehört (42). Dies spiegelt sich vor allem in den zahlreichen lateinischen und deutschen Chronogrammen wider. Daneben hatte Müntzer eine Vorliebe für das Akrostichon. Die Einleitung schließt ein Bildteil mit hochwertigen Abbildungen von Müntzers handschriftlichen Texten ab. So wird das Schriftbild Müntzers erkennbar.

Bei der Edition der Texte hat sich Knedlik "entsprechend den neueren Konventionen in der germanistischen Mediävistik und Frühneuzeitforschung" (63) für einen diplomatischen Abdruck entschieden. Um die Texte auch für sprachwissenschaftliche Untersuchungen auswertbar zu machen, wurden Zeichensetzung und Orthografie einschließlich Groß- und Kleinschreibung sowie Getrennt- und Zusammenschreibung mit allen willkürlichen Variationen grundsätzlich beibehalten. Lediglich die Abbreviaturen wurden aufgelöst.

Die Edition zeichnet eine große Sorgfalt aus. Dabei ist indes darauf aufmerksam zu machen, dass die Edition die Texte nicht in ihrem administrativen Entstehungszusammenhang zeigt. Lediglich an einer Stelle (194, Anm. 578) verweist Knedlik auf den konkreten Kontext eines Sinnspruches. Eine nicht nur sprach-, sondern auch kulturwissenschaftliche Analyse wird deshalb auf die Originalbände zurückgreifen müssen. Zahlreiche Anknüpfungspunkte dafür und für eine politik- sowie eine religionsgeschichtliche Analyse sind jedenfalls vorhanden - so wenn Christus von Müntzer als Bürgermeister (114 und 139, in den Amtsrechnungen der zweiten Halbjahre 1583 und 1585) und als Rechner im Sinne eines Stadtkämmerers (115, in der Amtsrechnung des zweiten Halbjahres 1583) bezeichnet wird. Die Edition darf gerade deshalb als wichtiger Beitrag zur Konfessionsgeschichte des süddeutschen Raumes betrachtet werden.

Johann Kirchinger