Gwilym Dodd (ed.): Henry V. New Interpretations, Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2013, XIV + 305 S., ISBN 978-1-903153-46-8 , GBP 60,00
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Gwilym Dodd (ed.): Fourteenth Century England X, Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2018
Gwilym Dodd / Craig Taylor (eds.): Monarchy, State and Political Culture in Late Medieval England. Essays in Honour of W. Mark Ormrod, York: York Medieval Press 2020
Gwilym Dodd / Anthony Musson (eds.): The Reign of Edward II. New Perspectives, Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2006
Während der nur knapp zehn Jahre währenden Regierungszeit Heinrichs V. erlebte England eine Blütephase. Als er am 21. März 1413 den englischen Thron bestieg, war diese "success story" (die auch von der zeitgenössischen Chronistik durchaus als eine solche wahrgenommen wurde) allerdings noch nicht absehbar - mit der Schlacht von Azincourt im Jahre 1415 sollte sich dies ändern. Heinrich trug einen der größten Schlachtensiege des gesamten Mittelalters davon und es war dieses Ereignis, das den Rest seiner Regierungszeit überstrahlen und ihn zur idealen Verkörperung eines Ritterkönigs werden lassen sollte. Wenig überraschend hat sich die Forschung vor allem auf dieses Schlachtenereignis allerersten Ranges konzentriert - auch die Beiträge des vorliegenden Sammelbandes kommen immer wieder darauf zurück.
Die Aufsatzsammlung mit ihren elf Beiträgen dokumentiert die Vorträge, die im Rahmen eines Colloquiums an der University of Nottingham im Juli 2011 gehalten worden sind. Mit ihnen sollte das 600. Jubiläum der Thronbesteigung eines Königs gewürdigt werden, dessen Herrschaft bereits den Zeitgenossen als Musterbeispiel einer "guten Regierung" galt. Eingeladen waren Spezialisten, die sich zu unterschiedlichen Aspekten von Vita und Herrschaftspraxis Heinrichs äußern und dabei nicht nur seine Zeit als König, sondern auch die Jahre davor berücksichtigen sollten - eine sinnvolle Entscheidung, führt man sich vor Augen, dass sich das Leben Heinrichs in nahezu drei gleich große Abschnitte teilen lässt, mithin sein Königtum nur ein Drittel der gesamten Lebensspanne abdeckt.
Als Heinrich König wurde, war er 26 Jahre alt. Seit seiner Ernennung zum Prince of Wales (und präsumptiven Thronfolger) waren 14 Jahre vergangen, in denen er vor allem seine militärischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt hatte. Seine Einflussmöglichkeiten auf die "große" Politik waren freilich begrenzt, was nicht zuletzt auch mit seiner deplorablen finanziellen Situation zusammenhing. Anders ausgedrückt: Heinrich hing am finanziellen Tropf seines Vaters, der über Geldzuweisungen das Verhalten seines Sohnes zu beeinflussen suchte. Dies schildert auf der Grundlage der reichen Rechnungsüberlieferung eindrücklich Anne Curry (The Making of a Prince: The Finances of "the young lord Henry", 1386-1400, 11-33). Der Beitrag von Gwilym Dodd schließt hier nahtlos an (Henry V's Establishment: Service, Loyalty and Reward in 1413, 35-76), zeigt sich doch deutlich, dass der Vater seine Hände auch bei der Besetzung wichtiger Positionen im Umfeld des Thronerben im Spiel hatte. Deutlich wird, dass es personelle Kontinuitäten jedoch auch nach der Thronbesteigung gab, von Dodd als "Lancastrian element" charakterisiert. Heinrich umgab sich mit Personen, die er kannte und denen er vertraute: allerdings handelte es sich dabei nicht um "men rashly promoted to positions for which they were unprepared or unqualified." (43) Favoritentum lag dem neuen König fern. Ausgezeichnet wurden Personen, die Heinrich von Nutzen waren - politisch, militärisch, finanziell - und deren Dienste teilweise bis ins Jahr 1400 zurückreichten. Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht die Auswertung der Einträge in Heinrichs "coronation roll", auf der die Namen all derjenigen verzeichnet sind, die zum König in einem Nahverhältnis standen - sinnfällig durch die Verleihung einer "königlichen Livrée" für den Krönungstag vor Augen geführt. Personellen Kontinuitäten und dem Wirken zum Wohl der Krone spürt Mark Arvanigian in seinem Beitrag nach - in diesem Fall bezogen auf die nördlichen Grenzgebiete zu Schottland (Henry V, Lancastrian Kingship and the Far North of England, 77-101). Führenden Adelsfamilien, die sich für die Lancaster-Dynastie einsetzten, wurden im Grenzland weitreichende, königsgleiche Vollmachten eingeräumt, was am Beispiel des Thomas Langley, Bischof von Durham, exemplifiziert wird.
Der Sammelband, der bescheiden den Untertitel "New Interpretations" trägt, wird diesem Anspruch voll und ganz gerecht. Herausragend ist in dieser Hinsicht der Aufsatz von Maureen Jurkowski, die ihren Blick auf eine bisher wenig bekannte Seite Heinrichs im Umgang mit Häretikern richtet und seine mangelnde Bereitschaft untersucht, den der Häresie Angeklagten die aus dem common law resultierenden Rechte zuzugestehen (Henry V's Suppression of the Oldcastle Revolt, 103-129). Tatsächlich wurden zahlreiche Unterstützer der Lollardenbewegung in Haft gehalten, ohne in den Genuss des ihnen zustehenden, klar definierten rechtlichen Verfahrens zu kommen. Für die Autorin bedarf das Bild Heinrichs als eines "gerechten" Herrschers, in dessen Reich sich "Friede und Gerechtigkeit küssen", deshalb konsequenterweise einer dringenden Revision. Sie spricht Heinrich das ehrende Epitheton eines "exemplar justicie" ab - und dürfte damit wohl für eine kleinere Forschungskontroverse sorgen. An der aktuellen Forschungskontroverse über den Verfasser einer der zentralen Quellen zur Regierungszeit Heinrichs V., den anonym überlieferten Gesta Henrici Quinti, beteiligt sich Alison K. McHardy (Religion, Court Culture and Propaganda: The Chapel Royal in the Reign of Henry V, 131-156) und plädiert mit guten Argumenten für Stephen Patrington, den Karmeliten und Beichtvater des Königs, als Verfasser der Gesta.
Vier Beiträge beschäftigen sich mit der Frage, wie es Henry möglich war, seine kostspieligen Kriegsunternehmungen zu finanzieren. Direkte oder indirekte Besteuerung waren nicht die einzigen Mittel, um neue Einkünfte zu generieren. Jenny Stratford führt überzeugend aus, wie Heinrich große Teile seines Schatzes verpfändete, um den Sold der in Azincourt kämpfenden Soldaten aufzubringen. Das Besondere an der Sache: Silber, Gold und Juwelen wurden auch an die Anführer der einzelnen Kontingente verpfändet - unter Einbeziehung der "persönlichsten" Teile des Schatzes, der Kronjuwelen ("Par le special commandement du roy". Jewels and Plate pledged for the Agincourt Expedition, 157-170). Mark Ormrod geht der Frage nach, weshalb Heinrich (nicht nur finanziell) derart erfolgreich agieren konnte und benennt dazu einige Gründe (Henry V and the English Taxpayer, 187-216). Heinrich habe sich zwar innerhalb des bekannten fiskalischen Systems bewegt, in dem Steuerpflicht nach individueller Leistungskraft bewertet wurde, sei aber nicht davor zurückgeschreckt, die vielen Ausnahmeregelungen zum Nutzen der Krone abzuschaffen. Träger der Hauptsteuerlast waren nicht der hohe und niedere Adel, deren Geschick bei der Vermeidung von Steuern noch heute erstaunen, sondern die "middle class", die wohl tatsächlich in der Lage war, diese Lasten zu schultern. Das statistische Material wird von Ormrod eindrucksvoll in Tabellenform dargestellt und gewinnt so enorm an Aussagekraft.
Craig Tylor setzt sich kritisch mit Heinrichs Ehrentitel "Flower of Chivalry" auseinander und verdeutlicht, dass das Rittertum, an dem Heinrichs Herz hing, allein auf der Unerschrockenheit, ja der Brutalität der Anführer beruhte. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Befehl des Königs, entgegen aller Konventionen bei Azincourt keine Gefangenen zu machen, sondern die Franzosen (bei noch laufender Schlacht) zu töten, eine neue Dimension, der sicherlich noch weiter nachzugehen sein wird.
Neil Murphy richtet den Blick auf die administrative Durchdringung der eroberten Gebiete im Norden Frankreichs, insbesondere auf die Beherrschung der Städte (War, Government and Commerce: The Towns of Lancastrian France under Henry V's Rule, 1417-1422, 249-272). Als ausgesprochen erfolgreich erwiesen sich dabei Maßnahmen, die darauf abzielten, alte Privilegien und Urkunden wieder in Kraft zu setzen und dadurch den Handel gezielt zu fördern und zu erleichtern. Das Ergebnis sprach für sich: die wirtschaftliche Erholung der Normandie verlief erstaunlich schnell.
Summa summarum: dieser Sammelband hebt sich in bemerkenswerter Weise vom Gros der üblichen Buchbindersynthesen ab. Es kommen ausnahmslos Spezialisten des Fachs zu Wort, die sich erkennbar auch mit dem auseinandersetzen, was ihre Fachkollegen umtreibt. Die Artikel sind deshalb auch nicht als Solitäre angelegt, sondern warten mit einer Vielzahl von Querverweisen zu anderen Beiträgen auf. Ein aktuellerer und profunderer Überblick über Heinrich V., seine Regierungszeit und die damit verbundenen Forschungsprobleme ist derzeit nicht zu finden.
Ralf Lützelschwab