Michaela Hoffmann-Ruf / Abdulrahman Al Salimi (eds.): Oman and Overseas (= Studies on Ibadism and Oman; Vol. 2), Hildesheim: Olms 2013, 506 S., ISBN 978-3-487-14799-4, EUR 68,00
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Die vormoderne Globalgeschichte ist seit einigen Jahren en vogue. Dabei dürfen allerdings nicht nur die Interaktionen auf der Makroebene betrachtet werden, sondern es gilt, ebenso die Meso- und Mikroperspektiven zu berücksichtigen. Dabei gerät früher oder später auch Oman in den Blick, dem aufgrund seiner Lage zwischen Indischem Ozean und Persischem Golf eine strategische Schlüsselposition zukommt. Aus diesem Grund erstaunt es, dass seine Geschichte bislang eher stiefmütterlich behandelt worden ist. Für Islamwissenschaftler war er in erster Linie interessant, weil sich schon sehr früh die Ibaditen, eine Sondergruppe, die weder den Sunniten noch den Schiiten zuzurechnen ist, hierher zurückgezogen und seit dem 9. Jahrhundert größere und durchaus langlebige regionale Herrschaftsverbände etabliert hatten. 1509 eroberten die Portugiesen eine Reihe von Hafenstädten und setzten sich in Oman fest. Erst über hundert Jahre später konnten unter Führung der Yaʿaruba die Europäer wieder vertrieben werden. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts regiert die Saʿid-Dynastie. Allerdings geriet das Imamat in der Folgezeit in zunehmendem Masse in Abhängigkeit von Großbritannien. Durch die Eröffnung des Suezkanals 1869 verlor Oman an geostrategischer Bedeutung und erst die Entdeckung und Nutzung reicher Erdölvorkommen machte das Land ab den 1960er Jahren zu einem reichen und wohlhabenden Staat.
Der hier zu besprechende Band ging aus einer vom 16. bis zum 19. Mai 2011 an der Universität Tübingen veranstalteten internationalen Tagung hervor. Insgesamt haben 29 Beiträge aus den unterschiedlichsten Disziplinen den Weg in die Publikation gefunden, die die Herausgeber auf vier Felder verteilen. Da es natürlich unmöglich, in einer Rezension auf alle Artikel gleichermaßen einzugehen, beschränke ich mich darauf, nach völlig subjektiven Kriterien einige wenige herauszugreifen und kurz vorzustellen. In einem der fünf Beiträge des ersten Teils ("Oman and the Outside World until the Early 17th Century", 13-78) geht der Bonner Sinologe und Iranist Ralph Kauz auf die Kenntnisse der Chinesen über die omanischen Häfen ein. ("Umani Ports in Chinese Sources", 57-64) Obgleich Oman den chinesischen Geographen schon vor der Ming-Zeit (1368-1644) bekannt war, standen erst mit den sieben großen See-Expeditionen, die unter der Leitung des Admirals Zheng He zwischen 1405 und 1433 durchgeführt wurden, nähere Informationen zur Verfügung. Leider sind im Laufe der Zeit sämtliche Archive hierzu vernichtet worden, so dass wir nur noch über wenige relevante Quellen verfügen.
Aus dem zweiten Abschnitt des Bandes ("Oman and East Africa", 79-142) sei Malyn Newitts Darstellung der wechselhaften Beziehungen zwischen den Portugiesen einerseits und den lokalen Dynastien auf der anderen Seite hervorgehoben. ("The Portuguese in East Africa and the Omani Reconquest of East Africa", 125-140) Der Autor, bis 2005 Charles Boxer Professor of History am Kingʾs College in London, beginnt mit der Schilderung der Eroberung von Fort Jesus in Mombasa durch die Yaʾaruba im Jahre 1698. Damit ging eine beinahe 200 Jahre andauernde iberische Vorherrschaft zu Ende. Gleichzeitig markiert dieses Ereignis den Beginn einer ebenso langen Kontrolle der Mrima-Küste, die das heutige Kenia, Tansania und Somalia umfasst, durch das ibaditische Imamat. Letzten Endes dauerte diese Phase bis zur Einrichtung eines britischen Protektorates in Sansibar 1890 an. Newitt kann sehr schön zeigen, dass die Machtübernahme am Ende des 17. Jahrhunderts nicht von einem Tag auf den anderen geschah, sondern als Ergebnis eines langsamen und schleichenden Prozesses anzusehen ist, an dem vor allem die Bewohner des Küstengebietes wie auch Gemeinschafen im Hinterland erheblichen Anteil hatten. Und natürlich bedeutete der Fall der Festung nicht das völlige Verschwinden portugiesischen Einflusses. Im Gegenteil: von São Sebastião in Mosambik aus kontrollierte man für längere Zeit weiterhin weite Bereiche der strategisch so wichtigen Region.
Der nächste Teil ist dann den - häufig genug sehr erfolgreichen - Versuchen omanischer Gruppierungen gewidmet, auf dem Wasser eine Vormachtstellung zu erlangen ("The Omani Maritime "Empire", 143-218) Sehr interessant sind die Ausführungen Valeria Piacentinis von der Università Cattolica del Sacro Cuore über die komplexen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der verschiedenen Akteure in und um den Persischen Golf. ("The Growth of the Relationship between Oman, the Gulf and the Western Waters of the Indian Ocean. Oman: The Corner-Stone of a Maritime System", 143-184) Im Mittelpunkt stehen die Entwicklungen vom 10. bis zum 13. Jahrhundert, die Piacentini in drei Phasen einteilt: (1) 950-1050. Zerfall des Herrschaftsverbandes der Wajihiden und indirekte Kontrolle der Region durch die Buyiden; (2) Übernahme der Macht durch die Seldschuken, die sowohl neue Herrschaftsstrukturen etablierten als auch eigene Wirtschaftsformen mitbrachten und vor Ort implementierten (1050-1150); (3) Auflösung der seldschukischen Institutionen und Einrichtung indigener Strukturen. Die nachfolgende Epoche, die mit der Dominanz der bereits erwähnten Yaʾaruba und Saʾid-Dynastien verbunden ist, steht im Mittelpunkt des Artikels von Eric Staples. ("The Formation of Omanʾs Maritime Power under the Yaariba and Sayyid Said", 185-202) Staples, der als Direktor des Maritime Heritage Project in Oman arbeitet, betont, dass die beiden omanischen "Staaten" strukturell gesehen sehr gute Gegenmodelle zu den agrarischen "Schießpulverreichen" der Osmanen und Safaviden bieten, die normalerweise im Mittelpunkt historischer Überblickswerke stehen. Beide Dynastien erweiterten, so weist Staples nach, ihren Machtbereich in erster Linie durch den Ausbau ihrer Flotten und die gezielte Nutzung der transregionalen und überseeischen Handelsnetzwerke. Nachdem die Yaʾaruba die Portugiesen besiegt hatten, motivierten sie ihre Anhänger in der Folgezeit durch die Erklärung des "Heiligen Krieges" gegen ihre ehemaligen Kolonisatoren. Gleichzeitig waren sie jedoch pragmatisch genug, das ausgezeichnet funktionierende System der Seepässe (cartazes) von ihren Feinden zu übernehmen. Später verfolgten die Saʾid-Herrscher eine andere Strategie: zum einen richteten sich ihre Seeaktivitäten vor allem gegen regionale Konkurrenten, zum anderen bevorzugten sie in der Auseinandersetzung mit den europäischen Mächten den Weg der Diplomatie. Letzten Endes waren beide Gemeinschaften in der Einrichtung einflussreicher und mächtiger Seestaaten sehr erfolgreich.
In den 17 (!) Beiträgen des letzten Hauptkapitels geht es vornehmlich um die Wahrnehmung der omanischen Gesellschaft durch Zeitzeugen oder um die unterschiedliche moderne historiographische Darstellung der Geschichte des Landes. ("The Outside View on Oman and Ibadism", 219-500) João Teles e Cunha, der am Orientalischen Seminar der Universidade Católica Portuguesa in Lissabon den Lehrstuhl für Asiatische Geschichte innehat, geht der erstaunlichen Tatsache nach, dass die 250 Jahre intensiver Interaktion zwischen den Portugiesen und den omanischen Herrschaftsverbänden auf Seiten der Europäer nicht wirklich zu tiefergehenden Kenntnissen über die andere Seite geführt hat. ("Oman and Omanis in Portuguese Sources in the Early Modern Period (ca. 1500-1750)", 227-264) In erster Linie hängt dies wohl, so der Autor, mit bestimmten Wahrnehmungsmustern zusammen. Zwischen 1507 und 1622 begriff man die Küstenregion als Teil eines größeren Verbundes, das unter dem etwas schwammigen Begriff "Königreich von Hormuz" firmierte. In den nächsten 30 Jahren perzipierten die Portugiesen die Region nicht als Einheit, sondern als Konglomerat unzusammenhängender Kleinfürstentümer innerhalb des Estado da India. Erst um die Mitte des 17. Jahrhundert wurde Oman im Bewusstsein der Iberer zu einer geographischen und politischen Einheit. Man begann nun vermehrt, Informationen über das Land und seine Bewohner zu sammeln, doch hielt sich die Neugierde in Grenzen, zumal das als eher unprofitabel eingestufte Hinterland nur selten in das Zentrum des Interesses rückte.
Alles in allem stellt der überaus informationsreiche und mit zahlreichen Abbildungen und Karten ausgestattete Sammelband, den die beiden Herausgeber in vorbildlicher Weise editiert haben, einen Meilenstein in der Erforschung dieser wichtigen Region dar.
Stephan Conermann