Tobias Daniels: La congiura dei Pazzi: i documenti del conflitto fra Lorenzo de' Medici e Sisto IV. Le bolle di scomunica, la"Florentina Synodus", e la "Dissentino" insorta tra la Santità del Papa e i Fiorentini (= Studi di Storia e Documentazione Storica; 6), Florenz: edifir - edizioni firenze 2013, 206 S., ISBN 978-88-7970-649-0, EUR 18,00
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Die Verschwörung der Pazzi gegen Macht, Leib und Leben der Medici im Frühjahr 1478 ist nicht nur die spektakulärste Gewalttat der europäischen Renaissance, sondern auch von Anfang an eines der am heftigsten und kontroversesten diskutierten und bewerteten politischen Ereignisse der italienischen Geschichte. Beide Seiten - die Pazzi, Salviati, Papst Sixtus IV. mit den Della Rovere und Riario auf der einen, die Medici nebst ihrem florentinischen Anhang und ihren italienischen Verbündeten, vor allem Mailand, auf der anderen - starteten nach den blutigen Ereignissen postwendend eine publizistische Auseinandersetzung, die dem Krieg der Söldnerarmeen vorausging bzw. mit dessen Beginn zusammenfiel. Obwohl seit langem intensiv erforscht, hat sich die ohnehin schon komplexe Konstellation eines nahezu gesamtitalienischen Konfliktpotentials in jüngerer Zeit um zusätzliche Komponenten erweitern lassen: zum Beispiel um die aktive Rolle, die Federico da Montefeltro, den Sixtus IV. zum Herzog von Urbino machte, auf der Seite des Papstes spielte (dessen Verwandte das Herzogtum eine Generation später erben sollten), und um die ungeklärte Rolle der Söldner, die die Pazzi außerhalb von Florenz für den dortigen Straßenkampf angeworben hatten, aber dort nicht aktiv in Erscheinung traten.
Der Beitrag, den die vorliegende Publikation für ein tiefenschärferes Verständnis des Konflikts liefert, ist von anderer, doch deshalb nicht weniger nützlicher Art. Tobias Daniels ediert und kommentiert eine Reihe von Schlüsseldokumenten zur Pazzi-Verschwörung, die weder neu noch unbekannt sind, gewinnt diesen Quellen aber durch systematische Neubefragung neue Aspekte und sogar neue Antworten ab. Vorangestellt ist diesen Kapiteln eine Zusammenfassung zu Vorgeschichte, Ablauf und Nachspiel des Komplotts, die den Forschungsstand insgesamt adäquat und übersichtlich zusammenfasst - mit einer nicht ganz unwichtigen Ausnahme: Im Gegensatz zu Mailand ist Florenz nicht, wie behauptet, wesentlich an der Wahl des ersten Della Rovere-Papstes beteiligt, anders als die Gonzaga, die mit ihrem Kardinal und Hof tatsächlich eine Schlüsselrolle bei der überraschenden Erhebung des aus kleinen Verhältnissen stammenden Franziskanergenerals spielten. Damit relativiert sich auch der vom Papst (wie auch von Lorenzo de' Medici) erhobene Vorwurf der "Undankbarkeit", der als polemischer, in solchen Fällen üblicher Gemeinplatz, nicht selten zur Verschleierung der tatsächlich ausschlaggebenden Motive, zu bewerten ist - so zum Beispiel in den zahlreichen Fällen, in denen Renaissancepäpste gegen Vikare in der Romagna vorgingen. Von den fünf im Anhang edierten und sorgfältig kommentierten Dokumenten betreffen die ersten drei - Bullen Sixtus' IV. aus dem Juni 1478 - die römische Beurteilung der Verschwörung und ihrer blutigen Niederschlagung und die auf dieser Grundlage getroffenen Kampfmaßnahmen Exkommunikation und Interdikt; die vierte Quelle ist das von Gentile Becchi redigierte "Protokoll" der (fiktiven oder tatsächlich abgehaltenen) florentinischen Synode (Florentina Synodus), die im Auftrag der Medici die Legitimität des Papstes bestritt und gegen dessen "Tyrannei" an ein künftiges Konzil appellierte. So willkommen die komplettierte oder stark verbesserte Herausgabe dieser Dokumente auch ist, ihr Wert wird von der Analyse des fünften Dokuments, der "Dissentio inter sanctissmum dominum nostrum Papam et Florentinos suborta" deutlich übertroffen. Daniels führt nämlich gute Gründe - vor allem stilkritische Vergleiche - an, die eine Verfasserschaft des kurialen Humanisten Bartolommeo Sacchi, genannt Platina, eines Günstlings der Della Rovere, plausibel machen. Darüber hinaus weist der bislang weniger beachtete Text auffällige Parallelen zur Bildsprache der Wandfresken in der Sixtinischen Kapelle auf. Sandro Botticellis Fresko der Rotte Korah und der Erhebung der Aaron-Söhne tritt in diesem Vergleich von Text und Bild geradezu als Illustration der "Dissentio" hervor - wie der Text deligitimiert das Bild jeden Versuch der Opposition gegen die uneingeschränkte Führungsstellung Moses', des Typus Papae. Dass Sixtus IV. diese Verteidigung der Papst-Monarchie gegen alle konziliaren Bestreitungen und fürstlichen Absetzungs-Strategien ausgerechnet vom Florentiner Botticelli malen ließ, der an der florentinischen "Aufarbeitung" der Pazzi-Verschwörung mit "Schandbildern" der Medici-Gegner beteiligt war und jetzt also die Seiten wechseln musste, verleiht der Dekoration eine ganz besondere, pikante und für den Papst fraglos triumphale Note. Fazit: eine wichtige Edition, die nicht nur wichtige Arbeitsmittel für künftige Untersuchungen bereitstellt, sondern aus ihren Texten auch relevante neue Erkenntnisse gewinnt.
Volker Reinhardt