Tobias Daniels / Franz Fuchs / Andreas Rehberg (Hgg.): Ulrich von Hutten und Rom. Deutsche Humanisten in der Ewigen Stadt am Vorabend der Reformation (= Pirckheimer Jahrbuch für Renaissance- und Humanismusforschung; Bd. 33), Wiesbaden: Harrassowitz 2021, 204 S., 3 s/w-Abb., ISBN 978-3-447-11514-8, EUR 45,00
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Tobias Daniels: La congiura dei Pazzi: i documenti del conflitto fra Lorenzo de' Medici e Sisto IV. Le bolle di scomunica, la"Florentina Synodus", e la "Dissentino" insorta tra la Santità del Papa e i Fiorentini, Florenz: edifir - edizioni firenze 2013
Der Ritter und Humanist Ulrich von Hutten hielt sich in der ersten Hälfte des Jahres 1516 in Rom auf. Von den dort angeblich gewonnenen Eindrücken berichtete er drei Jahre nach der Rückkehr aus Italien seinen Landsleuten in seinem "Vadiscus", einer Kampfschrift, die den Hass gegen das Papsttum, die Kurie und ihre "Höflinge" und alles "Römische" bis zum Exzess, an die Grenze des Sagbaren und darüber hinaus steigert, diese vehemente Ablehnung in gleitendem Übergang auf alles "Welsche" und damit auf Italien insgesamt überträgt und so zu einem der ersten großen Dokumente eines voll entfalteten frühneuzeitlichen Nationalismus in Deutschland wird. Dieser Besuch des adeligen Polemikers in der Ewigen Stadt steht im Zentrum des vorliegenden Bandes, dessen acht Einzelbeiträge um ihn kreisen, allerdings auf unterschiedlichen Bahnen, von ganz nah bis peripher und weiter ausgreifend.
Um ein summarisches Urteil vorwegzunehmen: Der - sehr ansehnliche - Wert dieser Sammelpublikation liegt vor allem in der dichten Kontextualisierung des Themas, die auf eine umfassende Bestandsaufnahme der bislang geleisteten Forschung hinausläuft, weniger in der Erschließung neuer Dokumente. Diese Einbettung besteht aus der sorgfältigen Resümierung des Forschungsstands, aus der leserfreundlichen Zusammenfassung wichtiger Quellen, vor allem Huttenscher Texte, aus der emsigen Rekonstruktion freundlicher und feindlicher Netzwerke, aus dem Vergleich mit älteren und zeitgleichen Topoi der Papst- und Kurienkritik bei anderen Autoren und aus den Umrissen des Nachlebens von Autor und Text, vor allem im 19. Jahrhundert. Die zwei neuen Quellen, die Andreas Rehberg und Tobias Daniels edieren und kommentieren, zwei Fundstücke aus römischen Notariatsakten vom Mai 1516, betreffen die Abwicklung von Finanzgeschäften und sind als solche von eher marginalem Interesse - mit Ausnahme der Tatsache, dass Hutten zuerst als Laie und nur einen Tag später als Kleriker bezeichnet wird. Die daraus ableitbare Hypothese, dass sich der bekennende Verächter aller Pfründenjäger selbst eine Tonsur scheren ließ, um kirchliche Benefizien erhalten zu können, ist allerdings wenig plausibel, ein Schreibfehler in der zweiten, kopierten, Notiz sehr viel wahrscheinlicher. Eng am Œuvre des Ritter-Humanisten und an literaturwissenschaftlichen Paradigmen orientiert sich der Beitrag von Jan-Hendryk De Boer, der herausarbeitet, in welch hohem Maße Huttens "Reisebericht" wie ähnliche Texte humanistischer Provenienz von negativen, im kulturellen Gepäck mitgebrachten Vorannahmen geprägt ist, die dann mit dem Gütesiegel der Authentizität, des "Ich war dort und habe gesehen", medienwirksam präsentiert werden konnten - fruchtbare Ansätze, die auch in den Beiträgen von Chiara Cassini zu antikurialer Parodie und Satire im Rom der Zeit und von Hermann Wiegand zu den Rombildern deutscher Humanisten zum Tragen kommen. Als Ergänzung dazu zeichnet Gerald Dörner die komplexen und intrigenreichen Auseinandersetzungen um den "Reuchlinstreit", die langwierige und verschlungene Auseinandersetzung um die Intervention des Pforzheimer Humanisten gegen die Vernichtung der jüdischen Schriften im Reich, transparent und gut nachvollziehbar nach. Den Schluss bildet der Essay von Wilhelm Kreutz, der quellennah die Vereinnahmung Huttens im deutschen Vormärz, in der Euphorie der Reichsgründung und im nachfolgenden "Kulturkampf" umreißt.
So sehr die acht Einzelstücke ein Ganzes bilden, so wünschenswert wäre ein neunter Beitrag über die Koordinaten von Huttens Italien- und Deutschlandbild und damit über seinen Platz in der Entwicklung des humanistischen Nationalismus im europäischen Rahmen gewesen. Ebenso wäre ein stärkerer Bezug der für sich samt und sonders verdienstvollen Einzeluntersuchungen zu den zentralen Aussagen des Huttenschen Œuvres wünschenswert gewesen - so, wie ihn Tobias Daniels mit dem Querverweis auf die "Dunkelmännerbriefe" exemplarisch vornimmt. Dessen ungeachtet liegt mit diesem Band eine Standardpublikation vor, die nicht zuletzt als anspruchsvolles Studien-Einführungsbuch gute Dienste leisten wird.
Volker Reinhardt