Donal Cooper / Janet Robson: The Making of Assisi. The Pope, the Franciscans, and the Painting of the Basilica, New Haven / London: Yale University Press 2013, XII + 296 S., 60 Farb-, 134 s/w-Abb., ISBN 978-0-300-19571-2, USD 75,00
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Hinter dem Titel The Making of Assisi. The Pope, the Franciscans and the Painting of the Basilica verbergen sich eine Untersuchung über die Auftraggeber / Entwerfer des Programms der Langhausfresken in der Oberkirche von San Francesco in Assisi und dessen Analyse mit dem Schwerpunkt auf dem Franzzyklus. Ihr Buch sei vielleicht das erste, das sich nicht mit der Giotto-Frage per se auseinandersetze, meinen Cooper und Robson selbstbewusst, und offeriere "a fresh thinking, focusing on an historical and intellectual context" (9). In Wirklichkeit ignorieren sie eine breite Forschungstradition, die mit Henry Thode beginnt und mit deren Ergebnissen sie sich teils nur punktuell, teils gar nicht auseinandersetzen. [1] Ausdrücklich berufen sich Cooper und Robson allein auf zwei Bücher aus den 1970er-Jahren (!), die den Grundstein zu ihrer eigenen Untersuchung gelegt hätten: Alistair Smarts The Assisi Problem und Pater Rufs San Francesco e San Bonaventura (14, 103-104). [2]
Bereits 2003 lenkten die Autoren das kunsthistorische Interesse auf eine Quelle, die Ferdinand M. Delorme im Jahr 1945 publiziert hatte: die 1312 verfasste Schrift Contra quasdam, die den ersten franziskanischen Papst Nikolaus IV. (1288-1292) als Auftraggeber von Malereien in San Francesco in Assisi bezeichnet ("quas picturas dominus Nicolaus IV fieri precepit"). [3] In den ersten beiden Kapiteln von The Making of Assisi setzen sich die Autoren noch einmal mit Contra quasdam und den zwei Bullen Nikolaus' IV., Reducentes ad sedulae, vom 14. und 15 Mai 1288 auseinander. Sie kommen überzeugend zu dem Schluss, der Papst sei nicht unmittelbarer Auftraggeber oder "designer" der Langhausfresken der Oberkirche, sondern habe sie nur autorisiert und die finanziellen Rahmenbedingungen für ihre Realisierung geschaffen (51).
Als die eigentlichen Auftraggeber / Entwerfer des ikonografischen Programms nehmen Cooper und Robson "eine Gruppe gelehrter Franziskaner" vor Ort an, d.h. Provinzialminister, Kustoden des Sacro Convento oder Lektoren am studium generale von Assisi, wie z.B. Philipp von Perugia (48-50, 151, 203, 227, 230). Diese Seiten gehören zu den stärksten des Buchs, denn die Autoren weisen zu Recht auf den hohen Grad der theologischen Ausbildung in Assisi und die beeindruckende Bibliothek des Sacro Convento gegen Ende des 13. Jahrhunderts hin. Sie führen so bislang nicht beachtete Namen in die Diskussion über den theologischen Entwurf der Fresken ein, ohne jedoch, wie sie selbst schreiben, deren Verbindung mit der Wandmalerei der Oberkirche dingfest machen zu können (230).
Dennoch halten die Autoren fest an einer Datierung der Langhausfresken in die Zeit ab dem Pontifikat Nikolaus IV. im Mai 1288 bis zum Fall der mit ihm verbündeten Colonna im Mai 1297 (39-45), mit einer vermutlichen Fertigstellung bereits zu Pfingsten 1295, als das Generalkapitel der Franziskaner in Assisi tagte (229-232). Wie zuerst Frugoni [4] berufen sich Cooper und Robson für den terminus ante quem 1297 auf das letzte Bild des Franzzyklus, die Befreiung des Petrus von Alife, in dessen Mitte sie Bischof Giacomo Antonio Colonna kniend und rechts in der Spiralsäule eine Anspielung auf das Colonna-Wappen sehen (41). Mit dem Bischof auf dem Fresko kann allerdings kein Colonna gemeint sein, sondern ein Bischof namens Clarus [5], und auch die anderen Colonna-Anspielungen, die die Autoren in den Fresken entdecken, überzeugen nicht, wie jüngst Guido Tigler zeigte. [6] Der terminus ante quem 1297 für die Vollendung des Franzzyklus ist fragwürdig.
Das dritte Kapitel rekonstruiert den Stand der Dekoration der Oberkirche im Jahr 1288, während das vierte nach Prototypen der alt- und neutestamentarischen Zyklen der Oberkirche in Rom (104-108) und des Franzzyklus in Assisi selbst (94-97) fragt. Ihre retrospektiven Ausführungen zum Franz- und Christuszyklus des Franziskusmeisters in der Unterkirche und ihren typologischen Bezügen (108-121) gehören zu den schwächeren des Buchs, und es macht sich bemerkbar, dass sie nicht die grundlegenden Untersuchungen von Gerhard Ruf und Saskia Esser heranziehen. [7] So meinen Cooper und Robson, die beiden Zyklen hätten bei der Gegenüberstellung von Vogelpredigt und Kreuzabnahme in ihrem Zentrum hinsichtlich der typologischen Parallelisierung versagt und gehorchten aus Not Gesetzen narrativer Kohärenz (112, 185). Bei Ruf hätten sie nachlesen können, dass mit der Konfrontation der beiden Szenen visualisiert wird, wie Franziskus mit der Vogelpredigt den göttlichen Auftrag erfüllte, den toten (und auferstandenen) Christus der gesamten Schöpfung zu verkündigen (1 Kor 1, 21-23). [8]
Bei ihrer Analyse des Franzzyklus der Oberkirche in den Kapiteln 5 bis 7 gehen die Autoren nach Szenengruppen vor und betrachten zuerst die letzten Szenen 19-28 an der Südwand, dann die den Zyklus eröffnenden an der Nordwand und schließlich die dazwischenliegende mittlere Szenenfolge mit dem Schwerpunkt auf den Fresken an der östlichen Eingangswand. Sie beginnen bei der Südwand, da hier bei der Stigmatisation des Heiligen und seinem Tod der jeweils diagonale Bezug zu den darüber freskierten und gegenläufig von West nach Ost ausgerichteten neutestamentarischen Szenen der Kreuzigung und Grablegung Christi deutlich wird, wie es zuerst Ruf und nach ihm andere gezeigt haben (129-138, 183). Dass die Platzierung der beiden Szenen der Franzlegende in der Planung wohl früh feststand und weitere Szenenumstellungen im Vergleich zu Bonaventuras Legenda maior vorgab, haben nicht Cooper und Robson entdeckt. [9] Die angeblich von ihnen aufgedeckten "tieferen Bedeutungsschichten", die sie zur Erklärung der herausgehobenen Stellung der Szenen des Quellwunders und der Vogelpredigt an der Eingangswand der Oberkirche und ihrer diagonalen Bezüge zu Pfingstwunder und Christi Himmelfahrt aufführen (185-201), kann man in meinem Buch von 1996 nachlesen. Wie Cooper und Robson habe ich das Quellwunder als Darstellung der franziskanischen vita contemplativa und die Vogelpredigt als Verbildlichung der vita activa des Ordens erkannt, wobei die Szenen gleichzeitig die "ascensio" des Franziskus zu Gott und "descensio" zu den Menschen visualisierten (vgl. Cooper und Robsons Überschrift von Kapitel 7: "Ascending to God, Descendig to Neighbour", 183). [10] Neu an The Making of Assisi ist hier allenfalls, dass die Autoren das Muster der vita contemplativa und activa im gesamten Franzzyklus verwirklicht sehen (207-226).
Das Buch von Cooper und Robson ist mit Verve geschrieben und reich bebildert. Es präsentiert eine Fülle von Daten, Namen und theologischen Schriften und fügt der Assisi-Forschung dennoch wenig Neues hinzu, berücksichtigt man auch diejenige Forschungsliteratur, die die beiden Autoren bewusst oder unbewusst ausgeklammert oder nur per forma ihrer Bibliografie hinzugesetzt haben.
Anmerkungen:
[1] Henry Thode: Franz von Assisi und die Anfänge der Kunst der Renaissance in Italien, Berlin 1885, ist nicht in der Bibliografie aufgeführt, ebenso wenig wie John White: The Birth and Rebirth of Pictorial Space, London 1957, oder meine Untersuchung Ruth Wolff: Der hl. Franziskus in Schriften und Bildern des 13. Jahrhunderts, Berlin 1996. Hans Belting: Die Oberkirche von San Francesco in Assisi. Ihre Dekoration als Aufgabe und die Genese einer neuen Wandmalerei, Berlin 1977, erscheint zwar in ihrer Bibliografie, wird von Cooper und Robson aber nur an vier Stellen punktuell zitiert (104; 123; 257, Anm. 135; 259, Anm. 1).
[2] Alistair Smart: The Assisi Problem and the Art of Giotto. A Study of the Legend of St. Francis in the Upper Church of San Francesco, Assisi, Oxford 1971; Gerhard Ruf: San Francesco e San Bonaventura: Un'interpretazione storico-salvifica degli affreschi della navata nella Chiesa Superiore di San Francesco in Assisi alla luce della teologia di San Bonaventura, Assisi 1974.
[3] Ferdinand M. Delorme: Notice et extraits d'un manuscrit franciscain, in: Collectanea franciscana XI (1945), 5-91, hier 78; Donal Cooper / Janet Robson: Pope Nicholas IV and the Upper Church at Assisi, in: Apollo CLVII (2003), 31-35; s. a. dies.: 'A great sumptuousness of paintings': frescos and Franciscan poverty at Assisi in 1288 and 1312, in: The Burlington Magazine 151 (2009), 656-662, hier bes. 662.
[4] Chiara Frugoni: Edifici e colonne nella Roma della 'Liberazione di Pietro d'Alife' ad Assisi, in: Domus et splendida palatia. Residenze papali e cardinalizie a Roma fra XII e XV secolo, hg. v. Alessio Monciatti, Pisa 2004, 107-132.
[5] Ruth Wolff: La "Liberazione dell'eretico Pietro". Considerazioni su un affresco nella Chiesa Superiore di San Francesco ad Assisi, in: Arte Cristiana 84 (1996), Nr. 776, 361-373.
[6] Guido Tigler: Il conflitto fra Bonifacio VIII e i Colonna e la cronologia di Giotto, in: Commentari d'arte 19-20 (2013/2014), Nr. 56/57, 5-25.
[7] Gerhard Ruf: Das Grab des hl. Franziskus: Die Fresken der Unterkirche von Assisi, Freiburg 1981; Saskia Esser: Die Ausmalung der Unterkirche von San Francesco in Assisi durch den Franziskusmeister, Bonn 1983.
[8] Gerhard Ruf: Das Grab des hl. Franziskus: Die Fresken der Unterkirche von Assisi, Freiburg 1981, 36-37.
[9] Ruth Wolff: Der hl. Franziskus in Schriften und Bildern des 13. Jahrhunderts, Berlin 1996, 282.
[10] Ibid., 281-298.
Ruth Wolff