Sebastian Kubon / Jürgen Sarnowsky (Hgg.): Regesten zu den Briefregistern des Deutschen Ordens: Die Ordensfolianten 2a, 2aa und Zusatzmaterial. Mit einem Nachdruck von Kurt Lukas: Das Registerwesen der Hochmeister des Deutschen Ritterordens, maschinenschriftl. Phil. Diss. Königsberg 1921 (= Beihefte zum Preußischen Urkundenbuch; 1), Göttingen: V&R unipress 2012, 287 S., ISBN 978-3-8471-0019-5, EUR 54,99
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
Marie-Luise Heckmann / Jürgen Sarnowsky (Hgg.): Schriftlichkeit im Preußenland, Osnabrück: fibre Verlag 2020
Sebastian Kubon: Die Außenpolitik des Deutschen Ordens unter Hochmeister Konrad von Jungingen (1393-1407), Göttingen: V&R unipress 2016
Jürgen Sarnowsky (Hg.): Wahrnehmung und Realität. Vorstellungswelten des 12. bis 17. Jahrhunderts, Göttingen: V&R unipress 2018
Mit dem ersten Band der neuen Reihe Beihefte zum Preußischen Urkundenbuch ist den Bearbeitern und Herausgebern eine editorische Glanzleistung gelungen, zu der man alle Beteiligten nur beglückwünschen kann. Es handelt sich um die ersten Ergebnisse des an der Universität Hamburg angesiedelten DFG-Projekts "Erschließung und virtuelle Rekonstruktion der älteren Register der Kanzlei des Deutschen Ordens" mit Arno Mentzel-Reuters (München) und Jürgen Sarnowsky (Hamburg) als Reihenherausgeber namens der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung. Gegenstand dieses ersten Bandes sind die in der XX. Hauptabteilung (Historisches Staatsarchiv Königsberg) im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin aufbewahrten Ordensfolianten 2a (161 Registerüberlieferungen 1389-1395) und 2aa (16 Überlieferungen 1389-1391), welche früher die Hochmeister-Registranten I bzw. Ia bildeten. Hinzu kommen als Zusatzmaterial zwei Überlieferungen von 1393 auf einem nach 1894 aus dem Folianten 2a herausgetrennten und in das Ordensbriefarchiv der XX. Hauptabteilung eingefügten Blatt.
Als Bearbeiter zeichnen Sebastian Kubon und Jürgen Sarnowsky, sowie, was die Recherche nach Sekundärüberlieferung in Wilna, Danzig, Posen und Prag betrifft, Annika Souhr verantwortlich. An ihrer Seite standen fünf studentische Mitarbeiter des Projekts: Andreas Beckmann, Nele Kaestner, Tim Albrecht, Isabelle Behrens und Iris Vitense. Den chronologisch aufgeführten Regesten vorangestellt sind teils eine längere Einleitung, teils verschiedene Verzeichnisse, darunter ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis mit Hinweisen auch auf Internetseiten sowie eine Aufstellung der Folianteninhalte nach Seiten. Nach den Indices folgen zwei Konkordanzen mit Angaben über neue Seitenzahlen in den Ordensfolianten und Altpaginierungen in den Hochmeister-Registranten.
Die logisch aufgebaute, akribisch gestaltete und mit vielen scharfsinnigen Beobachtungen verfasste Einleitung (13-77) hat nicht nur für dieses erste Buch der Reihe Gültigkeit, sondern kann und soll auch für die geplanten weiteren Bände als Grundlage und Richtschnur dienen, da sie eine Beschreibung der Editionsgrundsätze beinhaltet. Es werden die Erkenntnisse zur Archivaliengeschichte der Briefregister und die Ergebnisse von Untersuchungen hinsichtlich der bisher unklaren Überlieferungs- und Verzeichnungslage im Ordensarchiv und den Findmitteln dargestellt, ferner wird beschrieben, in welchen Archiven und Bibliotheken in verschiedenen Ländern mit welchem Erfolg bisher nach Sekundärüberlieferung gesucht wurde. Aufgeführt werden Wilna, Kopenhagen, Wien, Greifswald, Stade, Lübeck, München, Nürnberg, Danzig, Thorn, Posen, Kórnik und Prag. Eine systematische Suche in russischen Archiven und Bibliotheken war im gesetzten zeitlichen Rahmen nicht möglich, aber immerhin konnte der spektakuläre Fund des Berliner Historikers Alexander Baranov in der Handschriftenabteilung der Russischen Staatsbibliothek Moskau vor wenigen Jahren - 16 Bände mit Abschriften von Archivalien zur Geschichte des Deutschen Ordens aus dem Staatsarchiv Königsberg - berücksichtigt werden. Dabei handelt es sich offenbar um eine der Abschriftensammlungen aus Königsberg, die von Johannes Voigt für andere Archive, Bibliotheken und Sammler angefertigt und verschickt wurden und von denen auch zwei Codices im Staatlichen Historischen Archiv in Wilna vorhanden sind.
Von der Einleitung abgesehen, bilden die in zeitlicher Folge angeordneten Regesten der Registerüberlieferungen das Kernstück des Buches (109-210). Bei ihrer Ausarbeitung wurde akribisch nach folgendem Muster vorgegangen: Nach Angabe von Zeit und Ort der Ausstellung des Schreibens folgt ein ausführliches Regest, das alles Wesentliche erfasst. Anschließend finden sich Angaben über "Diplomatische Erörterung", "[zeitgenössische] Überschrift", "Überlieferung", "Findmittel", "Druck", "[älteres] Regest" und "Erwähnung".
Rund die Hälfte der Eintragungen des Ordensfolianten 2a betreffen die auswärtigen Beziehungen des Deutschen Ordens zu Pommern, Polen und Masowien, vor allem die Außenpolitik zu Pommern. Grund hierfür waren die diplomatischen Verwicklungen, die die Gefangennahme des Herzogs Wilhelm von Geldern durch einen herzoglichen Hauptmann im Bistum Kammin im Jahr 1388 ausgelöst hatte. Auch die 16 Schreiben im Ordensfolianten 2aa haben diesen Vorfall zum Gegenstand. Andere Registerüberlieferungen zeugen von Kontakten mit Skandinavien, England und Böhmen sowie mit schlesischen Herzögen, mit Skirgiello von Litauen und den Städten Breslau, Kampen, Bremen und Frankfurt an der Oder. Von großem Interesse ist unter anderem ein Bericht des Großkomturs Konrad von Wallenrode an den römisch-deutschen König Wenzel über den Kriegszug nach Litauen im Jahr 1390 und die dabei erfolgte Belagerung von Wilna, bei der Karigal, ein Bruder des polnischen Königs (und litauischen Großfürsten) Władysław Jagiełło, getötet wurde (Nr. 82). Karigals gewaltsamer Tod führte später zu Verwicklungen des Ordens mit Polen (vgl. dazu Nr. 87 und 104 sowie die Einleitung, 56f.).
Mit dem Nachdruck der bislang nur maschinenschriftlich in wenigen Exemplaren erhaltenen Dissertation von Kurt Lukas aus dem Jahr 1921 - deren Wert nicht zuletzt darin besteht, dass sie Angaben über Ordensregister bietet, die aufgrund von Kriegsverlusten nicht mehr zur Verfügung stehen - schließt dieser ausgezeichnete erste Band der neuen Reihe. Er kann vorbehaltlos als empfehlenswertes Beispiel für moderne Deutschordens-Forschung in Deutschland bezeichnet werden. Auf den jetzt in abschließender Bearbeitung befindlichen zweiten Band zu den Ordensfolianten 8 und 9 darf man gespannt sein.
Sven Ekdahl