Eduard Mühle (Hg.): Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen (= Stiftungsgeschichten; Bd. 9), Berlin: Akademie Verlag 2013, 556 S., ISBN 978-3-05-005926-6, EUR 69,80
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Der vorliegende Sammelband beinhaltet neben der umfangreichen Einleitung 15 Beiträge, deren Entstehung bis ins Jahr 1989 zurückreicht, und umfasst Auszüge aus Monografien, teil- oder neubearbeitete Aufsätze sowie einen Ausschnitt aus einer bisher unveröffentlichten Dissertation. Den ausgewählten Beiträgen ist gemein, dass sie einschließlich der inzwischen als Standardwerk zur polnischen Stiftungsgeschichte geltenden Studie [1] zum Princeps fundator von Roman Michałowski bisher nicht in deutscher Sprache erschienen sind. Zwar stellt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit mittelalterlichen monarchischen Stiftungen in Polen kein vollkommen unbearbeitetes Feld dar, doch stehen die Forschungen diesbezüglich erst am Anfang. Treffend charakterisiert Eduard Mühle in seinem als Einleitung konzipierten Beitrag den Stand der deutschen Memoriaforschung, der er konsequent die polnische Erforschung monarchischer und adeliger Sakralstiftungen vom 10. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts gegenüberstellt. Ein mehrseitiger Anhang, der Klostergründungen im piastischen Polen aufschlüsselt und durch umfangreiches Kartenmaterial visualisiert, rundet den Beitrag ab.
Der diesem Band richtungsgebende Aufsatz Michałowskis, der mehrere bearbeitete Kapitel seiner bereits erwähnten Studie enthält, umreißt gleich mehrere für die deutsche Forschung interessante Gebiete. Die von den Ottonen aus Gründen der Herrschaftssicherung gesuchte symbolische Nähe zu Karl dem Großen und der damit verbundene Ausbau Aachens, das über alle Zentren des Reiches erhoben werden sollte, lässt sich in der Umgestaltung Krakaus durch die frühen Piasten wiedererkennen. Michałowski spricht hierbei von einer gezielten Replik, die sich eben insbesondere an der Sakraltopografie Krakaus ablesen lasse. Wie Otto III. versuchten auch die ersten Piasten einen Adalberts-Kult zu installieren. Die übrigen Patrozinien (St. Maria und St. Nikolaus) finden sich in derselben räumlichen Anordnung wie in Aachen. Das Phänomen, dass die topografische Wiederholung der Patrozinien von Herrschaftszentren eine Art Imitation der Herrscher bedeutete, war laut Michałowskis auch andernorts bewährte Praxis. Daneben behandelt der Autor die Stiftungsgeschichte der Benediktinerabtei Tyniec und des Kollegiatstifts zum Heiligen Kreuz in Breslau. Die Gründung der Abtei Tyniec, die mit den Krönungsfeierlichkeiten Bolesławs II. korrelierte, muss laut des Verfassers als Teilhabe des polnischen Königs am Bau des Reiches Christi verstanden werden. Auch die Gründung des Kollegs in Breslau durch Heinrich den Gerechten sei mit der Hoffnung gehobenen Prestiges verbunden gewesen. Als Motive für die Stiftungen der ersten Piasten benennt Michałowski die Versicherung göttlicher Gnade und die Festigung beziehungsweise Begründung von Macht; zur Umsetzung politischer Ziele waren monarchische Stiftungen "fester Bestandteil der politischen Kultur des piastischen Polen" (107). In ähnlicher Weise untersucht Grzegorz Pac den Einfluss bayerischer und sächsischer Vorbilder auf die Gründung piastischer und přemyslidischer Frauenkonvente. Neben einem kurzen Abriss der generellen Entwicklung des Frauenmonastizismus hebt er die familiären Verbindungen der Přemysliden zu den Piasten hervor, die eine nicht unerhebliche Rolle bei der Christianisierung Polens gespielt haben. Ab einem gewissen Punkt koppelte sich die Entwicklung der Frauenkonvente in den beiden Ländern von der Entwicklung im übrigen Europa ab, was Pac mit dem andersartigen Ablauf der Christianisierung in Polen und Böhmen erklärt.
Während Szymon Wieczorek die Schenkungen Bolesławs III. Schiefmund und seiner Witwe Salomea von Berg an die Benediktinerabtei Zwiefalten in den 1130er-40er Jahren untersucht und die Verbundenheit des piastischen Herzogs mit der Abtei vor allem mit dem Geschlecht seiner Frau, welches das Kloster schon seit mehreren Generationen alimentierte, und der "gewissen Popularität" (154) des Klosters in den angrenzenden slawischen Ländern erklärt, eröffnet Krzysztof Skwierczyński einen Komplex innerhalb des Bandes, der den Einfluss der piastischen Herrscher auf die Stiftungstätigkeit der ihnen untergeordneten Großen beleuchtet. Die Stiftertätigkeit der Großen, welche sich als Imitatio regni äußerte, offenbart einige interessante Details der polnischen Stiftergeschichte: Die Großen Polens versuchten, indem sie die Stiftungstätigkeit ihrer Herzöge imitierten, einen möglichst guten Ausgangspunkt für einem möglichen Anlauf auf die Herzogswürde einzunehmen. Dessen ungeachtet war vor aller Rivalität die Sorge um das eigene Seelenheil und eine angemessene Memoria das Hauptmotiv solcher Stiftungen. Flankiert wird der Beitrag von Skwierczyński von den Ausführungen Józef Doboszs, der die Stiftungen Bolesławs III. denen seiner Großen gegenüberstellt. Dabei handelte es sich unter aanderm um die Włostowicen, denen Dariusz Karczewski seinen Beitrag widmet, in dem adlige Stiftergemeinschaften behandelt werden. Im Vergleich zu Michałowskis Interesse an den monarchischen Stiftungen widmet sich der Beitragende "privaten Stiftungen" (270). Halina Manikowska beleuchtet am Beispiel der Włostowicen und der schlesischen Piasten das Stiften von Kirchengut in Breslau. Wie auch schon in anderen Beiträgen dargestellt, wurden Kirchen- und Klosterstiftungen als politische Instrumente der Herrschaftssicherung benutzt. Ein weiteres Familienmitglied der Włostowicen, Jaxa, steht im Mittelpunkt der Betrachtungen von Jerzy Rajman. Jaxa verpflichtete sich 1162 am Ziel seiner Pilgerreise in Jerusalem, in seiner Heimat eine Heilig-Grab-Kirche zu errichten. Außerdem werden ihm zwei Klostergründungen zugeschrieben.
Leszek Wetesko und Tomasz Ginter lenken den Fokus des Bandes von den Großen Polens zurück auf die Piasten. In den beiden Aufsätzen steht das Wirken Mieszkos III. des Alten im Zentrum. Während Wetesko jedoch die von Mieszko III. gestiftete äußerst kunstvolle Bronzetür der Gnesener Kathedrale und die Stiftung liturgischer Geräte in dessen letztem Lebensabschnitt nach dem Verlust der Alleinherrschaft in den Mittelpunkt stellt, geht Ginter der Begründung des Zisterzienserklosters Ląd und der politischen Bedeutung der Stiftungen Mieszkos III. nach. Eine weitere Klostergründung behandelt Andrzej Pleszczyński: Die Geschichte des Klarissenklosters in Zawichost, das im 13. Jahrhundert nur kurzen Bestand hatte, wird ebenso beleuchtet wie seine Bedeutung als erster Konvent der Heiligen Klara auf polnischem Boden. In der Wahl der Patrozinien der Klosterkirche (Heilige Franziskus und Heilige Elisabeth) werden sowohl die Verbindung nach Assisi als auch die familiären Beziehungen des Stifters deutlich, war doch die Heilige Elisabeth Schwägerin der eingangs schon erwähnten Salomea von Berg, der Frau des Stifters Bolesław III. Schiefmund.
Den abschließenden Komplex des Bandes bilden vier Beiträge, die sich dem Wirken der schlesischen Piasten widmen: Marcin Rafał Pauk bewertet deren Stiftungsprogramm im europäischen Kontext, während Przemysław Wiszewski die Stiftungen von Frauenklöstern durch die piastischen Herzöge beschreibt. Joanna Banik und Dagmara Adamska beschäftigen sich beide mit ritterlichen Stiftungen. Banik richtet ihren Fokus auf das Wirken der Herren von Pogarell, während Adamska die Begründung des Benediktinerinnenklosters in Liebenthal durch das gleichnamige Geschlecht untersucht.
Nachdem die Bände 4, 5 und 6 der Stiftungsgeschichten [2] den Blickwinkel der Reihe vom Reich weg auf byzantinische Quellen und die Erforschung islamischer Stiftungen gerichtet haben, liegt nun der fünfte in diesem Rahmen erschienene Sammelband vor. Die Breite der hier dargelegten Forschungen der letzten 20 Jahre zur Stiftungsgeschichte ermöglicht einen tiefen Einblick in die Stiftungstätigkeit des polnischen Adels und seiner Monarchen im Hoch- und Spätmittelalter und offenbart viele Parallelen, aber auch Unterschiede zum Reich. Daneben wird aber auch deutlich, dass die vom Herausgeber angeregte Methodendiskussion (11, Anmerkung 22) von einem Teil der Autoren für unnötig erachtet wird: Auf das frühe Stadium der polnischen Forschung angesprochen, entgegnet Józef Dobosz, dass "es hier keiner terminologischen und historischrechtlichen Diskussionen [bedürfe], sondern nur einer Stärkung der Erforschung der monarchischen Stiftungen" (202). Als Einstieg in die Forschungsdiskussion zur polnischen Stiftungsgeschichte wird der besprochene Band eine wertvolle Hilfe sein.
Anmerkungen:
[1] Roman Michałowski: Princeps fundator. Studium z dziejów kultury politycznej w Polsce X-XIII wieku [Princeps fundator. Eine Studie zur politischen Kultur im Polen des 10.-13. Jahrhunderts], Warszawa 1989.
[2] Michael Borgolte (Hg.): Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne. Auf der Suche nach ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden in religiösen Grundlagen, praktischen Zwecken und historischen Transformationen, Berlin 2005; Astrid Meier / Johannes Pahlitzsch u.a. (Hgg.): Islamische Stiftungen zwischen juristischer Norm und sozialer Praxis, Berlin 2009; Tim Geelhaar / John Thomas: Stiftung und Staat im Mittelalter. Eine byzantinisch-lateineuropäische Quellenanthologie in komparatistischer Perspektive, Berlin 2011.
Emanuel Priebst