Rezension über:

Ulrike Gehring / Peter Weibel (eds.): Mapping Spaces. Networks of Knowledge in 17th Century Landscape Painting, München: Hirmer 2014, 504 S., ca. 350 Farbabb., ISBN 978-3-7774-2230-5, EUR 49,90
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Rezension von:
Michael Busch
Hamburg / Universität Rostock
Redaktionelle Betreuung:
Sebastian Becker
Empfohlene Zitierweise:
Michael Busch: Rezension von: Ulrike Gehring / Peter Weibel (eds.): Mapping Spaces. Networks of Knowledge in 17th Century Landscape Painting, München: Hirmer 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 7/8 [15.07.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/07/25342.html


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Ulrike Gehring / Peter Weibel (eds.): Mapping Spaces

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Selten hat man als Rezensent die Aufgabe oder angenehme Pflicht, ein so opulent ausgestattetes Werk besprechen zu können. Der großformatige Bildband, dem eine Ausstellung des Zentrums für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (12. April bis 13. Juli 2014) zugrunde liegt, umfasst 504 Seiten und beinhaltet 473 teilweise ganzseitige Abbildungen in hervorragender Qualität. Der Band ist in elf Kapitel gegliedert, die unterschiedliche interdisziplinäre Themenbereiche abdecken. Den Beginn macht ein instruktiver Überblick von Ulrike Gehring, die den interdisziplinären Zugang zu den Bereichen Wissenschaft und Technologie innerhalb der Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts thematisiert. Ihr Beitrag ist auch der umfangreichste des Buches. Er wird begleitet von weiteren 37 - zumeist kurzen - Beiträgen, die in 10 Kapitel untergliedert sind. Sie befassen sich unter anderem mit den folgenden Themenspektren: Kopernikanisches Weltbild, Entwicklung von Karten und Globen, frühe Globalisierung und Wissenstransfer, Schlachtengemälde in der Zeit von Pieter Snayers, Militärarchitektur und Entwicklung der Fortifikationskunst, der Rolle der Universität von Leiden und insbesondere der mathematischen Ausbildung der Militäringenieure, Landvermessung und Landgewinnung sowie der Bedeutung der Luftperspektive für eine moderne Strategie der Kriegsführung.

Als das bisher gültige, alte Bild der Welt sich am Beginn der Neuzeit schrittweise zum Neuen wandelte, wurden zwei große Veränderungen offensichtlich: Mit der Destruktion des bisherigen Kosmos wurde die genauere Vermessung des Raumes verbunden. Bisherige scheinbare Wahrheiten verloren ihre Plausibilität und bisher begrenzter Raum wurde unendlich. Die Welt um 1600 wurde nicht mehr größer, aber, so die Herausgeber, die Räume menschlichen Wissens wuchsen beständig. Ebenso wuchsen die Räume in der Malerei. Diese Entwicklung vollzog sich in verschiedenen Schritten, einer davon, so die These der Herausgeber, wurde vom flämischen Schlachtenmaler Pieter Snayers vollzogen. Er, dessen Person und Werk sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, erfand eine neue Art der Darstellung, indem er einen kartografischen Überblick mit einer Landschaftsmalerei kombinierte, die aus der Vogel- oder Luftperspektive einen weiten, in der Ferne offenen Raum präsentierte. Diese Verbindung von genauer Karte und Bild wurde zum Novum, erst in der Schlachten- und dann in der Landschaftsmalerei. Die von Snayers durchgeführte Synthese von Kartografie, mathematischem und geodätischem Wissen, von militärischer Kenntnis und künstlerischer Darstellung, wurde in der Ausstellung und wird im vorliegenden Band in seine unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen zerlegt, gleichsam entschlüsselt und anschließend rekonstruiert, als Einzeldisziplin untersucht und vorgestellt. Den topografischen Schwerpunkt bilden dabei die Niederlande im 17. Jahrhundert, doch werden in zahlreichen Beiträgen historische und geografische Brücken in Nachbardisziplinen und -räume geschlagen.

Im 16. Jahrhundert wurden in der Seefahrt Portolankarten verwendet, die vor allem die Küstenbereiche detailliert abbildeten und Reisende benutzten nach wie vor Itinerare, Kartenrollen, die Ort an Ort als 'räumliche Inseln' aneinanderreihten. Im 17. Jahrhundert wird der leere Raum zwischen den Punkten zunehmend gefüllt und die modernen Reisenden bewegen sich mehr und mehr in einem räumlichen Kontinuum. Als die Schlachtenmalerei des 17. Jahrhunderts weite Räume mit Detaildarstellungen im Vordergrund kombinierte, änderte sich die Sicht auf eine dargestellte Landschaft entscheidend. Die Künstler wählten Methoden, die sie von Karten, Navigations- und Vermessungshandbüchern kannten und übernahmen. Eine der Fragestellungen des vorliegenden Bandes ist es, in welcher Weise über die mediale Informationsvermittlung hinaus die geografischen oder nautischen Informationen die bildliche Repräsentation von Raum beeinflussten. Im Unterkapitel über die Darstellungen zur Belagerung von Breda führt Gehring exemplarisch aus, wie Snayers räumliche, militärische und personelle Detailinformationen aus unterschiedlichen Quellen zusammenbringt und dem Betrachter einen scheinbar offenen Raum von etwa 270 km2 präsentiert. Diese neue Sicht der Dinge blieb nicht ohne Folgen: Die Entwicklung der niederländischen Landschaftsmalerei muss, so eine der Grundthesen des Bandes, in direktem Kontext mit der Schlachtenmalerei und den wissenschaftlichen Disziplinen gesehen werden, die sie wesentlich beeinflussten. Im Europa des 17. Jahrhunderts waren Kunst, Wissenschaft und Technologie eng miteinander verflochten und gingen facettenreiche Verbindungen ein. Davon berichtet der vorliegende Band auf wirklich beeindruckende Weise. Wenn auch, wie anfangs erwähnt, die Anzahl, Größe und Qualität der Abbildungen gerade einen besonderen Reiz des Buches ausmachen, wäre es wünschenswert gewesen, wenn mancher der leider sehr kurzen Beiträge von knapp zwei oder drei Seiten ausführlicher ausgefallen wäre. Bei den Ausführungen zu den niederländischen Atlanten hätten die Arbeiten von Johannes Mol berücksichtigt werden können [1] und man mag es dem Rezensenten verzeihen, wenn er in den Kapiteln zur Landvermessung im 17. Jahrhundert die Erwähnung der Impulse, die in dieser Zeit von der schwedischen Landvermessung ausgingen, vermisst. [2]

Die Herausgeber und Beiträger des Bandes haben, so ein Diktum des Vorworts, die Forschung in der Kunstgeschichte zwar nicht umgekehrt, legen aber mit "Mapping Spaces" Ergebnisse vor, die so leicht nicht ignoriert werden können. Der dabei geäußerten Hoffnung, diese Ergebnisse mögen in größeren Netzwerken weiter diskutiert werden, kann der Rezensent sich nur voll und ganz anschließen.


Anmerkungen:

[1] Johannes A. Mol / Paul N. Noomen (Hgg.): Prekadastrale Atlassen fran Fryslân, Leeuwarden 1998-2003.

[2] Michael Busch / Stefan Kroll u.a. (Hgg.): Die schwedische Landesaufnahme von Pommern 1692-1709. Perspektiven eines Editionsprojektes, Kiel 2011; Mats Höglund: The oldest Swedish geometric land maps, in: Geschichte-Kartographie-Demographie. Historisch-Geographische Informationssysteme im methodischen Vergleich, hgg. v. Michael Busch / Stefan Kroll u.a., Berlin / Münster 2013, 45-55.

Michael Busch