Hans-Wolfgang Bergerhausen (Bearb.): Quellen zur Geschichte des Bürgerspitals Würzburg 1500-1650 (= Fontes Herbipolenses; Bd. VIII), Würzburg: Ferdinand Schöningh Buchhandlung 2014, XXVIII + 756 S., 22 Farbabb., eine CD-ROM, ISBN 978-3-87717-851-5, EUR 69,00
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Renate Engels (Bearb.): Palatia Sacra. Kirchen- und Pfründebeschreibung der Pfalz in vorreformatorischer Zeit. Teil I: Bistum Speyer. Band I: Die Stadt Speyer. 2. Teil: Pfarrkirchen, Klöster, Ritterorden, Kapellen, Klausen, Beginenhäuser, Trier: Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte 2005
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1316 stiftete der Würzburger Patrizier Johannes von Steren (ca. 1270-1329) ein Grundstück für ein Spital, um darin ältere oder pflegebedürftige Menschen unterzubringen. Damit legte er den Grundstock für die Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist, zu der noch viele andere Zustiftungen aus dem Würzburger Bürgertum kommen sollten, wie etwa die des 1579 verstorbenen Kaufmanns, Ratsherrn und Bürgermeisters Paulus von Worms nach 1500, der ein sehr großzügiger Unterstützer des Spitals durch Zuwendungen aus seiner Erbmasse war.
Noch heute existiert die Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist, die im nächsten Jahr ihr 700-jähriges Bestehen feiert. Es ist weiterhin ein wichtiger Bestandteil der lokalen Wohlfahrtseinrichtungen der Frankenmetropole. Zur Zeit gehören zur Bürgerspitalstiftung mehrere Seniorenwohnstifte und Seniorenheime, ein ambulanter Pflegedienst, eine Tagespflege, ein Zentrum zur geriatrischen Rehabilitation sowie ein Tagungszentrum. Erträge aus Liegenschaften (über 650 Erbbaurechte, über 200 Wohnungs- und gewerbliche Vermietungen) sowie ein Weingut mit ca. 120 ha Rebfläche - das Gut zählt zu den größten in Deutschland - sichern den Bestand der Stiftung. Neben dem Bürgerspital gibt es das ebenfalls heute noch bestehende, von Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn (1573-1617) ins Leben gerufene Juliusspital - einst nur für die Landbevölkerung gedacht.
Der nun vorliegende Band stellt die Fortsetzung des 1994 erschienenen und von Ekhard Schöffler bearbeiteten "Urkundenbuches des Bürgerspitals Würzburg 1300-1499" dar. Mit Hans-Wolfgang Bergerhausen hat sich nun ein Frühneuzeithistoriker, der u. a. durch Arbeiten zum frühmodernen Köln als Spezialist für städtische Verhältnisse und Lebenswelten ausgewiesen ist, der Zeit von 1500 bis 1650 angenommen. Mit dieser Epocheneinteilung sind auch die Folgen von Reformation und Konfessionalisierung sowie Bauernkrieg, (Zweitem) Markgräflerkrieg und Dreißigjährigem Krieg, der in der Eroberung Würzburgs durch die Schweden gipfelte und für das Bürgerspital einen beträchtlichen Einschnitt bedeutete, ausführlich anhand einer Institution - gleichsam als Mikrokosmos, der aber eng verwoben war mit der Würzburger Stadtgesellschaft - quellenmäßig dokumentiert. Der von Bergerhausen bearbeitete Zeitraum bietet nicht nur von der Masse her sehr viel mehr an Quellen als der des Vorgängerbandes; vielmehr ist seit dem Beginn des Aktenzeitalters das Quellenmaterial auch vielfältiger.
Das Bürgerspital war kein Krankenhaus, sondern darüber hinaus eine fast universale karitative Einrichtung, denn es fungierte als multifunktionale Institution für eine ganze Reihe von Lebensbereichen des frühneuzeitlichen Würzburgs. Das Leben im Spital war vielfältig, die Bewohner sehr unterschiedlich, und es gab keine strikte Klausur. Das Institut stellte zunächst eine Fürsorgestelle für Bedürftige - Kranke und geisteskranke Personen -, aber auch einen Alterssitz für wohlhabendere Ruheständler und eine Arbeitsgemeinschaft dar. Es war mithin eine rechtliche, administrative und ökonomische Einheit. Insbesondere, und dies ist an den Quellen besonders gut ablesbar, handelte es sich um einen sehr großen Wirtschaftsbetrieb mit Haus- und Grundbesitz, Landwirtschaft, Weinbau und Mühlen. Darüber hinaus fungierte es als Kreditinstitut im Sinne einer "Bank des kleinen Mannes". Ferner übte es die Grundherrschaft über das nordöstlich von Würzburg gelegene Dorf Laub aus. Mithin stellte die Verwaltung der umfangreichen und vielfältigen Renten-, Zins-, Zehnt- und Gülteinnahmen eine große Aufgabe dar.
Nach einer fundierten Einleitung (XIII-XXII) präsentiert Bergerhausen thematisch geordnete Großkapitel zu "Pfründnern" (3-109), zur "Verwaltung" (110-241), zum "Leben im Spital" (242-274), zu "Wirtschaft und Finanzen" (275-460), zu "Bauten" (461-495) und zum "Dorf Laub" (496-656). Dem Werk ist eine Reihe von sehr übersichtlichen Listen und Tabellen zu den Pfründnern und zum Personal, zu den Jahresbilanzen des Spitals, zu den Zehnteinkünften aus dem Dorf Laub sowie zu Steuern und Kontributionen beigegeben, was einen Überblick über diese Themenbereiche erheblich erleichtert. Darüber hinaus enthält der Band 14 farbige Abbildungen in hervorragender Qualität von Stadtansichten, Kunstgegenständen, Gedenktafeln und -blättern, Siegeln, Grabplatten sowie Quellenstücken. Auf der beigefügten CD findet man auf 84 Seiten im PDF-Format die Pfründnerlisten - neben dem Hauptwerk eine Fundgrube für prosopografische Studien. Die Daten sind tabellarisch geordnet nach Datum, Namen, Pfründnergeld und Sonstigem. Die Quellen sind nochmals unterteilt in "Ober- oder reiche" und "Unter- oder arme Pfründner", statistische Aufstellungen, Daten zum Leitungspersonal sowie eine Reihe von tabellarisch aufbereiteten Rechnungen. Die tabellarische Anordnung bietet einen guten Einstieg in quantifizierende Analysen. Ein ausführliches Personen-, Orts- und Sachregister erleichtert die Recherche erheblich.
Die Edition orientiert sich an den mittlerweile klassischen Richtlinien von Walter Heinemeyer und Johannes Schultze. Die Quellen werden überwiegend in Regestenform, zum Teil aber auch in Volltexten präsentiert. Wichtig ist, dass hier sämtliche Personen-, Orts-, Gebäude- und Flurnamen aufgenommen wurden; auf diese Weise werden die edierten Texte einer breitgefächerten Analyse zugänglich. Bergerhausen präsentiert nicht weniger als 614 Quellen. Aufgrund der Vielzahl musste der Bearbeiter eine Auswahl treffen und u. a. zumindest die früheste und späteste Quelle für einen Themensektor angeben. Deutlich werden auch die unterschiedlichen Formen wie die schon eher formalisierten Fragenkataloge des Fürstbischofs.
Die Fülle und Vielfalt der Texte ist groß und breitgefächert: Urkunden, Akten, Arbeits- und Hausordnungen, Speisepläne, Rechnungen, detaillierte Güterverzeichnisse (Käufe, Verkäufe, Tauschgeschäfte und Verpachtungen von Land, Häusern, Mühlen etc.), Quittungen, Bauplanungen, Kostgeldaufstellungen, Inventare, Bitt- und Beschwerdeschriften, Eide, Testamente, Schuldverschreibungen, Rapulare und Protokolle, Visitationsunterlagen, Kostenvoranschläge, Berichte über Mängel im Spital, Vorschriften zur richtigen Bewirtschaftung und Kultivierung des verpachteten Landes, Dorfordnungen, Weistümer, Bestallungen von und Arbeitsvorschriften für das Spitalpersonal sowie Behördenverordnungen. Man findet Urkunden und Akten zu Pfründneraufnahmen, Suppliken (interpretier- und nutzbar als Ego-Dokumente) und recht genaue Schilderungen über den Gesundheitszustand der Spitalbewohner ("ist übels gehörs", "so blöts gesichts", "grosßer leibsschwachheit", "kan den linckhen arm nicht mehr gebrauchen", 234f.). Darüber hinaus gibt es Beschreibungen zu Garküchen, zum Fischfang, zu Käufen und Verkäufen von Wein, zum Unterhalt von Bädern, zu Kontributionen an Militärs sowie zu Baumaßnahmen (Häuser, Krankenstuben, Verträge mit Handwerkern). Die Quellen bieten Informationen zur Lohnstruktur von Handwerkern und Spitalangehörigen, zu Preisen von Lebensmitteln und Baumaterialien sowie zu Verwandtschafts-, Freundschafts- und Klientelverhältnissen innerhalb Würzburgs und der umgebenden Region.
Diese breite Palette von Quellen gewährt hervorragende Einblicke in die frühneuzeitliche Agrarökonomie (Düngungen, Anbauturni, Dreifelderwirtschaft), Kreditstrukturen und -geflechte, Kleidungs- und Essgewohnheiten, Möbelausstattung - mithin in die Alltags- und Kulturgeschichte und vieles Weitere mehr.
Mit Hilfe der präsentierten Quellen können vielfältige weitere Forschungen zur Wirtschafts-, Sozial-, Kultur- und Alltagsgeschichte initiiert werden: Ob dies prosopografische Studien über das Führungspersonal oder die Bewohner sind, quantifizierende Analysen über die ökonomische Struktur und Entwicklung oder kulturhistorische Arbeiten über das Alltagsleben (wie gestaltete sich das Leben von Alten und Kranken?). Somit bietet die Publikation eine Fundgrube nicht nur für die Lokal- und Regionalhistoriker, sondern kann darüber hinaus noch auf einer sehr viel allgemeineren Ebene für die Wirtschafts-, Alltags-, Kultur-, Ökologie- (Wasserregulierungen), Technik- (Mühlen) und Personengeschichte als Quellenfundus dienen.
Das Archiv des Bürgerspitals ist im Würzburger Stadtarchiv beheimatet. Daher ist es nicht zuletzt auch ein großes Verdienst des Stadtarchivs, ein solch bedeutendes Editionsunternehmen zu initiieren, zu organisieren und in der renommierten Reihe "Fontes Herbipolenses" erscheinen zu lassen. Mit dieser Edition wird das frühneuzeitliche Würzburg in den Fokus gerückt. Dank gilt dem Mut von Herausgebern und Bearbeiter, ein solches Grundlagenwerk in Angriff genommen zu haben.
Wolfgang Rosen