Ralf Lusiardi / Andreas Ranft (Hgg.): Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt und seiner Bischöfe. Teil 5 (1426-1513) (= Quellen und Forschungen zur Geschichte Sachsen-Anhalts; Bd. 7), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2015, 555 S., ISBN 978-3-412-22282-6, EUR 99,00
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Quellen sind und bleiben das unerlässliche "Werkzeug des Historikers" bzw. im eigentlichen Sinne seine Arbeitsgrundlage. Insofern ist und bleibt die Edition von Urkunden und sonstigem aussagefähigen Schriftgut oder wenigstens deren Erschließung durch Regesten eine wichtige Aufgabe, damit der Historiker sein Wissen nicht lediglich aus der Sekundärliteratur schöpft. Es ist daher ein unschätzbares Verdienst von Ralf Lusiardi und Andreas Ranft, das "Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt und seiner Bischöfe" herausgegeben zu haben, auch wenn über Sinn und Anlage von Editionen wie auch die archivische Tiefenerschließung eine bislang nicht entschiedene Kontroverse entbrannt ist, die bis zur Grundsatzfrage reicht, ob die Edition von Urkunden überhaupt noch zeitgemäß sei. Der Rezensent steht hier freilich auf dem Standpunkt "besser eine gemessen an den Kriterien der MGH unvollständige Edition als gar keine."
Diese Ansicht haben sich offenbar auch die beiden Herausgeber zu eigen gemacht und bei der Edition der Urkunden von 1426 bis 1513 auf ein Manuskript des einstigen Halberstädter Gymnasialdirektors Karl Gustav Schmidt (1829-1892) zurückgegriffen. Schmidt hatte bereits die vier vorangehenden Bände mit nicht weniger als 3437 Nummern ediert, die von den Anfängen bis eben 1425 reichten.
Der fünfte Band umfasst noch einmal einen großen Zeitraum von fast 90 Jahren, der an seinem Beginn 1426 mit der Verleihung der sächsischen Kurwürde an den wettinischen Markgrafen von Meißen Friedrich den Streitbaren zusammenfällt. Die Wettiner konnten durch diese Standeserhöhung rasch ihren Einflussbereich nach Norden ausdehnen, was sich bis in das Bistum Halberstadt bemerkbar machte, und schließlich sogar mit dem Magdeburger Erzbischof Ernst von Sachsen einen der ihren als Administrator des Bistums platzieren. Mit dem Ende seiner Verwaltung des Bistums Halberstadt im Jahr 1513 endet auch der vorliegende Band, der damit bis unmittelbar an den Vorabend der Reformation reicht. Es sind noch einmal fast 900 Nummern, die mitunter unter den einzelnen Urkunden zahlreiche weitere zusammenhängende Urkunden angeben.
Zum Druck des fünften Bandes kam es freilich damals nicht mehr. Das Manuskript gelangte in das spätere Landeshauptarchiv von Sachsen-Anhalt, wo es in Vergessenheit geriet. Erst Walter Zöllner entdeckte es wieder und erkannte trotz aller Unzulänglichkeiten den Wert von "Schmidts Vorarbeiten" und bemühte sich um eine Veröffentlichung, bis sich die neu begründete Historische Kommission für Sachsen-Anhalt dieses Projekts annahm. Aber auch "die zuständigen Experten der Kommission" hatten ihre Sorgen und Nöte mit einer solchen Mammutaufgabe und waren sich "einig darin, dass dies allein in Gestalt einer Nachlassedition zu bewerkstelligen sei, die auch die [...] Einschränkungen des Werkes transparent macht" (7). Das Manuskript bzw. die Vorarbeiten wurden dann aber doch noch einmal einer intensiven Bearbeitung unterzogen, die zuletzt in den Händen von Gerrit Deutschländer lag - habent sua fata libelli, und erst recht Editionen, kann man das Ganze zusammenfassen.
Insofern erübrigt es sich auch, die vorliegende Edition, die zwischen der Volledition und der Regestierung von Urkunden wechselt, mit dem heutigen Wissensstand oder gar dem heutigen Maßstab zu begutachten, denn es wurde lediglich das über hundert Jahre alte Manuskript Schmidts benutzbar gemacht. Merkwürdig muten allenfalls einige Praktiken an, wie die unter Nummer 4148 ungewöhnliche Auflistung der urkundlichen Nachweise des Weihbischofs Matthias, die immerhin über einen Zeitraum von 1496 bis 1509 reichen. Die Inhalte der gleichsam subsumierten Urkunden, die in verschiedensten Archiven in Sachsen-Anhalt wie auch Thüringen liegen, darunter auch Stadtarchive, sind nur mit einem äußerst knappen Kurztitel wiedergegeben und machen keine Angaben zu Zeugenreihen und sonstigen unentbehrlichen Informationen.
Aber sei es drum, allenfalls könnte man formale Dinge bemängeln und auf die Idee kommen, etwa ein Sachregister einzufordern. Jedoch wird eine solche Forderung immer nur von denjenigen erhoben, die selbst noch nie eine entsprechende Edition erstellt haben, sonst wüssten sie um die Unsinnigkeit einer solchen Forderung. Vielleicht hätte jedoch bei dem Namensregister, das das Orts- und Personenregister zusammenfasst, etwas mehr Sorgfalt und Nachrecherche erfolgen können. Grundsätzlich wäre es präziser gewesen, wenn sich die Ziffernangaben auf die Urkundennummern und nicht auf die Seitenzahlen bezogen hätten, denn so kann es passieren, etwas zu übersehen, wenn der oder das Gesuchte mehrmals auf einer Seite mit mehreren Urkunden auftaucht. Auch hätte die Originalschreibweise von Orten einen Extra-Anstrich verdient, um dahinter auf die heutige Schreibweise zu verweisen, falls sich nämlich jemand entlang der Urkunden und nicht entlang des Registers vorarbeitet, also bspw. "Tammekerode" mit Verweis auf "s. Dankerode". Dagegen hätte bspw. bei Halberstadt (aber auch anderen Orten und Stiften) die differenzierte Untergliederung in Bischöfe, Bürgermeister, Domherren usw. weggelassen werden können, denn die Personen sind doch bereits entsprechend ihrem Zunamen in die alphabetische Reihung aufgenommen. Dort hätte dann eine biografische Zusatzangabe, wie "Bürgermeister Halberstadt" oder "Domherr Halberstadt" Platz gehabt. Zumal hier nun Unstimmigkeiten auftauchen, wie bei dem unter "Halberstadt > Domherren" angeführten "Arnd von Stammer", der dort mit mehreren Seitenangaben eingetragen ist, die dann unter dem Lemma "Stammer, von" zwei verschiedenen Personen, nämlich Vater und Sohn Arnd zugeordnet werden. Überhaupt die Familie Stammer: Ganz richtig sind die in Nr. 4150 genannten Vettern und Brüder Stammer der Adelsfamilie zuzurechnen. Aber die Frage ist: führten sie nun 1497 bereits das Adelsprädikat oder nicht? Wie lautet der Originaleintrag? Das geht entsprechend der Übernahme des Manuskripts aus der Edition leider nicht hervor. Im Regest erscheinen sie jedenfalls ohne Adelsprädikat. Hier wäre für den Nutzer dann doch die originale Textwiedergabe hilfreich gewesen, um zu erfahren, wann die stadtpatrizische Herkunft "kippt". Das Adelsgeschlecht von Ditfurth hätte entsprechend der heutigen Schreibweise mit "h" am Ende geschrieben werden müssen.
Aber diese Hinweise sollen die Leistung der Edition nicht schmälern, zumal diesem Band noch wertvolle Nachträge und Ergänzungen zu den ersten vier Bänden beigegeben wurden. Deshalb sei auch nochmals auf das Eingangsstatement verwiesen und der fromme Wunsch und die Hoffnung geäußert, dass vielleicht noch weitere vor sich hinschlummernde Manuskripte aufgefunden werden (wie sogar in der Einleitung auf S. 25 angedeutet wird, dass sich bspw. "Handschriften und Abschriften aus Schmidts Nachlass" heute in St. Petersburg und in Moskau befinden), und/oder sich doch noch Mittel und Wege zur Finanzierung eines solchen (dann zweifellos Langzeitprojektes) finden.
Lars-Arne Dannenberg