Rezension über:

Caillan Davenport / Jennifer Manley: Fronto. Selected Letters (= Classical Studies Series), London: Bloomsbury 2014, XIV + 225 S., ISBN 978-1-78093-442-6, GBP 18,99
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Rezension von:
Ulrich Lambrecht
Institut für Geschichte, Campus Koblenz, Universität Koblenz-Landau
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Ulrich Lambrecht: Rezension von: Caillan Davenport / Jennifer Manley: Fronto. Selected Letters, London: Bloomsbury 2014, in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 7/8 [15.07.2016], URL: https://www.sehepunkte.de
/2016/07/24610.html


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Caillan Davenport / Jennifer Manley: Fronto

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Eine kommentierte Auswahl an Fronto-Briefen kann als quellenbasierte Grundlegung für die Erarbeitung bestimmter Themen im Zusammenhang mit der Antoninendynastie durchaus ihren Zweck erfüllen. So haben die an der University of Queensland tätigen Althistoriker Caillan Davenport und Jennifer Manley 54 Briefe aus dem frontinischen Briefkorpus ausgewählt, sie zu acht thematisch und zugleich chronologisch orientierten Kapiteln angeordnet, übersetzt und kommentiert, allerdings ohne die Quellen zugleich auch in der Originalsprache in ihre Auswahl aufzunehmen. Damit bieten diese Zeugnisse die Möglichkeit, den Zeitraum von 139 n.Chr. bis 166 n.Chr. aus dem speziellen Blickwinkel eines prominenten römischen Senators zu betrachten, dessen Nahverhältnis zu Marc Aurel und Lucius Verus darauf zurückgeht, dass Kaiser Antoninus Pius ihn zum Lehrer seiner Adoptivsöhne für die lateinische Rhetorik berufen hat.

Die Briefauswahl und der Kommentar setzen keine substantiellen Vorkenntnisse voraus. Die Einleitung bietet - bereits mit Verweisen auf bestimmte Briefe, die in die Auswahl aufgenommen sind - eine kurze Einführung zur Person Frontos, zu römischer Briefliteratur allgemein sowie zu der Korrespondenz Frontos und deren Überlieferung im Besonderen, ferner zum Verhältnis zwischen Fronto und Marc Aurel, wobei eine gewisse Distanz der Herausgeber zu der Position Amy Richlins erkennbar ist. [1] Den Abschluss der Einführung bilden einige grundsätzliche Überlegungen zu Übersetzung und Kommentar sowie die Vorstellung der wichtigsten Personen, die in den Briefen vorkommen.

Jedem der nachfolgenden Kapitel, zu denen die ausgewählten Briefe gruppiert sind, ist eine Einleitung vorangestellt, die das zugrunde liegende Generalthema skizziert und dessen Variationen in den einzelnen ihm zugeordneten Briefen benennt. Es folgen die Briefe in der englischen Übersetzung. Der Bezug zum lateinischen (bzw. griechischen) Original wird durch zusätzliche Angabe der Briefzählung nach der wissenschaftlichen Edition van den Houts [2] sowie der Seitenzahlen dieser Edition und auch der namentlich im anglofonen Bereich weitverbreiteten alten zweisprachigen Ausgabe von Haines [3] hergestellt. Jedem aufgenommenen Brief ist der zugehörige Stellenkommentar unmittelbar nachgeordnet. Die Stellen, für die Kommentare zur Verfügung stehen, sind im Brieftext durch Asterisk gekennzeichnet. Die Kommentare bieten grundlegende Erläuterungen zu - fast - allem, was dem Anfänger fremd sein kann, und sind teilweise mit weiterführenden Quellen- und Literaturhinweisen versehen.

Auf diese Weise behandeln Davenport und Manley diverse Themen, die sie anhand verschiedener Briefe inhaltlich auffächern: Dazu gehören das Lehrer-Schüler-Verhältnis und die darüber hinausreichende enge Freundschaft zwischen Fronto und Marc Aurel, welche zunächst an Briefen aus der Zeit bis in die frühen 140er-Jahre exemplifiziert werden, das schwierige Verhältnis zwischen Fronto und Herodes Atticus, dargestellt an Briefen der Jahre 140-142, der Suffektkonsulat Frontos im Sommer 142, ferner Einblicke in private, familiäre Verhältnisse, wie sie sich im Briefwechsel zwischen Fronto und Marc Aurel in der Zeit vor dessen Prinzipatsantritt spiegeln, und sodann unter der Überschrift "Politics and Patronage" Einsichten in das politische und gesellschaftliche Leben der römischen Oberschicht aus demselben Zeitraum. Es folgen Briefe aus der Regierungszeit des Marc Aurel und des Lucius Verus. Dem Partherkrieg unter der Führung des Lucius Verus ist darüber hinaus ein eigenes Kapitel gewidmet, in dessen Zentrum das - wohl nicht verwirklichte - Projekt einer schriftlichen Darstellung dieses Krieges durch Fronto steht. Den Abschluss bilden Briefe, die die Trauer Frontos über den Tod seiner Ehefrau und seines Enkels im Jahr 165 thematisieren.

Mit dieser explizit für Studienzwecke aufbereiteten Quellensammlung richten sich die Herausgeber in erster Linie an "undergraduate students of ancient history in the English speaking world" (VIII) und damit an ein Publikum, dem die Latein- (und Griechisch-) Kenntnisse fehlen, mit den Quellen in der Originalsprache zu arbeiten. Könnten diese vorausgesetzt werden, so wäre es erheblich schwieriger, für die Notwendigkeit einer aufbereiteten Auswahl an Fronto-Briefen wie der hier vorliegenden zu plädieren, zumal es ebenso eine Ausgabe wie einen Kommentar gibt, die wissenschaftlichen Ansprüchen vollauf genügen. [4] Zudem ist eine ältere zweisprachige Fronto-Ausgabe verfügbar [5], die allerdings editionstechnisch überholt ist und deren englische Übersetzung heute als sprachlich antiquiert gilt. Andererseits bieten van den Houts maßgeblicher Kommentar und darüber hinaus vorhandene wichtige Sekundärliteratur [6] den Herausgebern eine auskömmliche Grundlage, für Studienanfänger und andere Einsteiger ihr Thema so zu redigieren, dass dem in Aussicht genommenen Publikum eine Arbeitsgrundlage zur Verfügung gestellt wird, von der aus es sich weiterorientieren kann.

Nach dem Muster der vorliegenden Fronto-Briefauswahl für praktische Studienzwecke aufbereitetes spezielleres Quellenmaterial, das es dem Leser ermöglichen soll, sich auf diese Weise in ein Thema einzuarbeiten, ist im deutschen Sprachraum kaum vorhanden. Dies liegt möglicherweise an einer doch anders geprägten wissenschaftlichen Tradition, vielleicht auch an einem aus sprachlichen Gründen letztlich schmaleren Absatzmarkt. [7] Sympathischer als die Einarbeitung von Studienanfängern in ein begrenztes Thema mithilfe zusammenfassender Darstellungen ohne nennenswerten expliziten Quellenbezug ist der von Davenport und Manley eingeschlagene Weg über die Quellenauswahl allemal; denn er stellt einen primärtextorientierten Zugriff sicher, der einer Ausrichtung auf forschendes Lernen nicht im Wege steht und zum Vergleich von Quellenbefund und Forschungsergebnissen anzuregen vermag. So ermöglichen die Herausgeber am Beispiel einer repräsentativen Auswahl an Fronto-Briefen die Einarbeitung in wesentliche politische, soziale und kulturelle Befindlichkeiten der senatorischen Oberschicht Roms im Umgang vor allem mit dem antoninischen Kaiserhaus, nicht zuletzt aber auch mit ihresgleichen.


Anmerkungen:

[1] Vgl. Marcus Aurelius in Love. Marcus Aurelius and Marcus Cornelius Fronto. Edited, Translated and with an Introduction and Commentary by Amy Richlin, Chicago 2006.

[2] M. Cornelius Fronto: Epistulae. Schedis tam editis quam ineditis Edmundi Hauleri usus iterum edidit Michael P. J. van den Hout, Leipzig 1988.

[3] Marcus Cornelius Fronto: The Correspondence with Marcus Aurelius Antoninus, Lucius Verus, Antoninus Pius, and Various Friends, 2 Bde. Edited and for the First Time Translated into English by Charles R. Haines (= The Loeb Classical Library; Bd. 112/113), London / Cambridge, Mass. 1919/1920.

[4] Vgl. die in Anm. 2 genannte Ausgabe, ferner Michel P. J. van den Hout: A Commentary on the Letters of M. Cornelius Fronto (= Mnemosyne Supplementum; Bd. 190), Leiden / Boston / Köln 1999.

[5] Vgl. Anm. 3. - Eine zweisprachige Fronto-Ausgabe mit deutscher Übersetzung gibt es nicht.

[6] Vor allem Edward Champlin: Fronto and Antonine Rome, Cambridge, Mass. 1980; ferner Anthony R. Birley: Marcus Aurelius. A Biography, London 1993, und eine Anzahl Aufsätze von Amy Richlin.

[7] Vgl. nur das Schicksal der - freilich umfangreichere Themen in den Blick nehmenden - Reihe "Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten Welt", von denen zwischen 1998 und 2002 sieben teilweise vielversprechende Bände erschienen sind, die Darstellung, Quellenauswahl in deutscher Übersetzung und Quellenkommentar miteinander kombinierten und deren Erscheinen nach wenigen Jahren eingestellt wurde.

Ulrich Lambrecht