Rezension über:

John Bergsagel / David Hiley / Thomas Riis (eds.): Of Chronicles and Kings. National Saints and the Emergence of Nation States in the High Middle Ages (= Danish Humanist Texts and Studies; Vol. 52), Kopenhagen: Museum Tusculanum Press 2015, 335 S., ISBN 978-87-635-4260-9, EUR 54,00
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Rezension von:
Stefan Samerski
Ludwig-Maximilians-Universität München
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Stefan Samerski: Rezension von: John Bergsagel / David Hiley / Thomas Riis (eds.): Of Chronicles and Kings. National Saints and the Emergence of Nation States in the High Middle Ages, Kopenhagen: Museum Tusculanum Press 2015, in: sehepunkte 17 (2017), Nr. 9 [15.09.2017], URL: https://www.sehepunkte.de
/2017/09/29081.html


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John Bergsagel / David Hiley / Thomas Riis (eds.): Of Chronicles and Kings

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Der ausladend formulierte Titel des Sammelbandes, der auf ein internationales Symposium in Kopenhagen im Oktober 2012 zurückgeht, verleitet zu der Annahme, dass hier der breite Horizont der Nationalpatrone - oder besser gesagt der mittelalterlichen Landespatrone (!) - thematisiert wird. Von Nationalstaaten und -patronen lässt sich begrifflich erst im 19. Jahrhundert sprechen; auch der Terminus "patriotism", der im einleitenden Essay (Eric Christiansen) als thematisches Bindeglied für die einzelnen Beiträge vorgestellt wird, klingt selbst für englisch sprechende Leser problematisch (11). Ohne Zweifel ist die Gesamtthematik, Landespatrone im kollektiven Gedächtnis einer natio und darüber hinaus in komparativer Herangehensweise darzustellen, immer noch eine lohnenswerte Forschungsaufgabe.

Hier gilt es aber zu differenzieren, denn zum einen war nicht jeder hochmittelalterliche Heilige, zu denen nicht einmal alle in dem Sammelband Behandelten zählen, beispielsweise Mildred aus dem 7. Jahrhundert, mit staatlichen Repräsentationsfunktionen betraut, zum anderen lässt sich spätestens seit den Arbeiten von Tibor Klaniczay u.a. eine eigene Gruppe von Königsheiligen finden (vgl. den Beitrag von Sigbjørn Olsen Sønnesyn), die mit Staatsgründung und Außenabwehr sowie mit Christianisierung und Kultivierung des Landes in enge Verbindung gebracht wurden und somit von der herrschenden Dynastie und/oder dem Kirchenvolk als Schlachtenhelfer und Schutzheilige verehrt wurden (Wenzel von Böhmen, Stephan von Ungarn, Erik von Schweden, Olaf von Norwegen etc.). Solche späteren Nationalpatrone hingen im europäischen Mittelalter häufig an der Herrscherdynastie und verschwanden teilweise mit deren Ausscheiden im Dunkel der Geschichte (Mauritius, Martin etc.). Das wären mögliche Referenzgrößen für einen komparativen Ansatz gewesen, den der eher enigmatische Titel des Werkes konzeptionell nahe legt. Die Kreuzfahrerproblematik stiftet in diesem methodischen Kontext eher Verwirrung (Kurt Villads Jensen).

Tatsächlich kreist der Sammelband rein quantitativ und der Intention der Herausgeber nach um Knud Lavard († 1131), Herzog von Dänemark. Er hätte während des langanhaltenden Bürgerkrieges gute Aussichten auf den Königsthron gehabt, wurde dann aber von seinem Vetter Magnus umgebracht, sodass schließlich sein Sohn Waldemar I. (1157-1182) den Thron bestieg. Die kultische wie staatlich-repräsentative Erinnerungsfigur ist bis heute im kollektiven Gedächtnis der Dänen erhalten geblieben. Aber schon im Hochmittelalter strahlte Knuds kultische Bedeutung weit über den Nord/Ostseeraum hinaus - viel weiter, als der Sammelband den Eindruck vermittelt. Mit diesem ist nicht zu verwechseln König Knud IV. von Dänemark (1080-1086), der ebenfalls ermordet, rasch popularisiert und bald auch über Dänemark hinaus verehrt wurde (Roman Hankeln). Spätestens hier wird deutlich, wie inhomogen der Sammelband angelegt ist - nicht nur inhaltlich und chronologisch, sondern auch formal: Neben den mehrheitlich wissenschaftlich ausgearbeiteten Beiträgen findet sich auch ein Essay. Dem komparativen Ansatz der Tagung und des vorliegenden Sammelbandes genügen die vergleichenden Beiträge über Thomas von Canterbury (John Toy), Erik von Schweden (Ann-Marie Nilsson) und einige recht lokale Größen (Oswin of Northumbria; David of Wales; Mildred of Kent), deren kultischer Einzugsbereich lediglich - wie bei den meisten Heiligen - regionale Bedeutung hatte und damit die Intention der Herausgeber eher verwischen als unterstreichen. Als materielle Grundlage der speziellen Einzelforschungen dienen nahezu durchgehend literarische und musikalische Quellen. Gerade Letzteres lässt sich als sehr verdienstvoll hervorheben (David Hiley, John Troy, Ann-Marie Nilsson, Roman Hankeln). Zahlreiche Text- und Musikbeispiele sind in die entsprechenden Beiträge eingearbeitet.

Den Abschluss des Werkes bildet das Programm des Konzertes im Rahmen des Symposions. Trotz der angesprochenen Schwachpunkte wird jeder, der an der Erforschung religiöser Erinnerungsorte (lieux de mémoire) interessiert ist, den Sammelband mit Gewinn lesen. Gerade dem vorliegenden recht disparaten Werk mit seinen oft sehr speziellen Einzelbeiträgen hätte allerdings ein Register zur besseren Erschließung gut getan.

Stefan Samerski