Andreas Flurschütz da Cruz: Hexenbrenner, Seelenretter. Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn (1573-1617) und die Hexenverfolgungen im Hochstift Würzburg (= Hexenforschung; Bd. 16), Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2017, 252 S., 5 Farb-, 14 s/w-Abb., ISBN 978-3-7395-1086-6, EUR 24,00
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Welche Schuld trug der Fürst an den Hexenverfolgungen, die in seinem Territorium stattfanden? Mag diese Frage, geschichtswissenschaftlich betrachtet, etwas platt formuliert sein, stellte sie sich im Jahr 2017 doch sehr konkret anlässlich der Erinnerung an einen Fürstbischof, unter dessen Regierung zahlreiche Frauen und Männer, etwa 300 Personen, als Hexen und Zauberer hingerichtet wurden. Rechtzeitig zum Gedächtnisjahr, das die Diözese Würzburg dem 1617 verstorbenen Julius Echter von Mespelbrunn widmete, erschien die vorliegende Untersuchung in der für eine Entlastung des Fürsten von einer solchen Schuld plädiert wird.
Nicht neu ist die in diesem Zuge vorgebrachte Überlegung, dass frühneuzeitliche Herrschaftspraxis viel weniger vom individuellen Willen des Landesherrn abhing, als in älteren Forschungen postuliert wurde. Zu Recht weist Andreas Flurschütz da Cruz auf Konzepte hin, die längst nicht mehr von der Annahme einer absolutistischen Allmacht des Fürsten im 16. und 17. Jahrhundert geprägt sind. Herrschaft ist vielmehr mit Prozessen des Aushandelns in Verbindung gebracht worden, wobei insbesondere auf die Notwendigkeit der Kooperation mit Machtorganen auf verschiedenen Ebenen und die Suche nach Akzeptanz in der Bevölkerung hingewiesen worden ist. All dies trifft im Kern sicherlich auch auf Julius Echter als Fürstbischof von Würzburg und seine Regierungszeit zu.
Der Autor hat vor diesem Hintergrund versucht, diesem Herrscher in einem Geflecht von äußeren Einwirkungen, die Hexenverfolgungen begünstigten, und Personen, die neben ihm ebenfalls Einfluss auf das Geschehen hatten, Kontur zu verleihen. Wir erfahren, wie sich die "Wetterkapriolen" (57) der sogenannten Kleinen Eiszeit auf einzelne Gebiete im Hochstift Würzburg auswirkten und dass diese eine Zunahme an Hexenverfolgungswünschen aus den Reihen der Untertanen veranlassten. Wir lernen viele Figuren aus dem direkten Umfeld des Fürstbischofs kennen, wie etwa den Hofprediger und geistlichen Berater Dr. Jodokus Wagenhauer (auch: Wagenhauber), der als eifriger Befürworter von Hexenprozessen eingeschätzt wird (96). Im Hinblick auf die weltlichen Regierungsräte des Territoriums wird dargelegt, dass der Fürstbischof diesen in der Regel keineswegs die Regierungsgeschäfte überließ, sondern bestrebt war, in eigener Person zu agieren. In diesem Kontext verwundert die Behauptung, dass Julius Echter nie "an einem Hexenprozess [...] persönlich teilgenommen" (71) habe. Überliefert sind viele Entscheidungen aus der Regierungszentrale über den Fortgang von Verfahren, die auf lokaler Ebene bereits in Gang gesetzt waren. Damit aber war der Fürst, auch wenn er wohl keine Verdächtigen direkt vor Augen gestellt bekam, involviert.
Deutlich wird immerhin: Der Druck aus den Lokalitäten und Regionen im Hochstift Würzburg, Jagden auf Hexen bis zum bitteren Ende durchzuführen, war zeitweilig groß. Dass Julius Echter angesichts derartiger Verfolgungswut, wie behauptet, geradezu "seine eigene[.] fürstliche Position" (59) bedroht gesehen haben muss, klingt etwas überzogen, auch wenn er selbst einmal als Hexer bezichtigt wurde. Nachvollziehbar ist aber die These, dass lokale Beamte ihre Stellungen zu stabilisieren versuchten, indem sie den Forderungen nach einer Ausforschung und Bestrafung von "Unholden", die von Untertanen geäußert wurden, nachkamen. Der Landesherr, der selbst Jurist war, wirkte in diesen Handlungsabläufen nicht als Initiator, sondern als Überwacher der Genauigkeit der Untersuchungen. Dies mag einem Ausufern des Prozessaufkommens längere Zeit entgegengestanden haben. Andererseits versuchte die fürstbischöfliche Regierung zuweilen auch recht skrupellos, Streitigkeiten um Jurisdiktionsrechte in den Randzonen des Territoriums, so etwa mit den Grafen von Castell, durch Hexereiverfahren und Todesurteile auszutragen.
In den letzten beiden Regierungsjahren von Julius Echter nahmen die Hexenprozesse enorm zu. Flurschütz da Cruz sieht, im Gegensatz zu früheren Forschungen, keinen Wandel von einem gegenüber den Verfolgungen eher zurückhaltenden Fürstbischof zu einem aktiv befürwortenden. Vielmehr glaubt er an einen mittlerweile alt und schwach gewordenen Landesherrn, der die Prozesse resignativ geschehen ließ. Letztlich bleibt nach den vorgebrachten Überlegungen dazu jedoch nur zu konstatieren: Dies mag vielleicht sein. Gewissheit haben wir darüber keineswegs.
War katholischer Glaubenseifer im Zuge gegenreformatorischer Politik im Spiel? Man vermisst in dieser Studie eine Auseinandersetzung mit zwei vor nicht allzu langer Zeit erschienenen Monographien, in denen dieser Gesichtspunkt mit Blick auf zwei nicht weit vom Hochstift Würzburg gelegene Fürstbistümer in den Vordergrund gestellt wurde. [1] Stattdessen wird Julius Echter als Anhänger des katholischen Marienkultes beschrieben, ohne dass sich eine klare Verbindung zu den Ansichten des Fürstbischofs in der Frage der Hexenprozesse herstellen lässt. In einem Kapitel, in dem Zusammenhänge von Gegenreformation und Hexenverfolgung dargelegt werden sollen, kommt der Autor im Wesentlichen zum Ergebnis: "Offizielle Protestanten begegnen in den Würzburger Hexenprozessakten kaum" (172). Dass sich in gegenreformatorischen Programmen tridentinischer Prägung der Kampf der katholischen Kirche gegen eine Vielzahl von unterschiedlichen Feinden manifestierte, findet bei den Analysen zu wenig Berücksichtigung.
Kehren wir zur eingangs erwähnten Schuldfrage zurück, die vielleicht besser als eine Frage nach der Verantwortung für das Geschehen gestellt wird. Natürlich ist Andreas Flurschütz da Cruz zuzustimmen, wenn er im Kontext einer Bewertung der Politik des Julius Echter von Mespelbrunn vor den Gefahren anachronistischer Schuldzuweisungen aus der heutigen Perspektive warnt. Man sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass sich bereits die Zeitgenossen des 16. und 17. Jahrhunderts, angestoßen durch die Publikationen von Johann Weyer und anderen Kritikern der Verfolgungen, in einer Diskussion darüber befanden, inwieweit den Obrigkeiten über die grausame Hinrichtung von Menschen, die möglicherweise unschuldig waren, eine Beschwerung ihres Gewissens drohte. Hexenprozesse waren umstritten. Einige Landesherren gingen recht erfolgreich dem Ziel einer weitgehenden Eindämmung nach. Entscheidungen für deren Durch- bzw. Fortführung wurden dagegen bewusst, in Kenntnis von Gegenargumenten, getroffen. Wenn uns heute in einem Gedenkjahr die Anerkennung der Leistungen eines Fürstbischofs nahegelegt wird, auf den etwa Bauwerke zurückgehen, die wir bewundern mögen, haben wir umgekehrt auch die Schattenseiten seiner Regierung schonungslos offenzulegen.
Anmerkung:
[1] Im Hinblick auf das Fürstbistum Eichstätt: Jonathan B. Durrant: Witchcraft, Gender and Society in Early Modern Germany. Leiden; Boston 2007; im Hinblick auf das Fürstbistum Bamberg: William Bradford Smith: Reformation and the German Territorial State. Upper Franconia, 1300-1630. Rochester 2008, hier insbes. 165-185.
Anmerkung der Redaktion:
In einer früheren Fassung der Rezension wurde das besprochene Werk als Dissertationsschrift bezeichnet. Wir haben diesen Fehler korrigiert.
Ralf-Peter Fuchs