Monica Brînzei / Christopher Schabel (eds.): The Cistercian James of Eltville († 1393). Author in Paris and Authority in Vienna (= Studia Sententiarum; Vol. 3), Turnhout: Brepols 2018, 501 S., 5 s/w-Abb., ISBN 978-2-503-58188-0, EUR 85,00
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Als "a relatively obscure period" (1) bezeichnet Christopher Schabel, einer der beiden Herausgeber eines neuen Sammelbandes zu dem Zisterzienser Jakob von Eltville, in seiner Einleitung die Scholastik des späteren 14. Jahrhunderts. Nachdem lange Zeit viele Klischees über diese Phase des vermeintlichen intellektuellen Niedergangs, aber wenig Kenntnis der in ihr entstandenen Texte in Umlauf waren, hat sich die Situation in den letzten Jahrzehnten sukzessive verbessert. Neben bekannten Autoren wie John Wyclif oder Jean Gerson wurde auch den lange Übersehenen größere Aufmerksamkeit zuteil. Abgesehen von einschlägigen Forschungsarbeiten sind es vor allem Editionen, die Weichen dafür stellen, dass eine offenkundig innerhalb der mittelalterlichen Ideengeschichte hinsichtlich der Inhalte wie der zum Erkenntnisgewinn verwendeten Techniken signifikante Periode besser verstehbar wird. Umso erfreulicher ist es, dass der von Monica Brînzei und Christopher Schabel herausgegebene Band nicht nur eine Fülle von Forschungseinsichten zum Sentenzenkommentar des Jakob von Eltville bietet, sondern auch als Ankündigung einer Edition dieses Werkes fungiert. Im Rahmen einer von Brînzei eingeworbenen Förderung durch den European Research Council mit dem Titel "Theology, Education, School Institution and Scholars-network. Dialogues between the University of Paris and the new Universities from Central Europe during the Late Middle Ages", handlich abgekürzt als THESIS [1], wird von insgesamt zehn etablierten und jüngeren Wissenschaftlern eine Edition des Sentenzenkommentars erarbeitet.
Bemerkenswert ist dabei, dass das Projekt auch als Einführung in das Arbeiten mit und Edieren von mittelalterlichen Handschriften für Nachwuchswissenschaftler angelegt war, die nun wiederum unter der Anleitung der beiden Bandherausgeber sowie Alexander Baumgartens an der Texterstellung maßgeblich beteiligt sind und auch im anzuzeigenden Band als Beiträger auftreten. Mit William Courtenay hat man schließlich einen Veteranen der Erforschung der spätmittelalterlichen Scholastik und Gelehrtenkultur hinzugeholt, der im ersten Beitrag des Bandes das Wirken des Jakob von Eltville kontextualisiert, indem er dessen Tätigkeit als Sententiarius in Paris mit anderen Fällen vergleicht und ihn in ein personales Netzwerk einordnet. Ergänzend zu lesen ist der folgende Beitrag von Monica Brînzei, die es unternimmt, eine theologische Debatte des Jahres 1369 zu rekonstruieren, an der Jakob von Eltville mit seinen nicht überlieferten Principia, gehalten zu Beginn seiner Sentenzenvorlesung, beteiligt war.
Die folgenden Beiträge, deren Schwerpunkt auf dem ersten Buch des Sentenzenkommentars liegt, belegen, dass der Zisterzienser als einer der maßgeblichen scholastischen Autoren des späten 14. Jahrhunderts zu gelten hat. Bestätigung findet diese Ansicht schon in der beträchtlichen Zahl von mehr als 20 mittelalterlichen Handschriften, die den Text, der auf die Sentenzenvorlesung zurückgeht, die Jakob von Eltville als Baccalaureus 1369 bis 1370 in Paris hielt, ganz oder teilweise überliefern. Auf inhaltlicher Ebene zeigt eine häufig skrupulöse Textanalyse, wie eng der Kommentar auf zeitgenössische Debatten reagierte und seinerseits weitere Diskussionen befeuerte, wie Ioana Curuţ und Brînzei am Beispiel Wiens nachweisen. Inzwischen darf übrigens als sicher gelten, dass Heinrich von Langenstein, der zwischen 1371 und 1373 in Paris über die Sentenzen las und später in Wien lehrte, in den 1380er Jahren während eines Aufenthalts in Eberbach, wo Jakob von Eltville als Abt amtierte, nicht dessen Kommentar vor den Mönchen vortrug. Annahmen über eine Co-Autorschaft Langensteins, die in der älteren Forschung zirkulierten, gehen auf eine Erfurter Handschrift zurück und sind falsch.
Wie für einen Theologen der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erwartbar, erweist sich Jakob von Eltville in den Beiträgen als ein guter Kenner älterer Autoren, die er intensiv in seinem Werk verwendete, ohne sie, wie in der älteren Literatur häufig zu lesen, einfach nur zu wiederholen. Dies gilt etwa, wie Daniel Coman zeigt, für Anselm von Canterbury, dessen Status als Autorität in dieser Zeit zunehmend wuchs. Wichtig sind natürlich Ordensbrüder wie Johannes von Mirecourt, der in den Beiträgen von Luciana Cioca und Andrew Cuff eine wichtige Rolle spielt, oder, so zeigt Baumgarten, Godescalc de Nepomuk, der 1366/1367 oder 1367/1368 in Paris über die Sentenzen las. Wenn sich der Zisterzienser bei der Frage von Gottes Wissen und seinem Selbstwissen an Thomas von Aquin und anderen Dominikanern orientiert, demonstriert dies Curuţ zufolge, wie sehr man auch mit den Traditionen anderer Orden vertraut war. Eng war die Verbindung der Zisterziensertheologen mit dem Augustinismus. Für Jakob von Eltville waren Alphonso Vargas von Toledo, Gregor von Rimini und Johannes Hiltalingen von Basel von besonderer Bedeutung. Diesen Bezügen gehen Andrei Marinca, Alexandra Anisie und Alexandra Baneu sowie Schabel nach. Alle Beiträge demonstrieren, dass Jakob von Eltville sich bei den verschiedenen Themen, die es im ersten Buch eines Sentenzenkommentars zu behandeln galt, auf der Höhe der Diskussion bewegte. Seine Beiträge erweisen sich als signifikant, wenn man darauf verzichtet, eine moderne Vorstellung von Originalität an sie heranzutragen.
Insgesamt liegt hier ein Band voller Einsichten vor, die in vielen Punkten das Bild bestätigen, das die jüngere Forschung von der Scholastik der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entworfen hat, und es zugleich um neue Aspekte bereichern. Dass die meisten Beiträge im Kontext eines Editionsprojekts entstanden sind, können sie im Positiven wie im Negativen nicht verleugnen: Sie zeichnen sich durch sehr gute Textkenntnis aus, spüren akribisch den Bezügen zwischen dem Kommentar Jakobs von Eltville und anderen Werken nach und rekonstruieren dessen Thesen zu verschiedenen Themen. Mitunter fehlt es aber an einem Willen zur breiteren Kontextualisierung über unmittelbare textuelle und inhaltliche Abhängigkeiten hinaus und dem Mut, nicht jeder Nuance scholastischer Argumentation und jedem philologischen Problem zu folgen. Insofern bieten die durchweg sorgfältig gearbeiteten Beiträge nicht immer ein ungetrübtes Lesevergnügen - viele anregende Informationen halten sie jedoch in jedem Fall bereit.
Jan-Hendryk de Boer