Bettina Braun: Eine Kaiserin und zwei Kaiser. Maria Theresia und ihre Mitregenten Franz Stephan und Joseph II. (= Mainzer Historische Kulturwissenschaften; Bd. 42), Bielefeld: transcript 2018, 309 S., 13 s/w-Abb., ISBN 978-3-8376-4577-4, EUR 39,99
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Nachdem Kaiserin Maria Theresia Jahrzehnte lang in der historischen Forschung unterrepräsentiert geblieben ist, weil die zehnbändige Biographie Alfred Ritter von Arneths aus dem 19. Jahrhundert alle Fragen beantwortet zu haben schien, hat sich das Bild im Umfeld des Jubiläumsjahres 2017 nachhaltig gewandelt. Nicht weniger als drei neue Biographien sind vorgelegt worden, darunter das preisgekrönte historiographische Schwergewicht aus der Feder von Barbara Stollberg-Rilinger. Angesichts dieser hochkarätigen Bestellung des Feldes fragt man sich, was die Mainzer Frühneuzeit-Historikerin Bettina Braun bewogen hat, dieser außergewöhnlichen Herrscherin eine weitere Monographie zu widmen, und ob es ihr gelungen ist, dem Thema noch neue Aspekte und Erkenntnisse abzugewinnen?
Diese Frage lässt sich rundum bejahen, denn die Autorin fügt dem Reigen der Biographien keine weitere hinzu, sondern konzentriert sich klug auf eine zentrale Fragestellung: Wie gestaltete Maria Theresia angesichts der Tatsache, dass sie zwei Mitregenten hatte - bis 1765 ihren Gemahl Franz Stephan, sodann als dessen Nachfolger ihren Sohn Joseph - ihre Herrschaft? Beide Männer standen als römisch-deutsche Kaiser zumindest im Rang über ihr, doch war bekanntlich Maria Theresia die dominierende Herrscherpersönlichkeit der Habsburgerdynastie zwischen 1740 und 1780. Als ausgewiesene Expertin für weibliche Herrschaft im Alten Reich widmet Braun ihre Studie deshalb dem Aufweis der mehr oder minder subtilen Mechanismen, aufgrund derer diese Dominanz zustande kam. So machtbewusst Maria Theresia auch auftrat, als "femme forte" agierte sie dem eigenen Selbst- und Rollenverständnis nach nicht. Vielmehr stellt Braun heraus, wie sehr die Kohabitation und Kooperation der Kaiserin mit ihren beiden Kaisern den Rollenmustern des frühneuzeitlichen "Arbeitspaares" (Heide Wunder) verpflichtet blieb, die hier auf die Herrscherebene projiziert wurde. Ein solches Rollenverständnis war keineswegs singulär, es kennzeichnet vielmehr die Bandbreite weiblicher (Mit)Regentschaft in der Frühen Neuzeit. Insofern bietet Braun also eine exemplarische Studie zu weiblicher Herrschaft.
Gerade bei Maria Theresia aber wurde die Grenze vom Exemplarischen zum Exzeptionellen immer wieder überschritten, und dies macht eben den Reiz dieser Herrscherpersönlichkeit aus: Wenn sie ihre Gestaltungsspielräume definierte, dann folgte sie einerseits durchaus überkommenen Rollenmustern - etwa in Fragen der Religion und Frömmigkeit -, doch musste sie diese als Haupt der habsburgischen Dynastie immer wieder neu interpretieren und gestalten. Dies zeichnet die Arbeit chronologisch nach, doch orientiert sie sich dabei immer auch an exemplarischen Konstellationen der jeweiligen Partner. Schon die Heirat 1736 stand ganz im Zeichen der Markierung von Rangunterschieden, aber auch der Austarierung künftiger Herrscherpositionen. Nachdem Franz Stephan seine lothringischen Stammlande im Zuge des Polnischen Erbfolgekrieges verloren hatte, wurde der Abstand zwischen ihm als eingeheiratetem Mitglied und der Erbtochter der Dynastie nur noch größer. Daran änderte auch nichts, dass er im Jahr nach der Hochzeit mit dem Großherzogtum Toskana entschädigt wurde - Franz Stephan blieb faktisch ein Gemahl ohne eigene Hausmacht. Immerhin konnte er bei der gemeinsamen Reise mit Maria Theresia nach Florenz 1739 anlässlich der Inbesitznahme des neuen Territoriums seinen Rang als souveräner Fürst auch gegenüber der Gattin partiell demonstrieren, wenn er als zeremonielle Hauptfigur agierte und gelegentlich sogar den ranghöheren Sitz zur Rechten einnehmen durfte.
Mit der Regierungsübernahme Maria Theresias in der Habsburgermonarchie 1740 blieb jedoch diese Konstellation ephemer. Anhand ihrer Krönungen zur ungarischen und böhmischen Königin lässt sich deutlich machen, dass das Zeremoniell nunmehr für den Gemahl nur noch die Rolle eines "Zaungastes" vorhielt - Maria Theresia wurde nicht als Gemahlin eines Königs, sondern wie die bisherigen Könige von Ungarn gekrönt und damit in die Nachfolge der Landesherren gestellt. Der Titel einer Königin von Ungarn blieb ihr ranghöchster Titel, auch nachdem Franz Stephan 1745 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gewählt wurde. An der innerdynastischen Balance änderte sich damit nichts, verdankte Franz Stephan seine Wahl doch allein der Hausmacht seiner Frau. Erneut wurde dies bei den öffentlichen Krönungsfeierlichkeiten in Frankfurt zeremoniell vorexerziert: Bewusst ließ sich Maria Theresia nicht zur Kaiserin krönen, nahm jedoch als Zuschauerin an den entsprechenden Feierlichkeiten teil. Jegliche Teilnahme am eigentlichen Zeremoniell aber vermied sie bewusst, denn dieses hätte ihr nur eine nachgeordnete Position geboten.
Einmal mehr zeigt sich das Zeremoniell als subtiles Zeichensystem, dass flexibel die jeweiligen Rangverhältnisse anzuzeigen vermochte - weshalb man bei Rangaporien dann auch darauf verzichten konnte. Braun versteht es nicht zuletzt aufgrund der Erschließung bislang ungenutzter Zeremonialakten meisterhaft, dieses Zeichensystem zu analysieren und damit auch die Diskussionen um Rang und Macht der Zeitgenossen nachvollziehbar zu machen - denn auch hier war das Zeremoniell "Verfassung in actu".
Das Wirken eines herrschaftlichen Arbeitspaares aber wird eher im täglichen Vollzug der Regierungstätigkeiten nachvollziehbar. Vor allem im ersten Jahrzehnt funktionierte die Mitregentschaft Franz Stephans in der Habsburgermonarchie im Sinne eines Arbeitspaares gut (67), ablesbar vor allem an der gemeinsamen Teilnahme und am wechselnden Vorsitz in der "Gemeinsamen Konferenz", dem Herzstück des habsburgischen Regierungs- und Entscheidungsapparates. Unverkennbar ist jedoch, dass sich die Vorstellungen einer funktionalen Arbeitsteilung, die Franz Stephan beispielsweise die männliche Domäne des Militärs überließ, nicht verwirklichen ließ, weil der Gemahl wie auch dessen Bruder Karl Alexander die Rolle des Oberbefehlshabers nicht auszufüllen vermochte. Im Siebenjährigen Krieg verdrängte denn auch der von Maria Theresia protegierte Graf Daun den Kaiser in Militärfragen endgültig in die zweite Reihe. Nichts anderes ereignete sich in der Außenpolitik, wo die Installierung des Grafen Kaunitz an der Spitze der Staatskanzlei 1753 der Kaiserin den außenpolitischen Systemwechsel ermöglichte, den Franz Stephan ablehnte. Auch in der Familienpolitik, namentlich der Verheiratung oder Nichtverheiratung der 16 gemeinsamen Kinder, hatte eindeutig Maria Theresia als Oberhaupt des Hauses das letzte Wort (183). Wenn also Interessenkonkurrenzen innerhalb des Arbeitspaares auftraten, dann setzte sich letztlich nahezu ausschließlich Maria Theresia durch.
Als 1765 Franz Stephan starb und der gemeinsame Sohn Joseph an seine Stelle trat, blieben die Rahmenbedingungen einer Mitregentschaft gewahrt. Aus Sicht des erneut kaiserlichen Nachfolgers war es freilich höchst problematisch, dass die Mutter offensichtlich die Bedingungen männlicher Mitregentschaft so sehr internalisiert hatte, dass sich an seiner Rolle wenig änderte - und dass viele Konstellationen noch einmal durchgespielt wurden. In der Familienpolitik agierte weiterhin die Mutter als Familienoberhaupt, sie bestimmte als "Mutter von neun Waisen" deren Verheiratung und dynastische Platzierung oder Versorgung. Selbst bei der Führung als genuin männlich konnotierter Domänen musste Joseph nicht anders als sein Vater die Erfahrung machen, dass Maria Theresia als letzte Entscheidungsinstanz wirkte. Hofkriegsratspräsident Lacy etwa führte stets eine separate Korrespondenz mit ihr, und im sogenannten bayerischen Erbfolgekrieg 1778 setzte sie am Sohn vorbei - der ähnlich dem Vater die Rolle des Oberbefehlshabers nur unzureichend ausfüllte - Friedensverhandlungen mit Friedrich II. durch. Vielleicht wäre das von Braun gezeichnete Bild der die Familie dominierenden Mutter etwas stärker abschattiert worden, wenn die Kooperation mit männlichen Ministern systematischer ins Tableau weiblicher Herrschaft einbezogen worden wäre. Zwar war Maria Theresia auch hier Meisterin in der Instrumentalisierung ihrer Mitarbeiter, aber zumindest Kaunitz und Daun gelang es ihrerseits, die Herrscherin immer wieder für eigene Zwecke zu manipulieren. Ein Blick auf den großen Kontrahenten Friedrich II., der wie Maria Theresia durchaus um diese Gefahr wusste, zeigt, dass diese Form von Mitherrschaft selbst in monokratischen Monarchien nicht zu kontrollieren war: Auch der Preußenkönig ist schließlich von seinen Beamten immer wieder - und im Alter immer mehr - hinters Licht geführt worden.
Ein umfangreiches verbalisiertes Fazit wird dem Leser vorenthalten. Stattdessen wird dies der Analyse eines "sprechenden" Objekts, des Prunksarkophags Maria Theresia und ihres Gatten, überantwortet. Das ist völlig konsequent für eine Arbeit, die nicht nur die visuelle Evidenz des Zeremoniells für ihre Analyse breit berücksichtigt, sondern in Gestalt der "weiblichen" und "männlichen" Herrschergemächer der Hofburg ein bemerkenswertes Kapitel zur baulichen Repräsentation der komplizierten Herrschaftskonstellation dieser Mitregentschaft bereithält. Auch der Sarkophag zitiert auf den ersten Blick traditionelle Geschlechterverhältnisse, wenn der Kaiser zur Rechten der Kaiserin thront. Aber wenn beide gemeinsam das ungarische Krönungsszepter in Händen halten, verweist dies darauf, dass Franz Stephans Herrschaft letztlich abgeleitet war. Und damit dies auch jedem Betrachter deutlich wird, vermerkt die Inschrift, dass es Maria Theresia war, die ermöglichte, dass die Kaiserwürde wieder dem Haus Habsburg zufallen konnte. Die Interpretation dieser Stilisierung des kaiserlichen Arbeitspaares stellt noch einmal die Stärken des Buches von Bettina Braun heraus: die subtilen Interpretationen von Zeremoniell und Repräsentationsobjekten. Herausgekommen ist ein kluges Buch über Möglichkeiten weiblicher Herrschaft in der Frühen Neuzeit - aber mindestens ebenso sehr auch eines über die Schwierigkeiten männlicher Mitherrschaft.
Horst Carl