Matthew Adam Cobb (ed.): The Indian Ocean Trade in Antiquity. Political, Cultural, and Economic Impacts, London / New York: Routledge 2019, XIII + 237 S., 13 s/w-Abb., ISBN 978-1-138-73826-3, GBP 115,00
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Die Wirtschaftsgeschichte sowohl der griechischen und der römischen Welt als auch der Welt Altvorderasiens genießt in den letzten beiden Dezennien eine ausgeprägte Aufmerksamkeit der Forschung. Gleiches gilt für die Kontakte zwischen den Kulturen dessen, was in der westlichen Optik bzw. aus derjenigen der Altertumswissenschaften die Alte Welt ist. Dieses allgemeine Interesse hat nicht zuletzt auch dazu geführt, dass die (insbesondere) ökonomischen Verbindungen zwischen den Mittelmeerkulturen und den Anrainern an die Erythra Thalassa seit den 2000er-Jahren die immer größere Aufmerksamkeit der Forschung genießen. [1] Generell ist dabei zu beobachten, dass die Forschung sich auch auf diesem Feld von der primitivistischen Orthodoxie der geringen Bedeutung des Handels im allgemeinen und insbesondere des Fernhandels abgewandt hat, wie sie noch in der klassischen Studie von M.G. Raschke vertreten worden war. [2] Hinzu tritt ein größeres Augenmerk der Forschung auf Eurasien als historischem Raum, in dem nicht zuletzt auch und gerade durch den Handel auf den Seidenstraßen verschiedene Kulturen miteinander in Kontakt traten und damit über die ökonomischen Belange hinaus Austauschprozesse initiierten. [3] Darüber hinaus werden in einer sich ändernden Perspektive gerade der Nahe Osten und Zentralasien als Impulsgeber für die Geschichte des Westens in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt [4], wobei nicht zuletzt auch gegenwärtige Entwicklungen eine größere Rolle für das zunehmende diesbezügliche Interesse historischer Forschung spielen mögen. [5]
Der hier anzuzeigende Sammelband ist dementsprechend ein beredter Ausdruck des starken Erkenntnisinteresses historischer Forschung am Indischen Ozean und stellt dabei nicht nur wirtschaftsgeschichtliche Aspekte in den Vordergrund, sondern beleuchtet auch die mit dem Handel einhergehenden Austauschprozesse sowie die Voraussetzungen desselben insbesondere in Indien. Das chronologische Spektrum reicht von 300 v.Chr. bis 700 n.Chr. Dasselbe wird in der Einleitung des Herausgebers (1-14) mit der Abfolge der Etablierung der Makedonischen Reiche nach dem Tode Alexanders, der Etablierung des Maurya-Reiches in Indien, der Entstehung des Xiongnu-Reiches in der Steppe und der Übernahme der Macht durch die Han-Dynastie in China als geeignetem Startpunkt begründet, während der Aufstieg des Islam und die damit verbundenen strukturellen Veränderungen als Begründung für das Ende des Betrachtungszeitraums vereinnahmt werden (3). Über eine solche Periodisierung ließe sich gerade vor dem Hintergrund der politischen Rahmenbedingungen für den Handel trefflich diskutieren, war doch etwa das Maurya-Reich sehr kurzlebig und Indien seitdem bis in die Zeit der britischen Kolonialherrschaft durch Regionalherrschaften geprägt [6] und brachte doch erst die kriegerische Auseinandersetzung der Han mit den Xiongnu und der daraus folgenden Etablierung chinesischer Herrschaft über den Gansu-Korridor intensivere Handelskontakte nach Westen mit sich. [7] Wie dem auch sei, in der Tat ist es dieser Zeitraum, zu dem sich in den einzelnen Beiträgen Ausführungen finden, wobei die Zeit bis 700 n.Chr. in den Beiträgen Beachtung findet, die sich auf Indien kaprizieren. In der Tat ist es jedoch der genannte Zeitraum, der eine Intensivierung des Seehandels mit sich brachte (3).
Der Band ist in drei Teile gegliedert, deren erster sich in vier Beiträgen von M.A. Cobb, L. Gregoriatti, H.P. Ray und F. de Romanis Seefahrt und Handel im westlichen Indischen Ozean widmet (15-113). Cobb selbst betont in seinem Beitrag die Kontinuitäten im Seehandel von der ptolemäischen in die Zeit der Herrschaft des Augustus hinein, die er dementsprechend nicht als einen Schnitt verstanden wissen will, sondern als eine durch größere Nachfrage bedingte Intensivierung des Handels in den in ptolemäischer Zeit gelegten Strukturen (15-51). Gregoriatti zeigt in seinem lesenswerten Beitrag nicht nur die Beteiligung des Parther-Reichs am Seehandel nach Indien, sondern betont auch das politische Interesse einer Kontrolle dieses Handels, der große Einkünfte versprach und somit schließlich direkt durch die parthischen Großkönige in der Charakene kontrolliert wurde (52-72). Besonderes Interesse darf auch der Artikel von Ray für sich beanspruchen, der den seefahrenden Gemeinschaften an der indischen Westküste gewidmet ist, die sowohl die Grundlage für den regionalen als auch für den Überseehandel bildeten. Ray betont die Beteiligung verschiedener Personengruppen am Handel sowie das Fehlen einer eigenen Profession von Händlern, da die handeltreibenden Personen in der Hauptsache anderen Beschäftigungen nachgingen (73-94). De Romanis untersucht die geographischen Beschreibungen der Westküste des Subkontinents im Periplus Maris Erythraei näher und kommt zu dem Schluss, dass dieselben nicht zur Gänze auf der Autopsie des Anonymos beruhen (95-113).
Der zweite Teil mit Beiträgen von R.J. McLaughlin, P. Schneider und F.M. Asher ist den Kulturkontakten auf der Ebene von Personen, Gütern und Gesellschaft gewidmet (115-167). McLaughlin betont ein weiteres Mal die immens hohe Bedeutung der Zolleinnahmen aus dem Indienhandel für das Römische Reich, da dieselben ein Drittel der staatlichen Einkünfte Roms ausgemacht hätten (117-134). P. Schneider demonstriert in einem überaus lesenswerten Aufsatz, wie die Nachfrage nicht nur der imperialen Führungs- und Oberschicht des Imperium Romanum, sondern auch der Mittelschichten zu einer Intensivierung des Handels bzw. zur Entwicklung einer eigenen Berufswelt in Handel und Handwerk führte (135-156). Besonders interessant ist wiederum der Artikel von Asher, der den Aktivitäten von Indern auf dem Gebiet der Seefahrt gewidmet ist. Auch wenn in der indischen Literatur Vorbehalte gegen die Seefahrt geäußert wurden, wurde sie gleichwohl unternommen, wodurch nicht zuletzt die visuelle Kultur Südasiens stark beeinflusst wurde (157-167).
Der letzte Teil mit Beiträgen von F. Mitchell, J.P. Sánchez Hernández und M. Palone ist dann den aus dem Indienhandel resultierenden Einflüssen in der Literatur gewidmet (169-227). Während Mitchell sich mit dem in der Mittelmeerwelt, dem Nahen Osten und Indien gleichermaßen zu findenden Motiv der Entstehung der Welt aus einem Ei und der Rolle des Seehandels bei der Verbreitung dieses Motivs beschäftigt (171-190), betrachtet Sánchez Hernández die Erwähnung von Gütern aus dem Osthandel sowie die Konnotierung ihres Konsums im antiken Roman (191-212). Palone widmet sich schließlich den Routen des Osthandels über Ägypten, die als Setting für die Handlung im griechischen Roman dienen; insbesondere werden dabei auch die erzählerischen Strukturen in ihrer Ähnlichkeit zu vergleichbarer indischer Literatur betrachtet (213-227).
Insgesamt sind die hier versammelten Beiträge sehr heterogen, wobei freilich gleichzeitig ein interdisziplinäres Publikum adressiert wird. Dementsprechend werden sehr unterschiedliche Forschungsinteressen bedient. Eine Stärke liegt jedenfalls darin, dass klassische Altertumswissenschaft und Indologie hier ein gemeinsames Forum haben.
Anmerkungen:
[1] Abgesehen von einer Vielzahl von Einzeluntersuchungen wären an Monographien und Sammelbänden folgende Publikationen zu nennen: G.K. Young: Rome's Eastern Trade. International Commerce and Imperial Policy, 31 BC - AD 305, London / New York 2001; Eivind Heldaas Seland: Ports and Political Power in the Periplus: Complex Societies and Maritime Trade on the Indian Ocean in the First Century AD, Oxford 2010; Raoul McLaughlin: Rome and the Distant East. Trade Routes to the Ancient Lands of Arabia, India and China, London 2010; Raoul McLaughlin: The Roman Empire and the Indian Ocean. The Ancient World Economy and the Kingdoms of Africa, Arabia and India, Barnsley 2014; Frederico de Romanis / Marco Maiuro (eds.): Across the Ocean. Nine Essays on Indo-Mediterranean Trade (= Columbia Studies in the Classical Tradition; Bd. 41), Leiden-Boston 2013; Jørgen Christian Meyer / Eivind Heldaas Seland / Nils Anfinset (eds.): Palmyrena: City, Hinterland and Caravan Trade Between Orient and Occident. Proceedings of the Conference Held in Athens, December 1-3, 2012, Oxford 2016; Eivind Heldaas Seland: Ships of the Desert and Ships of the Sea. Palmyra in the World Trade of the First Three Centuries CE (= Philippika; Bd. 101), Wiesbaden 2016; Kasper Grønlund Evers: Worlds Apart Trading Together. The Organisation of Long-Distance Trade Between Rome and India in Antiquity, Oxford 2017; Matthew Adam Cobb: Rome and the Indian Ocean Trade from Augustus to the Early Third Century CE (= Mnemosyne; Bd. 418), Leiden / Boston 2018.
[2] Manfred G. Raschke: New Studies in Roman Commerce with the East, in: ANRW II 9.2 (1978), 604-1361.
[3] Siehe etwa Barry Cunliffe: 10000 Jahre. Geburt und Geschichte Eurasiens, Darmstadt 2016; Valerie Hansen: The Silk Road. A New History with Documents, Oxford 2017; Craig Benjamin: Empires of Ancient Eurasia. The First Silk Roads Era, 100 BCE-250 CE, Cambridge 2018.
[4] Peter Frankopan: The Silk Roads. A New History of the World, London 2015.
[5] Peter Frankopan: Die neuen Seidenstraßen. Gegenwart und Zukunft unserer Welt, Berlin 2019.
[6] Hermann Kulke: Der Maurya-Staat (4.-2. Jh. v. Chr.): Gesamtindisches Großreich oder Imperium?, in: Imperien und Reiche in der Weltgeschichte. Epochenübergreifende und globalhistorische Vergleiche Teil 1: Imperien des Altertums, Mittelalterliche und frühneuzeitliche Imperien, hgg. von Michael Gehler / Robert Rollinger, Wiesbaden 2014, 503-513, hier 510.
[7] Vgl. nur Benjamin (wie Anm. 3), 94-97 sowie David F. Graf: The Silk Road between Syria and China, in: Trade, Commerce and the State in the Roman World, ed. by Andrew Wilson / Alan Bowman, Oxford 2018, 443-529, hier 458.
Kai Ruffing