Armin Kohnle / Thomas Krzenck (Hgg.): Johannes Hus deutsch. Unter Mitarbeit von Friedemann Richter und Christiane Domtera-Schleichardt, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2017, XXXII + 730 S., ISBN 978-3-374-04165-7, EUR 98,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Thomas Krzenck: Johannes Hus. Theologe, Kirchenreformer, Märtyrer, Gleichen: Muster-Schmidt 2011
Armin Kohnle (Hg.): Das Vermächtnis Kaiser Karls V. Die Politischen Testamente, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2005
Armin Kohnle / Manfred Rudersdorf (Hgg.): Briefe und Akten zur Kirchenpolitik Friedrichs des Weisen und Johanns des Beständigen 1513 bis 1532. Reformation im Kontext frühneuzeitlicher Staatswerdung. Band 1: 1513-1517, bearb. von Stefan Michel, Beate Kusche und Ulrike Ludwig unter Mitarbeit von Vasily Arslanov, Alexander Bartmuß und Konstantin Enge, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2017
Im Juli 2015 erschien in der Prager Zeitung ein Artikel, der dem angeblichen Unmut vieler Tschechen darüber Ausdruck verlieh, dass Johannes Hus im Zuge der "Lutherdekade" in Deutschland zu wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht würde. Hinsichtlich der an eine breitere Öffentlichkeit gerichteten Veranstaltungsfülle der vergangenen Jahre mag diese Kritik durchaus berechtigt sein - wobei freilich diskutabel bleibt, welche Bedeutung Hus und der sogenannten "Vorreformation" für die vor allem mit dem Namen Martin Luthers verbundenen Umwälzungen des 16. Jahrhundert tatsächlich zugerechnet werden kann. Sie gilt aber gewiss nicht für die deutsche Geisteswissenschaft, in der das Interesse an Hus und den von ihm ausgehenden Bewegungen des 15. Jahrhundert ungebrochen groß ist und im Rahmen des Reformationsgedenkens einen erneuten Aufschwung erlebte. Zu bedauern wäre allenfalls, dass die quellennahe Auseinandersetzung mit Werk und Denken des Jan Hus für ein deutschsprachiges Publikum bislang mit erheblichen Hürden verbunden war.
Die nun von Armin Kohnle und Thomas Krzenck vorgelegte Zusammenstellung deutscher Übertragungen einer breiten Auswahl der Schriften Hussens (zuzüglich einiger nicht von ihm selbst stammender Texte, darunter das Exkommunikationsedikt des Prager Erzbischofs, der Geleitbrief Sigismunds und die Verurteilung durch das Konstanzer Konzil) ist dazu angetan, diesem Umstand Abhilfe zu schaffen. In ihr werden zentrale Stücke des ursprünglich in Latein und Alttschechisch verfassten Werkes allen deutschsprachigen Interessierten en bloc zugänglich gemacht. Zwar möchten sich die Herausgeber explizit nicht an ein Fachpublikum richten, sondern "eine Leseausgabe für all diejenigen" bereitstellen, "die sich für Hus interessieren, ohne auf die originalsprachlichen Quellen zurückgreifen zu können" (XXV). Angesichts der Herausforderungen der Ausgangssprachen und der verworrenen Editionslage vieler der enthaltenen Texte steht allerdings zu erwarten, dass der Band auch in akademischen Kreisen dankbar aufgenommen werden wird.
Bei den dargebotenen Übersetzungen handelt es sich teils um originäre Arbeiten der Mitarbeiter - neben den Herausgebern eine Gruppe von 14 Forscherinnen und Forschern -, teils um Bearbeitungen älterer Übertragungen. Den größten Teil der chronologisch geordneten Auswahl machen Predigten, Briefe, Polemiken und theologische Traktate aus, wobei allein auf die zentrale Schrift "Über die Kirche" (De Ecclesia) 220 Druckseiten entfallen. Bewusst ausgelassen sind die vor 1403 entstandenen Universitätsschriften Hussens sowie die "im engeren Sinne gelehrten Arbeiten [...] wie die Bibelkommentare" (XXX). Gerade Letztere werden sowohl in der theologischen als auch in der historischen Vormoderneforschung häufig für verzichtbar gehalten, sie gelten als sperrig und unoriginell. Inwieweit die Dokumentation der "Entwicklung des theologischen Denkens des Johannes Hus" (XXX) unter Ausschluss seines exegetischen Schaffens allerdings Stringenz beanspruchen kann, ist zumindest fraglich.
Jedem Text ist eine kurze Einführung vorangestellt, die den historischen Entstehungskontext erörtert und eine biografische Einordnung liefert. Im schmal gehaltenen Fußnotenapparat sind Allusionen, Paraphrasen und Zitate aus Bibel und Rechtstexten, mittelalterlichen und antiken Schriften aufgelöst und es finden sich dort mitunter für das Verständnis einzelner Passagen notwendige Erläuterungen. Dass Michael Beyer und Hans Schneider als Verantwortliche für den Traktat De Ecclesia "[a]uf Nachweise aus Wyclifs Werken [...] fast ganz verzichtet" (354) haben, ist in Anbetracht der starken textuellen Überschneidungen mit dessen gleichnamigem Werk zwar nachvollziehbar, aber dennoch bedauerlich, hätte die Markierung der Übereinstimmungen doch ein wertvolles Hilfsmittel für weitere Erörterungen der nach wie vor kontrovers diskutierten Frage der Abhängigkeit Hus'scher Ekklesiologie von John Wyclif dargestellt.
Die Qualität der Übersetzungen ist, soweit der Rezensent es beurteilen kann, durchweg sehr hoch, die sprachliche Kohärenz der Texte in Anbetracht einer großen Gruppe von Übersetzern und unterschiedlicher Entstehungsumstände bewundernswert. Dem in der Einleitung formulierten Anspruch der Texttreue werden die Übertragungen vollends gerecht, ohne dafür ihre Lesbarkeit zu opfern - eine Leistung, die gerade bei scholastischen Texten wie dem "Traktat von der Verherrlichung des Blutes Christi" (De sanguine Christi glorificato, übersetzt von Felix Heinz) alles andere als selbstverständlich ist. Dagegen sind kleinere stilistische Eigentümlichkeiten in der Einleitung - so zum Beispiel der etwas inflationäre Gebrauch von Ausrufezeichen - leicht entschuldbar.
Der Band wird sich für die zukünftige Auseinandersetzung mit Johannes Hus im deutschsprachigen Raum sowohl für ein interessiertes Laienpublikum als auch in Forschung und Lehre als unverzichtbar erweisen. Die Beteiligten haben der Hus-Rezeption, der Spätmittelalter- und der Reformationsforschung einen großen Dienst erwiesen.
Christian Hoffarth