Lars-Arne Dannenberg / Mario Müller (Hgg.): Studien zur Stadtchronistik (1400-1580), Hildesheim: Olms 2018, 555 S., ISBN 978-3-487-15564-7, EUR 68,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
Hans Hettler: Preußen als Kreuzzugsregion. Untersuchungen zu Peter von Dusburgs Chronica terre Prussie in Zeit und Umfeld, Bruxelles [u.a.]: Peter Lang 2014
Eduard Mühle (Hg.): Die Chronik der Polen des Magisters Vincentius, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2014
Sébastien Rossignol / Anna Adamska (Hgg.): Urkundenformeln im Kontext. Formen der Schriftkultur im Ostmitteleuropa des Mittelalters (13.-14. Jahrhundert), Wien: Böhlau 2016
Lars-Arne Dannenberg: Das Recht der Religiosen in der Kanonistik des 12. und 13. Jahrhunderts, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2008
Christina Antenhofer / Mario Müller (Hgg.): Briefe in politischer Kommunikation vom Alten Orient bis ins 20. Jahrhundert. Le lettere nella comunicazione politica dall'Antico Oriente fino al XX secolo, Göttingen: V&R unipress 2008
Regionalgeschichtliche Studien zu Städten erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit. Exemplarisch sei hier verwiesen, im Blick von West nach Ost, auf Arbeiten von Manfred Groten (Rheinland), Helmut Bräuer (Mitteldeutschland) und Udo Arnold (Preußen und Livland). Dieser Trend wird gestützt durch die berechtigte Annahme, dass Urbanisierung und Wachstum der Städte Teil von historischen und gegenwärtigen Globalisierungsprozessen sind. [1] Aber nur in unterschiedlichem Ausmaß werden auch Stadtchroniken in solche stadthistorischen Arbeiten miteinbezogen (19).
Der von Lars-Arne Dannenberg und Mario Müller herausgegebene Band konzentriert sich auf den historischen nord- und ostmitteldeutschen Raum: Bremen, Hamburg, Ober- und Niederlausitz, Brandenburg, Böhmen, Sachsen und Schlesien vom Spätmittelalter bis in das 19. Jahrhundert. Seit dem Spätmittelalter traten Chroniken als beliebte deutende Darstellungsform der Stadtgeschichte auf. Der vorliegende Band ist das Ergebnis der 2013 in Bautzen stattgefundenen Herbsttagung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften.
Die Herausgeber eröffnen den Band mit einer Übersicht über die Beiträge. Hiernach führt Susanne Rau mit dem Blick nach Hamburg und Bremen als Referenzfolie sowie mit Überlegungen zur Vernetzung der Städte untereinander in das Thema ein. Sie plädiert für einen Wandel in der Stadtgeschichtsforschung zugunsten eines Fokus' auf die interurbanen Verflechtungen.
Der umfangreiche Abschnitt zur Region der Oberlausitz beginnt mit einem Verzeichnis der handschriftlichen Chroniken der Landstädte in der Oberlausitz von Tino Fröde. Lenka Bobková widmet sich der für die Oberlausitz und Böhmen bedeutenden Zittauer Chronik des Johannes von Guben, wobei sie für eine moderne Neuedition plädiert. Martin Barus beschäftigt sich mit dem Görlitzer Stadtschreiber und Stadtbeamten Johannes Frauenburg (geb. in Danzig) und seiner Stadtgeschichtsschreibung, dem secretarium, einer ausführlichen Geschichtsschreibung zwischen Annalistik und Chronistik. Die Ratsannalen des Johannes Hass aus Görlitz stehen im Mittelpunkt der Betrachtung von Gesine Mierke, die die "Integration von Urkunden, Protokollen, Dokumenten" (128) hin zu einer Konstruktion eines Stadtgedächtnisses hervorhebt. Martin Christ nimmt sich ebenfalls des Johannes Hass an und untersucht dessen Darstellung religiöser Persönlichkeiten am Beispiel Martin Luthers, Huldrych Zwinglis und Johann Tetzels. Ein Abschnitt des Dreißigjährigen Kriegs von 1618 bis 1635/37 steht im Mittelpunkt der fast monografischen Untersuchung von Petr Hrachovec und Jan Zdichynec anhand von Zittauer und Laubaner Chroniken (151-272). Als Desiderat nennen beide die Einbeziehung solcher Chroniken in vergleichende Forschungen zur zeitgenössischen Publizistik. Grit Richter-Laugwitz berichtet über die Bautzener Chronik des Karl Friedrich Techell (geboren 1759), die 2012 nach Bautzen zurückkehrte, restauriert wurde und eine zentrale Quelle zur Stadtgeschichte im 19. Jahrhundert darstellt. Annegret und Steffen Jatzwauk bieten eine formale Erschließung der Budissiner Annalen Techells.
Zwei weitere Beiträge beschäftigen sich mit der Niederlausitz und Brandenburg. Klaus Neitmann präsentiert das Urkundenkopiar der Stadt Beeskow aus dem 15. Jahrhundert, wobei er die Zwischenstellung dieser Chronistik zwischen Huldigung und Privilegienaufzeichnung hervorhebt. Die Entwicklung einer Stadt aus kirchlicher Sicht zeigt Heinrich Kaak in seinem Beitrag zu der seit 1650 entstandenen Prenzlauer Chronik des Pfarrers Christoph Süring auf.
Der Raum Böhmen wird durch die Beiträge von Marie Bláhová und Uwe Tresp vertreten. Bláhová widmet sich der städtischen und bürgerlichen Geschichtsschreibung im Spätmittelalter, wobei sie betont, dass die böhmischen Stadtchroniken zwar von Stadtbeamten stammten, jedoch private Arbeiten gewesen seien. Tresp betrachtet die Chronik der Stadt Elbogen als Argumentationsschrift im Konflikt mit dem Pfandherrn Sebastian Schlick um 1500.
Als nächste Region ist Sachsen mit drei Beiträgen vertreten. Christoph Fasbender präsentiert das reiche Spektrum städtischer Historiografie im spätmittelalterlichen Sachsen und weist auf notwendige Arbeiten im Bereich der Stadtbücher und Notaten hin. Andrea Kramarczyk befasst sich mit dem Chronisten und Humanisten Paulus Niavis (gestorben 1517) in Chemnitz und Bautzen und stellt dessen Bildungsprogramm vor. Jens Klinger präsentiert die Wecksche Chronik im Rahmen der frühen Dresdner Stadtchronistik. Deren Verfasser, Anton Weck (1623-1680), sammelte verschiedenste Nachrichten, Urkunden und Notizen und kompilierte hieraus seine Chronik.
Mit Schlesien beschäftigen sich Gudrun Roth und Roland Czarnecki. Während Roth sich mit Peter Eschenloers lateinischer Historia Wratislaviensis befasst und Ordnungsprinzipien beschreibt, widmet sich Czarnecki dem Namslauer Chronisten Johannes Froben; dessen Chronik umfasst den Zeitraum 1347-1509. Er hebt hervor, dass die Arbeitsweise Frobens und Eschenloers sich hinsichtlich der Kompilation verschiedener Quellen und Gattungen ähnelten.
Trotz des Fehlens eines Registers bildet der Tagungsband ein breites Forschungsspektrum zur Stadtchronistik mit Bezug zum Raum Ostmitteleuropas seit dem Spätmittelalter ab. Auf eine breite theoretische Grundlegung oder Forschungsdiskussion wird weitgehend verzichtet. Der Band ist durch seine große räumliche Weite besonders geeignet, Desiderate der Forschung aufzuzeigen sowie die Erforschung interurbaner Verflechtungen anzuregen. Raus Forderung nach der Erschließung der Stadtchroniken als Quellen für vielschichtige Verbindungen europäischer Städte untereinander sollte neue Forschung, gerade im ostmitteleuropäischen Raum, anstoßen.
Anmerkung:
[1] Vgl. Anja Flade (Hg.): Stadt und Gesellschaft im Fokus aktueller Stadtforschung. Konzepte - Herausforderungen - Perspektiven, Wiesbaden 2015; Dieter Schott: Europäische Urbanisierung (1000-2000). Eine umwelthistorische Einführung, Köln 2014.
Marcus Wüst