Altay Coşkun / David Engels (eds.): Rome and the Seleukid East. Selected Papers from Seleukid Study Day V, Brussels, 21-23 August 2015 (= Collection Latomus; Vol. 360), Bruxelles: Editions Latomus 2019, 512 S., ISBN 978-90-429-3927-1, EUR 84,00
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Altay Coşkun (Hg.): Freundschaft und Gefolgschaft in den auswärtigen Beziehungen der Römer. (2. Jahrhundert v.Chr. - 1. Jahrhundert n.Chr.), Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2008
Altay Coşkun (ed.): Ethnic Constructs, Royal Dynasties and Historical Geography around the Black Sea Littoral, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2021
Altay Coşkun (Hg.): Roms auswärtige Freunde in der späten Republik und im frühen Prinzipat, Göttingen: Edition Ruprecht 2005
Auf Initiative der beiden Herausgeber finden seit einem Vorläufer 2008 und der ersten gezählten Tagung 2010 "Seleukid Study Days" statt. Der vorliegende Band bietet "14 von 22" Vorträgen der fünften Tagung und drei zusätzliche Beiträge. [1] Die Verfasser haben in der seleukidischen Geschichte teils - wie die Herausgeber - einen Namen, teils mögen sie dabei sein, ihn sich zu erwerben. Hatte bereits die Tagung von 2008 dem Niedergang und der Auflösung des Seleukidenreiches gegolten, so geriet diese Ausrichtung in der Folgezeit angesichts anderer Tagungsthemen nicht aus dem Blick und wurde für die fünfte Tagung zum Thema. Die drei nachträglich hinzugefügten Beiträge (zwei davon von einem der beiden Herausgeber verfasst) dienen ebenfalls und besonders intensiv dieser Ausrichtung. Freilich soll man nach dem erklärten Willen der Herausgeber von diesem Band nicht das seit über hundert Jahren sattsam bekannte Schema eines als zwangsläufig angesehenen Nieder- und Untergangs und dazu passend gelieferter, indes nur scheinbar durchschlagender Begründungen erwarten. Herausgeber und Autoren vertreten vielmehr eine abweichende, ja gegenläufige Tendenz: Nach einigen Wirren der Seleukidenherrschaft im 3. Jahrhundert habe Antiochos III. durchaus die Chance der Wiederherstellung des Reiches in seiner anfänglichen Größe und Weite gehabt. Auch nach seiner Niederlage gegen die Römer hätten er und folgende Seleukiden noch über ein großes Reich geboten und auf dieser Basis wiederum ausgreifen oder zumindest den Territorialbestand des Reiches beeinträchtigende Gefahren abwehren können. In Abweichung von der älteren negativen Wertung seien daher nicht die sukzessive Verkleinerung und schließliche Auflösung des Seleukidenreiches, sondern sein vom Frieden von Apameia aus noch mehr als hundertjähriger Bestand zu erklären und von da aus dann nochmals die "komplexen Faktoren des seleukidischen Niedergangs im 2. Jahrhundert" (19) in den Blick zu nehmen. Mit diesem Schauen in beide Richtungen sollen die Schwächen und Stärken des Reiches neu abgewogen werden.
Wie auch in anderen, überregionalen Reichen geltenden Sammelbänden sind die Beiträge teils regional, teils Fallstudien und teils auf allgemeine oder grundsätzliche Gesichtspunkte ausgerichtet. In der Anordnung der Beiträge spiegelt sich der regionale Aspekt in den Abschnitten über "Kleinasien im Übergang von seleukidischer zu römischer Hegemonie" (III.: 277), "Die schwindende Macht der Seleukiden, römische Diplomatie und Judaeas Weg in die Unabhängigkeit" (IV.: 353) und in "Langzeitperspektiven auf Babylonien" (V.: 401) wider. Eingangs werden in "Das Seleukidenreich unter Antiochos III." diverse Gegenstände um diesen Herrscher herum ausgebreitet (I.: 25) und sodann von seiner Niederlage gegen Rom aus in "Nach Apameia: Seleukidische Wiederherstellung und Auflösung im Schatten Roms" (II.: 157) sehr verschiedene, im Wesentlichen die Zeit von Antiochos III. über Seleukos IV. bis Antiochos IV. betreffende Gegenstände ausgebreitet. Sie treffen sich in dem sehr allgemeinen Gegenstand Politik und Ideologie. Fallstudien sind in allen fünf Abschnitten enthalten. Mehrere Teilgegenstände und zugleich grundlegende Aspekte bietet der den Band abschließende, dessen Beiträge indes nicht systematisch aufgreifende, sondern eigenständig konzipierte "Epilog" A. Coşkuns (457).
Coşkun hebt auf drei Größen ab, die den Niedergang des Seleukidenreiches bewirkt, sich zusammengeballt freilich erst seit Alexander Balas verhängnisvoll ausgewirkt hätten: Rom, die Ptolemäer und am schlimmsten die Seleukiden selbst. Mit Coşkuns Ergebnis und den diesem entsprechenden Ansichten der beiden Herausgeber in der "Einführung" (vgl. die Fragen 19) stimmt jedoch die herausragende Position, die ebenfalls die Herausgeber Rom zuweisen, nicht überein. Das wird in drei der fünf Abschnittsüberschriften: "Schatten Roms" (II.: 157), "römische Hegemonie" (III.: 277) und "römische Diplomatie" (IV.: 353) sichtbar und erhärtet sich in Kombination mit dem Buchtitel, in dem "Rom" an erster Stelle platziert ist. Zusätzlich werden in den meisten Beiträgen und bereits in deren Überschriften vor allem solche Aktivitäten und Eingriffe Roms aufgerufen, die bekanntermaßen das Seleukidenreich in seinem politischen Schalten und Walten beeinträchtigt haben. [2]
Der durch diese Herausstellung Roms hervorgerufene verwirrende Eindruck wird durch eine weitere Auffälligkeit verstärkt: Mit dem zweiten Begriff des Buchtitels "Der seleukidische Osten" ist nicht der Osten des Seleukidenreiches benannt. Denn im Band werden östliche und westliche Regionen, letztere sogar deutlich mehr als erstere, thematisiert, und dem Beitrag über "die Wiederbelebung des seleukidischen Expansionismus im Westen" (6.: 173) entspricht kein Beitrag über auch nur einigermaßen Ähnliches im Osten. Vielmehr muss mit "dem seleukidischen Osten" in höchst ungewöhnlichem Gebrauch dieses Ausdrucks der seleukidische Anteil am Osten, gesehen von dem an erster Stelle des Buchtitels stehenden "Rom" aus, gemeint sein. Damit ist Rom und nicht etwa das Seleukidenreich Bezugspunkt des Buchtitels. Kehrt hier eine alte, teilweise monokausal gebrauchte Erklärung für Niedergang und Ende des Seleukidenreiches durch die Hintertür zurück? Der Rezensent kann sich nicht vorstellen, dass Herausgeber und Autoren das gewollt haben. Es bleibt indes das dem erklärten Wollen der Herausgeber konträre Faktum, dass nichts diesen Band so stark zusammenhält wie Rom.
Trotz erfreulicher Lektüreerlebnisse im Einzelnen hat der Rezensent das Buch einigermaßen ratlos beiseitegelegt.
Anmerkungen:
[1] Diese Angabe im Vorwort der beiden Herausgeber (9) mag angesichts der Durchzählung von 15 Beiträgen verwirren. Jedenfalls kommt man nur zusammen mit der von beiden Herausgebern abgefassten "Einführung" in den Gegenstand (11) und dem ebenfalls ungezählten "Epilog" von A. Coşkun (457) auf 15 + 2 = 14 + 3 = 17 Beiträge. Wenigstens die Namen der Verfasser seien in der Reihenfolge ihrer Beiträge hier angefügt: Altay Coşkun (außer 1. auch 12. und "Epilog"; 1. und Epilog nachträglich), Marijn S. Vischer, Eran Almagor, Kyle Erickson, Nicolas Victor Sekunda, Rolf Strootman, Benjamin Scolnic, Richard Wenghofer, Germain Payen (nachträglich), Alex McAuley, Christoph Michels, Edward Dąbrowa, David Engels und Gillian Ramsay.
[2] "Rom" steht in 9 von 15 Beitragsüberschriften: 1. (27), 2. (61), 3. (87), 6. (173), 7. (217), 8. (255), 10. (309), 12. (355), 13. (389) sowie "Epilog" (457, mit letzterem in allen Überschriften der drei Beiträge des Mitherausgebers A. Coşkun). Hinzu tritt "Apamea" als Kürzel für ein sowohl für römische als auch seleukidische Machtpolitik folgenreiches Ereignis in 5 Kapitelüberschriften, davon 2 zugleich mit "Rom": 5. (159), 6. (173), 9. (279), 10. (309) und 11. (333).
Andreas Mehl