Michael Spence: The Late Medieval Cistercian Monastery of Fountains Abbey, Yorkshire. Monastic Administration, Economy, and Archival Memory (= Medieval Monastic Studies), Turnhout: Brepols 2020, 208 S., 18 Farb-, 17 s/w-Abb., ISBN 978-2-503-56771-6, EUR 70,00
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Kurz nach 1133 wurde das englische Fountains als Tochtergründung von Clairvaux in den Zisterzienserorden aufgenommen. Das Kloster liegt in Tallage des Flusses Skell, südwestlich des Ortes Ripon in Nord Yorkshire. Der Standort, obwohl in Krisenzeiten (Civil War und drohender Schotteneinfall in Nordengland) hastig gewählt, gilt als exzellente Entscheidung. Nach Westen hin liegen die Hügellandschaft der Pennine Hills, wo die Mönche große Schafherden hielten und im Osten die für Ackerbau fruchtbare Ebene des Tals von York. Der Beginn der Zisterze ist mit der Abspaltung einiger Benediktinermönche der Abtei St. Mary in York von ihrem bisherigen Ordenshaus und der Suche nach wohlhabenden Gründern für die neue klösterliche Gemeinschaft verbunden. Yorks Erzbischof Thurstan half in Form von Ländereien und Ressourcen im Umfeld seines bischöflichen Eigentums in Ripon.
Den generellen Hintergrund der vorliegenden Klosterstudie bildet die von Burgund ausgehende zisterziensische Reformbewegung des auslaufenden 11. und beginnenden 12. Jahrhunderts. Fountains konnte sieben Tochter- und drei Enkelgründungen aus dem eigenen Konvent heraus realisieren. Mit den Aspekten des Beginns beschäftigt sich das erste Buchkapitel. Mehrfach weist Spence darauf hin, dass Fountains als größte und zugleich reichste Zisterzienserabtei Englands, auch im Vergleich zu den nahe gelegenen "Rivalen" Furness und Rievaulx, stets voraus war. Die schriftliche Überlieferung des Klosters ist gering, dennoch reicher als die anderer Zisterzen Englands. Für den Autor reicht sie aus und ist gut geeignet, sein der Veröffentlichung zugrunde liegendes Forschungskonzept erfolgreich anzugehen. Die Manuskripte enthalten unterschiedliche Informationen, wenige folgen dem gleichen Muster und sind in Leeds (Yorkshire Archive Service), London (British Library) und Oxford (Bodleian Library) aufbewahrt. Das klösterliche Wirtschaftsarchiv besteht aus 17 Manuskripten und circa 400 Urkunden. Innerhalb der Manuskripte finden sich fünf cartularies (Kopialbücher). Mehr als nur 'Beifang', stattdessen reiche Quellefunde mit Informationen über das interne und externe Klosterleben, ergeben sich im Wirtschaftsmaterial. Damit, so der Autor, ist dieser Quellenteil sehr viel objektiver, als dies bei Chroniken oder Biografien der Fall wäre. Den ihn motivierenden "key aspect" für Forschung und Veröffentlichung sieht Spence in der Möglichkeit, das Archivmaterial in die Entstehungs- und Entwicklungszeit zurück zu versetzen und erst dann zu interpretieren. Diesem Ansatz folgt er konsequent, was der Veröffentlichung große Spannung und viel Erkenntnisgewinn bringt.
Im zweiten Buchkapitel, "Fountains in the Long Fifteenth Century", werden Schicksalsschläge und Ereignisse, die das Kloster bedrückten, den materiellen Wohlstand aber auf hohem Niveau hielten, genannt. Jetzt entstand eine klosterinterne Revision der wirtschaftlichen und finanziellen Situation, in Besonderheit des extensiv genutzten Landbesitzes. Denn bereits im Laufe des 12. Jahrhunderts sah sich der Zisterzienserorden heftiger kirchlicher und weltlicher Kritik ob seines wirtschaftlichen Tuns ausgesetzt. Das Generalkapitel von 1157 sah sich gezwungen, Regeln für das Auftreten auf Märkten und wirtschaftliches Verhalten vorzugeben. Die versammelten Äbte formulierten: "Multa de mercatoribus nostris querela est, multa confusio" ("Es gibt großen Unmut über unsere Händler, große Verwirrung") (Canivez, "De nundinis", Statuta).
Kapitel drei stellt den Zusammenhang mit der Veränderung oder Manipulation des archivarischen Gedächtnisses her, wobei deren Gründe zu wenig thematisiert werden. Spence verwendet der Begriff "redaction", wenn er die "kreative" und "textunterdrückende" Bearbeitung älterer Klosterquellen durch die Mönche meint. Dem "President Book of Fountains" ist das vierte Kapitel zugeordnet. Bei ihm handelt es sich um das persönliche Notizbuch des Abtes John Greenwell (1442-1471), in dem eine Vielzahl unzusammenhängender Inhalte, einige davon als "Indexes" bezeichnet, aufgezeichnet sind. Das im englischen Sprachgebrauch gerne als "enigmatic" (geheimniserhellend) bezeichnete Büchlein verweist u.a. auf verschiedene Urkunden Fountains und hilft dem heute Forschenden wie ein Codeschlüssel, die "redaction" anderer Manuskriptteile, von der Veränderung über geschönte Evaluierungen der wirtschaftlichen Lage und Struktur des Klosters bis hin zu den "überarbeiteten" Dokumenten, nachvollziehen zu können. Drei der im President Book enthaltenen "Indexes" sind in der hier besprochenen Veröffentlichung abgedruckt. Das englische President Book erinnert an den zur gleichen Zeit, 1440, in der niedersächsischen Zisterze Reinfeld erstellten "Abtspiegel", ebenfalls ein kleines Buch, das von Abt zu Abt weitergereicht wurde und die Verwaltung der ertragreichen Salzrechte in Lüneburg allein beim Abt und vier Senioren sah, ohne Kenntnis für Bursar und Cellerar (im Klosterhaushalt sollte jährlich eine fiktive niedrige Einnahme als Gewinn aus der Sülze eingetragen werden). [1]
In Kapitel fünf betrachtet Spence einige der von Abt Greenwell praktizierten Vorgehensweisen, durch die er sein Ziel, das Ansehen des Klosters durch Neuinterpretationen bzw. Manipulationen früherer Dokumente und Ereignisse zu steigern, erreichte. Einen weiteren Aspekt der "redactions" belegt in Kapitel sechs ein Inhalt des Hauptteils des President Book. Darin geht es um die wirtschaftliche Kerneinheit des Klosters, das weite Weideland von Craven in Nordwest Yorkshire. Die Analyse setzt sich aus Informationen verschiedener Kopialbücher zusammen und wurde erstellt zu jener Zeit, als die Zisterze nach Wegen suchte, seine wahre Finanzsituation zu verbergen. Zwischenzeitlich verkaufte die Zisterze ihre Schafwolle an italienische Händler in Form von Termingeschäften für Jahre voraus. In Kapitel sieben liefern wesentliche Inhalte der erhaltenen Kartulare die Basis, um ein weiteres, verloren gegangenes Manuskript zu rekonstruieren. Spence nennt es "a forensic approach to Fountains cartularies". Hierzu war es notwendig verschiedene Teile der Kartulare in sechs Anhängen dem Buch beizugeben.
Die vorliegende bemerkenswerte Untersuchung ist aus der Dissertation des Autors entstanden, wesentliche Inhalte und Thesen wurden auf den jährlichen Tagungen des International Medieval Congress in Leeds vorgestellt und diskutiert. Das Buch, so formuliert er selbst, will das Urkunden- und Archivwesen eines Zisterzienserklosters des englischen Nordens darstellen. Dennoch sieht er die eingesetzte Methodologie auf andere Häuser und Orden unterschiedlicher Regionen übertragbar, sofern vergleichbare archivalische Überlieferungen vorliegen, um auf diesem Weg wirtschaftlichen Wandel, sowie soziale und politische Umwälzungen im späten Mittelalter vergleichbar zu erleben. Für die Ordens-, Wirtschafts- und Archivgeschichte bietet die Veröffentlichung viel Neues und eine spannende methodische Herangehensweise. Als Band V der seit 2015 veröffentlichten Medieval Monastic Studies sind das innere und äußere Erscheinungsbild, die bibliografische Qualität und der Index hervorragend. Der Rezensent wünscht der Veröffentlichung große Aufmerksamkeit in der Forschungslandschaft.
Anmerkung:
[1] Klaus Wollenberg: Rezension zu Otto Volk: Salzproduktion und Salzhandel mittelalterlicher Zisterzienserklöster, Sigmaringen 1984, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 48 (1985), 768-770.
Klaus Wollenberg