Torsten Hiltmann / Miguel Metelo De Seixas (eds.): Heraldry in Medieval and Early Modern State Rooms (= Heraldic Studies; Vol. 3), Ostfildern: Thorbecke 2020, 324 S., zahlr. Farbabb., 3 Tbl., ISBN 978-3-7995-1440-8, EUR 65,00
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Torsten Hiltmann: Spätmittelalterliche Heroldskompendien. Referenzen adeliger Wissenskultur in Zeiten gesellschaftlichen Wandels, München: Oldenbourg 2011
Torsten Hiltmann / Laurent Hablot (eds.): Heraldic Artists and Painters. In the Middle Ages and Early Modern Times, Ostfildern: Thorbecke 2018
Torsten Hiltmann: Les >autres< rois. Études sur la royauté comme notion hiérarchique dans la société au bas Moyen Âge et au début de l'époque moderne, München: Oldenbourg 2010
Fest- bzw. Empfangssäle sind Orte, an denen man häufig auf Wappen trifft; einerseits bildeten sie einen Teil ihrer Einrichtung, andererseits aber erteilten sie zugleich Auskunft über ihre Eigentümer und deren Geschichte, ihre Verbindungen und ihre gesellschaftliche Stellung. Wappen in Festsälen waren auch das Hauptthema einer im Jahre 2016 in Münster abgehaltenen Konferenz im Rahmen des Projekts "In the Service of the Crown" [Im Dienste der Krone] in Ergänzung des Projekts "Wappen in der Praxis". In ihrem einführenden Artikel unternehmen die Herausgeber des Konferenzbandes den - gelungenen - Versuch, solche als Verzierungselemente dienende Wappen als Forschungsproblem aufzuzeigen. Sie waren wichtige Bestandteile der Bedeutung dieser Säle. Um sie jedoch richtig einordnen zu können, muss man zunächst die Funktion jener Räumlichkeiten feststellen, in denen sie angebracht wurden, sowie den Träger des Wappens identifizieren. Im Falle der hier beschriebenen Säle stellt sich die Frage nach einer adäquaten Definition des Begriffs "Festsaal, Empfangssaal", worauf die Konferenzteilnehmer mehrfach hinwiesen. Man einigte sich darauf, dass es sich um Räume handelt, die zu unterschiedlichen Festen sowie zum Empfang von Gästen genutzt wurden. Eine Analyse von Wappenprogrammen in Empfangssälen sollte jedoch auch andere Räume im Gebäude berücksichtigen, da nur gemeinsam mit diesen eine fachgerechte Interpretation des jeweiligen Programms möglich ist. Einen Einfluss auf Untersuchungen der Wappenprogramme nimmt zweifelsohne der Erhaltungszustand der Wappenabbildungen selbst. Die Herausgeber des Bands schlagen auf der Grundlage der veröffentlichten Beiträge einige Bestandteile einer Typologie von Wappenprogrammen vor. Diese umfasst - stark abgekürzt - zum einen Wappen als Symbole der Herrschaft und Macht; eine weitere Gruppe von Wappenprogrammen befasste sich mit der Herkunft der Familie. Schließlich trifft man auf Programme, in denen vor allem die Beziehungen zwischen Herrschaft und Untergebenen, Mitgliedern der Familie oder auch Gruppen von Menschen, die im privaten bzw. beruflichen Leben miteinander verbunden waren, thematisiert wurden.
Neben der Einführung umfasst die Veröffentlichung fünfzehn Beiträge, die entsprechend den Orten, an denen die zuvor beschriebenen Wappenprogramme auftraten, gruppiert wurden. Hierbei handelt es sich um königliche und herrschaftliche Schlösser, Ritterburgen, städtische Rathäuser, Patrizierhäuser, Abteien und Kirchen sowie - ergänzend hierzu - Rezeptionen mittelalterlicher Programme des 19. Jahrhunderts.
Königliche Schlösser sollten mit ihrer schieren Größe und Ausstattung die hervorgehobene Stellung der Herrschaft symbolisieren. Wappen von Königen, abgebildet neben Wappen königlicher Güter und Ländereien, symbolisierten die Herrschaft über sie. Wurden Wappen von Königen gemeinsam mit Wappen von Mitgliedern der königlichen Familie abgebildet, deutete dies auf die Entwicklung der Dynastie und ihre weit verzweigten familiären Verbindungen hin. Die vermittelte Botschaft wurde häufig dadurch verstärkt, dass neben den königlichen Wappen Figuren oder Symbole von Heiligen aufgestellt bzw. abgebildet wurden.
Im Unterschied zu den Wappenprogrammen in königlichen Schlössern, die die Macht der Herrschenden hervorheben sollten, dürften die in den Sälen der Sitze von höheren Beamten abgebildeten Wappen deren politische Aspirationen zum Ausdruck gebracht haben.
In Ritterburgen war es indessen nicht immer möglich, Empfangs- und Festsäle eindeutig zu bestimmen, da die Räumlichkeiten private und öffentliche Funktionen miteinander verbanden. Einrichtung und Ausstattung von Burgsälen bildeten nur sehr selten ausschließlich Wappen ab, sondern wurden oft von Porträts und Gemälden von Personen sowie Auf- bzw. Inschriften und Verzierungen begleitet. Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts waren die Wappenprogramme in einen breiteren gesellschaftlichen Kontext unter Berücksichtigung der Beziehungen zwischen Herrschaft und Ländereien eingebettet. Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts begann der genealogische Kontext zu dominieren. Die Wappen der Burgbesitzer wurden dann umgeben von Symbolen abgebildet, die mit Legenden über die Herkunft der Familien verbunden waren, wobei sie Wappenfiguren verwendeten, um sich und ihre Familie darzustellen. Diese Darstellungen konnten internen Charakter aufweisen, d.h. mit Bezügen zu den Familienmitgliedern und Nachfahren, oder nach außen gerichtet sein, als Mitteilung an die Gäste der Residenz. Eine solche "interne" und "externe" Nutzung von Wappen erfolgte aller Wahrscheinlichkeit in vielen Ländern; bislang aber gibt es jedoch kaum Forschungsbeiträge hierzu.
Wie einer der Autoren zutreffend bemerkte, war das mittelalterliche Rathaus ein ganz besonderes "Kommunikationsmedium". Eine Untersuchung der Wappenprogramme in ausgewählten Rathäusern deutscher und englischer Städte ergab, dass man überwiegend Bezug auf historische Symbole und sogar Mythen nahm, sowie auf die jeweiligen Herrscher und Stadtoberen. Figürliche Darstellungen historischer Helden, zwischen denen die Stadtwappen platziert sind, sollten von der Bedeutung der Stadt in der Weltgeschichte zeugen. Wappen der Stadtherrschaft an den Wänden der Rathaussäle symbolisierten am häufigsten den König oder Bischof als Eigentümer der Stadt, konnten aber ebenso mit den von konkreten Herrschern der Stadt verliehenen Privilegien verbunden sein. Die Wappen von Bürgermeistern symbolisierten indessen die Kontinuität ihrer Herrschaft und Aktivitäten als Teil der Stadtgeschichte.
Wappenprogramme in Bürgerhäusern bildeten die Wappen ihrer Eigentümer, umgeben von den Wappen befreundeter Familien, Gilden sowie realer oder fiktiver Verbündeter, ab. In den Empfangsräumen dargestellte Landeswappen, zuweilen von Ländern, die es gar nicht gab, sollten auf die weit verzweigten Kontakte der Familie verweisen oder an einen vermeintlichen Besuch von Landesherrschern in ihrem Hause erinnern.
Untersuchungen der Wappenprogramme in südfranzösischen Patrizierhäusern gelangten - ähnlich wie auch in anderen Ländern - zu dem Ergebnis, dass die in den Empfangsräumen dargestellten Wappen vor allem den Besuchern dieser Häuser die Bedeutung der Familie aufzeigen sollten. Die Umsetzung eines solchen Programms konnte zugleich darauf beruhen, das Wappen an exponierten Orten im Hause, wie an Balken oder der Zimmerdecke, anzubringen. Ein solches Wappen konnte zudem mehrere Male wiederholt werden, um die Kontinuität des Familienstammbaums zu symbolisieren.
Auch die Innenräume von Kirchen und Klöstern wurden mit Abbildungen von Wappen verziert. Wurden die Gebäude zerstört oder umgebaut, konnten Forscher wiederum den Versuch unternehmen, auf der Grundlage der erhaltenen Bestandteile das jeweilige Wappenprogramm zu rekonstruieren. So konnte zum Beispiel ein Wappenprogramm rekonstruiert werden, das auf den französischen König Bezug nahm, dessen Wappen an zentraler Stelle gemeinsam mit dem Wappen des Königreichs von Kastilien-León abgebildet wurde, womit seine Beteiligung am Konflikt um den Thron Kastiliens zum Ausdruck gebracht werden sollte. In diesem Falle kam das in einem Klostersaal abgebildete Ensemble von Wappen einem politischen Manifest gleich. Im selben Kloster wurden im benachbarten Empfangssaal das Wappen des Königs von Frankreich und der örtlichen Ritterschaft abgebildet, womit ein Wappenprogramm entstand, welches die Loyalität gegenüber dem Herrscher symbolisierte. Eine solche Zusammenstellung unterschiedlicher Wappen in Kirchen diente ebenso dem Gedenken oder der Erinnerung an bestimmte Ereignisse. So sollte ein nicht erhalten gebliebenes Wappenprogramm aus dem 18. Jahrhundert an Ritter erinnern, die 1356 in der Schlacht von Poitiers gefallen waren. Untersuchungen ergaben jedoch, dass neben diesen Wappen gefallener Ritter auch Wappen von Personen abgebildet wurden, die in späteren Jahrhunderten mit Poitiers verbunden waren. Kirchen waren schließlich jene öffentlichen Orte, an denen viele Menschen zusammenkamen, womit die jeweiligen Wappenprogramme und ihre symbolische Botschaft auf eine große Zielgruppe trafen. Auf eben diese Besonderheit der Informationsvermittlung über in Kirchen abgebildete Wappen machte der Autor des Beitrags über Wappen in den Kirchen Brabants und Flanderns aufmerksam. Niederländische Kirchen - ähnlich wie auch Kirchen in anderen europäischen Ländern - sind voller Abbildungen unterschiedlichster Wappen. Bezug nahmen sie auf Krönungszeremonien, gewonnene Schlachten sowie Besuche und Begräbnisse von Herrschern. Ebenso konnten sie an Mitglieder eines Ritterordens, an Gilden und Zünfte sowie Stadtobere anknüpfen. Die Symbolik all dieser Programme berief sich dabei auf die Beziehung der Träger jener Wappen mit und zur "Heiligkeit", was zugleich den Kirchenbesuchern dargeboten wurde.
Die von den Autoren der Beiträge beschriebenen Untersuchungen der Wappenprogramme nehmen auf die Mitteilungen Bezug, die die Hausherren ihren Besuchern zu vermitteln wünschten. Leider ist es sehr schwer, von einem Historiker eine Antwort auf die Frage zu erlangen, wie diese in den Wappenprogrammen zum Ausdruck gebrachten Botschaften denn aufgenommen wurden. Sicherlich wird dies Gegenstand künftiger Forschungen, ebenso bezugnehmend auf Empfangssäle, sein.
Wojciech Strzyżewski