Kevin Ruane / Matthew Jones: Anthony Eden, Anglo-American Relations and the 1954 Indochina Crisis, London: Bloomsbury 2021, XI + 337 S., eine Kt., ISBN 978-1-3500-2119-8, GBP 28,99
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Holger Nehring: Politics of Security. British and West German Protest Movements and the Early Cold War, 1945-1970, Oxford: Oxford University Press 2013
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Who lost China? Der Sieg der Truppen Mao Zedongs über die Nationalisten Chiang Kai-sheks 1949 sandte Schockwellen durch das außenpolitische Establishment der Vereinigten Staaten und rief einen bis dato eher unauffälligen Senator aus Wisconsin, Joseph McCarthy, auf den Plan. Die von McCarthy entfachte Paranoia zielte auf die Entlarvung jener Amtsträger, die - angeblich oder tatsächlich - durch Geheimnisverrat und Unterwanderung amerikanischer Institutionen der Sowjetunion zugearbeitet hatten. Dass nicht die Verbündeten Amerikas, sondern Maos Kommunisten siegreich in Peking einmarschiert waren, konnten sich viele nur als Ausfluss verräterischer Umtriebe erklären, die den Westmächten an der asiatischen Front des Kalten Kriegs eine schwere Niederlage beibrachten. Dieser Kontext kommt in der ansonsten exzellenten Analyse Kevin Ruanes und Matthew Jones' zu kurz, die angetreten sind, "to recall another Eden" (4). Anthony Eden wird meist nur als jener Premierminister erinnert, der mit der halsbrecherischen Suez-Operation 1956 nicht nur seinen Ruf als versierter Außenpolitiker ruinierte, sondern auch den britischen Weltmachtstatus endgültig den Geschichtsbüchern übereignete. Ruane und Jones zeigen am Beispiel der Genfer Indochinakonferenz 1954, die - zynisch betrachtet - das Scharnier zwischen dem französischen und amerikanischen Vietnamkrieg bildete, Edens Geschick bei dem diplomatischen Balanceakt zwischen britischen Interessen und den Ansprüchen der anderen Mächte, wobei sich US-Außenminister John Foster Dulles als härtester Widersacher entpuppte.
Großbritanniens Außenminister Eden und Premierminister Winston Churchill fürchteten amerikanische Alleingänge in Asien, die im Zeichen des New Look fast zwangsläufig in einen Atomschlag gegen die Volksrepublik China münden mussten. Seinem Naturell zuwider avancierte Churchill zum "catalytic agent" (53), der sein Desinteresse an den Vorgängen in Ostasien überwand und London zum Angelpunkt der Verhandlungen über ein Ende des ersten Vietnamkriegs machte. Großbritannien erhoffte sich dreierlei: China durfte nicht in Vietnam einfallen, denn dies hätte die Eisenhower-Administration als Startschuss für einen atomaren Konflikt interpretiert; das kriegsmüde Frankreich sollte Vietnam nicht Hals über Kopf ver- und den kommunistischen Vietminh überlassen; und die USA sollten Frankreichs Kampf weiter finanziell unterstützen, ohne ihre Zuwendungen für das fiskalisch klamme Vereinigte Königreich zu kürzen. Dass Frankreich seinerzeit noch auf einen Sieg setzte, bewerten Ruane und Jones als "a ruse, not an objective" (64), zumal es sich von den Vietminh in die Falle von Dien Bien Phu locken ließ. Gleichzeitig strebte London - anders als die Falken in Washington - pragmatische Beziehungen zu Maos Reich an und vertraute auf Risse im Verhältnis Pekings zu Moskau, die früher oder später aus der allen ideologischen Bruderschwüren zum Trotz stark nationalistischen Gesinnung Chinas resultieren müssten. Hinter vorgehaltener Hand begrüßte man im britischen Außenamt eine Teilung Vietnams als einzig gangbaren Rückweg aus der militärischen Sackgasse, während Eisenhower einen Dominoeffekt in Asien befürchtete, an dessen Ende sogar Japan "via politico-economic osmosis" (106) in die chinesische Einflusssphäre driften könnte. Dulles suchte unterdessen unverdrossen eine Koalition der Willigen zu schmieden, biss sich aber an Australien und Neuseeland die Zähne aus, da beide Commonwealth-Staaten das alte Mutterland nicht vergraulen wollten, obwohl sie die sicherheitspolitische Abhängigkeit von den USA klar vor Augen hatten. Einem kollektiven Verteidigungspakt für Asien konnte Eden indes allenfalls zustimmen, sofern er der UN-Charta entsprach, in Asien über ein gewisses Maß an Zustimmung gebot und nicht allein als findiges Instrument der USA zur Bereinigung der Situation in Vietnam daherkam. Doch unter dem Eindruck des "persistent nuclear buzz in US policymaking circles" (139) waren diese Bedingungen kaum erfüllbar.
Auf der Konferenz in Genf erwies sich ausgerechnet Wjatscheslaw Molotow als hilfreicher Troubleshooter, was Edens Ansehen in Washington nicht aufhalf, sondern den - unhistorischen - Vorwurf eines neuen "Locarno" sowie eines britischen Vetos über die US-Sicherheitspolitik heraufbeschwor. Bis zum Fall von Dien Bien Phu im Mai 1954 war Frankreich "torn between getting on and getting out" (167). Nun wurden die schlimmsten Albträume des Westens Wirklichkeit. Allerdings erkannten Molotow und Zhou Enlai auch die Sollbruchstellen im kommunistischen Lager und drängten die Vietminh zu Konzessionen. Ruane und Jones beurteilen die Wasserstoffbombe, die wie ein Menetekel die Konferenz überschattete, als "ideology diluter" (215), was freilich dem Druck Washingtons zugerechnet werden müsste, den die Autoren eigentlich durchweg als nahezu infantil bagatellisieren. Die Teilung Vietnams als "Cold War default solution for vexed territorial problems" (253) und die Unabhängigkeit Laos' und Kambodschas wurden aber insgeheim selbst in den USA für vertretbar befunden.
Im Nachgang zur Konferenz blieben zwei Probleme. Zum einen errangen die USA die britische Kooperation beim Verteidigungsbündnis SEATO, das nicht mehr als ein "multilateral screen for any unilateral US intervention" (234) gewesen sei. Zum anderen musste London fassungslos zur Kenntnis nehmen, dass Washington nach kurzem Zweifel in Südvietnam Ngo Dinh Diem und dessen katholischer Entourage den Rücken stärkte, obwohl der starke Mann der Nationalisten Frankreich demütigte und die in Genf versprochenen freien Wahlen für ganz Vietnam torpedierte. Dass Dulles Dien Bien Phu als Glück im Unglück charakterisierte, provoziert Ruane und Jones zu der lakonischen Einschätzung, dass retrospektiv Frankreich der Glückspilz war.
Beide Autoren betrachten die Indochinakonferenz als letzte Sternstunde britischer Diplomatie bei der Lösung einer gravierenden Krise in einer Hochphase des Kalten Kriegs. Ihre abschließende Analyse kreist deshalb um die Frage, in welchem Zusammenhang das stolze Ergebnis der Konferenz in Edens annus mirabilis 1954 mit dessen persönlichem und staatspolitischem Debakel der Suez-Expedition von 1956 steht. Sie schlagen sich auf die Seite jener, die für eine Entkopplung beider Ereignisse plädieren, also keine nachträgliche Rache der Eisenhower-Administration für die kompromissbereite Linie Londons vermuten, sondern Eden - auch vor dem Hintergrund gesundheitlicher Probleme - mangelnde Urteilskraft und eine selektive Wahrnehmung der Signale aus Washington attestieren. Der trügerische Analogieschluss von Nasser auf Hitler tat ein Übriges, Eden auf die abschüssige Bahn zu bringen.
Ruane und Jones betten ihre Analyse präzise in den Kontext des Kalten Kriegs in Asien ein, wählen den Ausschnitt aber etwas zu eng und tun den McCarthyismus als Schnurre sicherheitspolitischer Extremisten ab. Ihre Argumentation durchzieht so subkutan das zeitgenössische Gedankenkonstrukt der britischen "Griechen", die die vergleichsweise ungehobelten amerikanischen "Römer" kultivierten und in der Kunst der Weltpolitik unterwiesen. Dies mindert indes nicht das Verdienst der Autoren, die eine Konfliktkonstellation herauspräpariert haben, zu der sich aktuell verschiedene Parallelen aufdrängen: Was nach 1949 die Who-lost-China-Debatte war, spiegelt sich heute beispielsweise in der Kontroverse über den Beitritt der Volksrepublik zur WTO 2001 wider, den nicht nur Trumpisten als Steilvorlage für den chinesischen Expansionismus ansehen, welcher zuvörderst in Ländern wie Vietnam erneut Stellvertreterkonflikte befeuert.
Gerhard Altmann