Victoria Zimmerl-Panagl (ed.): Ambrosius Mediolanensis. Orationes funebres I. In psalmum 61 / De obitu Gratiani. De consolatione Valentiniani / De obitu Valentiniani. De obitu Theodosii (= Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum (CSEL); Bd. 106), Berlin: De Gruyter 2021, XII + 263 S., ISBN 978-3-11-074719-5, EUR 102,95
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The Chronicle of Constantine Manasses. Translated with Commentary and Introduction by Linda Yuretich, Liverpool: Liverpool University Press 2018
Pierre Maraval : Les Fils de Constantin, Paris: CNRS Éditions 2013
Jacob Burckhardt: Die Zeit Constantin's des Großen. Herausgegeben von Hartmut Leppin, Manuela Keßler und Mikkel Mangold unter MItarbeit von Ernst Ziegler, München: C.H.Beck 2013
Dies ist der erste Teil einer auf zwei Bände angelegten Edition der Leichenreden des Ambrosius. Während der von derselben Herausgeberin bearbeitete zweite Band, der die Rede De excessu fratris enthalten wird, für den Juni dieses Jahres angekündigt ist, enthält der erste neben den naheliegenden Kandidaten, nämlich den Reden auf die verstorbenen Kaiser Valentinian II. (73-153) und Theodosius I. (155-243), auch die Auslegung von Psalm 61 (23-71), die nicht nur auf die Ereignisse um den Tod Kaiser Gratians Bezug nimmt, sondern auch teilweise zusammen mit den beiden zuvor genannten Reden überliefert ist. Von allen drei Texten liegen bereits ältere kritische Editionen von Otto Faller bzw. Michael Petschenig in derselben Reihe vor, doch ist die neue Edition durch die deutlich vollständigere Erfassung und Verwertung des handschriftlichen Materials gerechtfertigt.
Nach kurzen allgemeinen Vorbemerkungen (V-VIII) beginnt der Band mit einer eingehenden Liste aller ermittelten Textzeugen (1-21). Die Abschnitte zu den drei Texten sind stets nach demselben Prinzip aufgebaut: Zunächst werden knappe Ausführungen zum historischen Kontext und der Gliederung des Textes geboten (25-26, 75-78, 157-158) - wohl diejenigen Abschnitte, die das größte Interesse von Historikern beanspruchen können (als vielleicht beachtenswertes Einzelergebnis außerhalb dessen notiere ich noch die mögliche Glosse 110 mit Anm. 130) -, dann folgen umfangreichere Darlegungen zu allen erdenklichen Aspekten der Überlieferung (26-52, 78-124, 158-220), zuletzt folgen nach den Siglenverzeichnissen die Texte selbst (53-71, 125-153, 221-243). Hervorzuheben sind die Kapitel zur Texterstellung (47-52, 118-124, 212-220), die in doppelter Hinsicht positiv auffallen: Erstens werden die Abweichungen gegenüber der älteren Edition aufgelistet und sind somit auf einen Blick ermittelbar; zweitens erfolgt zumindest für einen Teil davon (sowie für komplizierte Fälle, in denen der Text der älteren Edition beibehalten ist), eine kurze Begründung, so dass die Hintergründe der Entscheidungen insgesamt gut nachvollziehbar sind. Auf Einzelfragen näher einzugehen, erscheint schon deshalb nicht sehr sinnvoll, da viele der Textstellen, die für Historiker von besonderem Interesse sind, in der gewählten Textgestalt nicht oder nur unwesentlich über die älteren Editionen hinausgehen. Eine eingehendere Beurteilung des deutlich größeren Fortschritts zu Fragen der Überlieferung bleibt jenen vorbehalten, die sich zu diesen Themen deutlich kompetenter äußern können. Aus der Sicht des Althistorikers jedenfalls ist festzustellen, dass der neue Text nicht weniger zuverlässig erscheint als der alte und bereits die aktuellen Einleitungen und die deutlich erweiterten Apparate es ratsam erscheinen lassen, die neue Ausgabe eingehend zu nutzen.
Das Literaturverzeichnis (247-256) ist in seinen Inhalten überdurchschnittlich reich: Unpublizierte Dissertationen (Gleissner) werden ebenso berücksichtigt wie diejenigen Rezensionen der Edition Fallers, die textkritische Stellungnahmen bieten (Pellegrino, Waszink) und auch allgemein ist die Literatur sorgfältig aufgearbeitet. Wo Lücken auffielen, dürften selbige meist plausibel zu erklären sein. Das besonders bedauerliche Fehlen des sechsten Bandes des HLL geht vermutlich darauf zurück, dass dieses Werk zu spät erschien, um noch berücksichtigt werden zu können. [1] Die 247 gebotene Liste der "Texteditionen und Übersetzungen" scheint in der Formulierung ihrer Überschrift ungünstig gewählt zu sein, da es ansonsten verwundern würde, warum gleich zwei Übersetzungen, die in bekannten Reihen erschienen sind, ausgelassen wurden. [2] Was darüber hinaus fehlt, sind meist Titel zum historischen Hintergrund [3], hingegen nur ganz vereinzelt Spezialliteratur zu den herausgegebenen Werken. [4]
Auch sonst ergab sich nicht oft Anlass zu Kritik. Die Zeilenzählung beginnt nicht mit jeder Seite, sondern mit jedem Abschnitt des Textes erneut (was aber in dieser Reihe noch öfter der Fall ist). Im detaillierten Abkürzungsverzeichnis (245-246), das fast schon zu viel bietet (selbst übliche Kürzel wie add., cf., codd., om. und sc. werden erklärt), fehlt allerdings "VetChr" für die Zeitschrift Vetera Christianorum, aus der ein 248 zitierter Aufsatz von Bonamente stammt. Der Registerteil (257-263), der 257-261 Bibelstellen und 261-263 die sonstigen antiken Autoren erfasst, bleibt insgesamt etwas dünn, doch ist denkbar, dass eingehendere und systematische Register im bald folgenden zweiten Band enthalten sein werden. Die ohnehin recht seltenen Druckfehler betreffen Bereiche außerhalb des Textes und sind nicht sehr schwerwiegend.[5] Da in neueren Bänden derselben Reihe mit gewisser Regelmäßigkeit den kritischen Texten nun auch Übersetzungen beigegeben werden [6], hätte sich das auch hier angeboten, um das exakte Verständnis einzelner Textstellen durch die Herausgeberin noch genauer nachvollziehen zu können.
Die Edition von Zimmerl-Panagl ist in zweifacher Hinsicht eine willkommene Bereicherung der Forschung. So bietet sie nicht nur einen auf breiterer Grundlage bearbeiteten und somit deutlich besser erschlossenen kritischen Text von wesentlichen Werken des späten vierten Jahrhunderts, sondern führt auch deutlich vor Augen, dass altertumswissenschaftliche Beiträge von bleibendem Wert nur dann überhaupt möglich sein können, wenn sie auf einer möglichst vollständigen Materialgrundlage beruhen. Gerade in einer Zeit, in der so viel publiziert wird wie noch nie und davon jedoch nur ein Bruchteil den Anspruch erheben kann, einen wirklichen Forschungsfortschritt zu bedeuten, kann man eine solche Edition, die letztlich das Produkt von zwei Jahrzehnten Forschungstätigkeit darstellt [7], nur umso nachdrücklicher begrüßen.
Anmerkungen:
[1] Jean-Denis Berger / Jacques Fontaine / Peter L. Schmidt (Hgg.): Die Literatur im Zeitalter des Theodosius (374-430 n. Chr.), München 2020. Das dort gebotene umfangreiche Kapitel zu Ambrosius (II, 385-504) ist ein Gemeinschaftswerk von Hervé Savon, Michaela Zelzer, Klaus Zelzer und Peter L. Schmidt.
[2] Des heiligen Kirchenlehrers Ambrosius von Mailand Pflichtenlehre und ausgewählte kleinere Schriften, übersetzt und eingeleitet von Johannes Ev. Niederhuber, Kempten 1917, 389-423 (nur die Rede auf Theodosius); Funeral orations by St. Gregory Nazianzen and Saint Ambrose, Washington D.C. 1953, 261-332 (die Reden auf Valentinian und Theodosius, beide Übersetzungen von Roy J. Deferrari).
[3] Joachim Szidat: Usurpator tanti nominis, Stuttgart 2010; Joachim Szidat: Historische Fiktion bei Zosimus: Der Tod Valentinians II., in: Historia 61 (2012), 368-382; Fabian Schulz: Ambrosius, die Kaiser und das Ideal des christlichen Ratgebers, in: Historia 63 (2014), 214-242. Von den Rezensionen der Edition Fallers hätte sich noch die Nennung derjenigen von Jean-Rémy Palanque, in: Revue d'histoire ecclésiastique 53 (1958), 92-93 angeboten, in der auf Datierung und Publikationsgeschichte der Reden eingegangen wird. Als in der Erfassung des Quellenmaterials noch immer unübertroffene Materialsammlungen hätte man auch gerne den fünften Band von Otto Seecks Geschichte des Untergangs (1913) und die großen RE-Artikel zu Valentinian und Theodosius zitiert gesehen.
[4] Hierzu ergaben sich nur zweieinhalb Nachträge: Antonio V. Nazzaro: Ambrogio vescovo di Milano e l'imperatore Teodosio I il Grande, in: Atti del convegno nazionale di studi intellettuali e potere nel mondo antico, hg. von Renato Uglione, Alessandria 2003, 259-301 (insbesondere 289-298); Sophie Lunn-Rockliffe: Ambrose's imperial funeral sermons, in: Journal of Ecclesiastical History 59 (2008), 191-207. Der 255 zitierte Aufsatz von Steidle wurde nochmals in dessen Schriftenband publiziert: Wolf Steidle: Ausgewählte Aufsätze, Amsterdam 1987, 94-112.
[5] 27, Anm. 4 "Weymann" (26 korrekt "Weyman"); 77, Anm. 18 "Conculsio"; 157 "Theodosius II." (Theodosius I.); 172, Anm. 55 "identifzierte"; 248 (Braschi) "Catolica"; 249 (Consolino 1992) "ecclesiatiche"; 253 (Nauroy 2012) "Ambbroise"; 253 ist Palanque falsch eingeordnet. 254 wäre zu den Werken von Rozynski und Ruiz (wie etwa 250 zu Gleissner und 254 zu Schmitt) noch darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um Dissertationen handelt. 76, Anm. 8 verwundert die Zitation von Rufinus, Philostorgios und Sozomenos nach Migne, obwohl es für alle drei Autoren deutlich aktuellere und zuverlässigere Editionen gibt (wobei eine zu Philostorgios immerhin parallel genannt wird).
[6] So ist der Edition des Koheletkommentars des Hieronymus von Elisabeth Birnbaum (2014) eine deutsche, der des Evangelienkommentars des Fortunatianus von Aquileia von Hugh A. G. Houghton (2017) eine englische und der des Römerbriefkommentars des Augustinus von Daniel Hadas (2019) eine französische Übersetzung beigegeben.
[7] Der erste Beitrag dazu scheint Victoria Panagl: Vorarbeiten zu einer neuen textkritischen Edition von Ambrosius' De obitu Theodosii, Diplomarbeit Wien 2001 zu sein (nicht im Literaturverzeichnis). Ihre Wiener Dissertation (2003) hatte hingegen das Thema: Lateinische Huldigungsmotetten für Angehörige des Hauses Habsburg. Vertonte Gelegenheitsdichtung im Rahmen neulateinischer Herrscherpanegyrik.
Raphael Brendel