Rezension über:

Peter Collmer: Verwaltete Vielfalt. Die königlichen Tafelgüter in Polen-Litauen, 1697-1763 (= Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa; Bd. 90), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2022, 378 S., 10 Abb., ISBN 978-3-515-13123-0, EUR 72,00
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Rezension von:
Almut Bues
Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Sebastian Becker
Empfohlene Zitierweise:
Almut Bues: Rezension von: Peter Collmer: Verwaltete Vielfalt. Die königlichen Tafelgüter in Polen-Litauen, 1697-1763, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2022, in: sehepunkte 23 (2023), Nr. 2 [15.02.2023], URL: https://www.sehepunkte.de
/2023/02/36517.html


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Peter Collmer: Verwaltete Vielfalt

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Die an der Universität Zürich angefertigte Habilitation von Peter Collmer untersucht die königliche Verwaltung in Polen-Litauen zu Zeiten der Personalunion der sächsischen Kurfürsten und polnischen Könige aus dem Hause Wettin, also die Jahre 1697 bis 1763. Anhand der königlichen Tafelgüter, deren Umfang und Nutzung der Sejm für die Finanzierung des Hofes dem König zu dessen Lebzeiten überließ, soll der "herrschaftliche Umgang mit Diversität im vornationalen Zeitalter" (13) untersucht werden.

Für eine solche Studie eignet sich die mensa regia ausgezeichnet, lagen die Landgüter doch in unterschiedlichen Teilen der Rzeczpospolita, welche die kulturelle, sprachliche und religiöse Vielfalt sowie das Nebeneinander verschiedener Rechts- und Herrschaftsräume aufzeigt. Neben den divergierenden administrativen Realitäten bestand eine gestaffelte Hierarchie von der lokalen Ebene zur sächsischen Verwaltung in Warschau und Dresden. Hier kommen Begriffe wie Kommunikation und Verflechtung hinzu. In ihrem Zusammenspiel wird das Wirken der "Verwaltung als integraler Prozess" (27) erklärt.

Collmer diskutiert in Kapitel II (40-115) die transkulturellen Verflechtungen der Rzeczpospolita seit dem Spätmittelalter und deren soziale, ökonomische und politische Wandlungen. In Kursachsen sah der Kameralismus eine fähige Zentralverwaltung in Wirtschaftsfragen vor, was sich in der Praxis allerdings nicht immer abzeichnete. Collmer legt das Augenmerk verstärkt auf die "kulturelle Kontaktzone" (80) zwischen den beiden Teilen der Personalunion.

In Kapitel III (116-143) werden die Grundzüge der königlichen Kammer, die unter verschiedenen Namen fungierte und mehrfach an die bestehenden Verhältnisse angepasst wurde, analysiert. Die Kammerinstruktion von 1736 (Beilage 370-374) widerspiegelt dabei gut die Bürokratisierung der königlichen Verwaltung.

Im folgenden Kapitel (144-223) gibt Collmer einen fundierten, auf zahlreichen Quellen beruhenden Überblick über die einzelnen Tafelgüter in Kleinpolen, im Königlichen Preußen und in Litauen. Die Salzbergwerke in Wieliczka und Bochnia stellten eine weitere wichtige Einnahmequelle für den Monarchen dar. Wenn auch der reine Ertrag der mensa regia bescheiden ausfiel, so bildete sie ein "strukturelles Kontinuum" (222), dem in einer Wahlmonarchie eine große Bedeutung zukam.

Die Königliche Kammer war die multiple Schnittstelle, an der die Ansichten von Herrschern, Beamten, Adligen, Bürgern, Bauern sowie Juden zusammentrafen. In Kapitel V (224-318) geht es Collmer daher "um die konkrete Realisierung von Herrschaft, um Menschen und Praktiken" (224). Er hebt das Bewusstwerden der Vielfalt hervor und die Versuche, diese zu standardisieren. Anhand konkreter Beispiele verdeutlicht Collmer Grenzen und Möglichkeiten einer Vereinheitlichung und arbeitet die Inkonsequenz der handelnden Personen (z.B. Günstlingswirtschaft) bei der Verwirklichung der selbst gesteckten Ziele heraus.

Laut Collmer verlief die Entwicklung und Nutzung der königlichen Tafelgüter in der siebzigjährigen Zeit der Wettiner Könige in Polen-Litauen nicht linear. Der Wandel der mensa regia vollzog sich mäanderartig, das Ausprobieren von Innovationen, das Auftreten von Widerständen, die Anpassung an Gegebenheiten sind abzulesen. Es war, wie im Titel des Buchs vermerkt ist, eine verwaltete Vielfalt. Die Teilungen zu Ende des 18. Jahrhunderts zerstörten die mensa regia als Ganzes, zu einer Neuformierung kam es nicht mehr.

Vergleicht man die Bibliographie am Ende von Collmers Werk mit jener von Edward Stańczaks Band aus dem Jahre 1973 [1], so fällt auf, wie wenige Überschneidungen sich ergeben. Collmer kann sich auf eine breite neuere Literatur polnischer und deutschsprachiger HistorikerInnen der letzten Jahrzehnte stützen. Das zeigt ein erneutes Interesse für die Sachsenzeit und die damit verbundenen Fragestellungen. Vor allem aber nutzt Collmer gekonnt und umsichtig die umfangreichen Archivalien aus Dresden (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden) und Warschau (Archiwum Główne Akt Dawnych) für diese Zeit.

Das Buch von Collmer ist durchdacht aufgebaut und dabei anschaulich und spannend geschrieben. Er beleuchtet die lokale Perspektive der Institutionen, untersucht die herrschaftliche Ebene und gibt auch den handelnden Akteuren ein Gesicht. Die Aushandlungsprozesse zwischen ihnen werden weit über die genannten zwei Generationen verfolgt, strukturiert dargelegt und in einen europäischen Rahmen eingepasst. Anhänge (Glossar, Eckwerte der Tafelgüter, Kammerinstruktion von 1736) und ein Personenregister runden den Band ab. Mit diesem Standardwerk wurde ein Forschungsdesiderat geschlossen.


Anmerkung:

[1] Edward Stańczak, Kamera saska za czasów Augusta III, Warszawa 1973.

Almut Bues