Hugh Willmott: The Dissolution of the Monasteries in England and Wales (= Studies in the Archaeology of Medieval Europe), London / Oakville: Equinox Pub. Ltd. 2020, XIII + 205 S., 98 Abb., ISBN 978-1-80050-163-8, GBP 35,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Antoni Biosca Bas (ed.): Alfonso Bonihominis. Opera omnia. Historia Ioseph, Epistola Samuelis, Disputatio Abutalib, Legenda Sancti Antonii, Tractatus contra malos medicos, Additio islamica ad Epistolam Samuelis, Respuesta catalana de Isaac , Turnhout: Brepols 2020
Brian Merrilees / William Edwards / Anne Grondeux (eds.): Le dictionnaire AALMA. Les versions Saint-Omer, BM 644, Exeter, Cath. Libr. 3517 et Paris, BnF lat. 13032, Turnhout: Brepols 2019
Monique Goullet: Corpus Christianorum: Hagiographies VI. Histoire internationale de la littérature hagiographique latine et vernaculaire en Occident des origines à 1550, Turnhout: Brepols 2014
Der Architekturhistoriker Howard Colvin urteilte 1999 unmissverständlich: "The Dissolution of the Monasteries was the greatest single act of vandalism in English, and perhaps European history." Katholische Historiker wie Francis Cardinal Gasquet und Dom David Knowles hatten bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts versucht, Sicht- und Interpretationsweisen Gehör zu verschaffen, die von der anglikanischen Historiographie außer Acht gelassen worden waren: Sie bedauerten den von oben oktroyierten Zusammenbruch der monastischen Welt - und blendeten selbst die Tatsache aus, dass die Auflösung der Klöster ohne Unterstützung breiterer Volksschichten wohl kaum derart effizient zu bewerkstelligen gewesen wäre.
Hugh Willmott will sich mit seiner Arbeit nicht in die Phalanx all derjenigen einreihen, die nach der Beantwortung der Frage streben, was Heinrich VIII. und Cromwell dazu bewegt haben könnte, die Klöster aufzulösen. Er schreibt als Archäologe, vertraut mit dem mare magnum der monastischen Welt des englischen Spätmittelalters. In sechs Kapiteln, umschlossen von einer Einführung und Schlussbemerkungen, richtet er den Blick auf die physischen Konsequenzen der Auflösung und auf das Nachleben der verlassenen Klosterkomplexe. Die Hauptkapitel des Bandes folgen im Großen und Ganzen der Chronologie und trachten danach, "the people of Tudor England back into the narrative of the Dissolution" (7) zu holen.
Rund 830 Klöster gab es um 1530 in England und Wales - die Zisterzienser an der Spitze mit 76 Häusern. Hinzu kamen rund 600 Hospitäler. Der Prozess der Klosterauflösungen begann 1534 mit dem Act of the First Fruits and Tenths, durch den eine Einkommenssteuer von 10% auf Kirchenland und -ämter erhoben wurde. Die Gelder, die bisher an den Papst geflossen waren, sollten der königlichen Schatulle zugutekommen. Um die Höhe der individuellen Zahlungen bemessen zu können, wurden von Januar bis Juni 1535 Kommissare entsandt, die die Bücher aller monastischen Institutionen prüfen sollten. Ergebnis war der Valor Ecclesiasticus. Die Berichte der Kommissare präsentierten sich in den dunkelsten Farben: Monastische Disziplinprobleme verschränkten sich darin mit Akten des Aberglaubens, wodurch die Reformintentionen der Krone verstärkt wurden. Im Februar 1536 wurde der Act for the Dissolution of the Lesser Monasteries verabschiedet, der diejenigen Klöster betraf, deren Jahreseinkommen unter 200 Pfund lag. In Nordengland führten diese Entschlüsse in den Jahren 1536/37 zu Aufständen. Nach der Niederschlagung der Revolten änderte sich die königliche Klosterpolitik: Sie wurde härter und straffer. Mit sofortiger Wirkung wurden all diejenigen Klöster geschlossen, die direkt an den Aufständen mitgewirkt hatten. Den Mönchen der betroffenen Klöster wurde untersagt, Zuflucht in anderen Gemeinschaften zu suchen. Ihnen blieb nur der Weg der Laisierung, gestützt durch kompensierende Pensionszahlungen. 1538 wurden die Schließungen auf die Bettelordenskonvente ausgeweitet, ein Jahr später läutete der Act for the Dissolution of the Greater Monasteries das Ende der übrig gebliebenen Klöster ein. Innerhalb von 14 Jahren änderte sich die kirchlich-monastische Landschaft in England vollständig: Das Klosterleben kam vollständig zum Erliegen.
Das, was sich am leichtesten zu Geld machen ließ, waren die Wertmetalle, die in Schreinen und Altären verarbeitet waren, und das (Silber)Geschirr für den liturgischen und alltäglichen Gebrauch. Willmott liefert eindrückliches Zahlenmaterial: 1538-40 etwa flossen dem königlichen Master of the Jewels 412kg Gold und 7.800kg Silber zu, hinzu kamen große Mengen an gemünztem Silber. Bleidächer wurden abgedeckt, das Blei eingeschmolzen, ein "very effective mechanism to quickly render the buildings unusable, physically and symbolically" (23). Auch hier sind die Quantitäten enorm: Rievaulx lieferte 140 Tonnen Blei, Jervaulx 400 Tonnen. Archäologische Funde von Bleibarren auf monastischem Gelände, mitunter in den Klosterkirchen selbst, deuten auf Schmelzöfen vor Ort hin. Fanden sich solche Öfen wie in Langley etwa an der Stelle des Hochaltars, ist von einem bewussten Akt der Entweihung auszugehen. Bei der Bewertung des Ausmaßes von Klosterplünderungen wird zur Vorsicht gemahnt. Diebstähle und Plünderungen kamen vor, waren - so Willmott - angesichts der vielen dokumentierten Versteigerungen aber wohl "not the norm" (37). Im zeitgenössischen Bericht des Karmeliters John Bale über das Schicksal von Klosterbibliotheken sieht Willmott wenig mehr als Polemik. Tatsächlich ist es schwer, sich vorzustellen, wie Pergamentseiten aus gestohlenen Codices dazu hätten dienen sollen "to serve theyr jakes [Toiletten, R.L.]".
Der Abriss von Klosterkirchen muss in jedem einzelnen Fall gesondert betrachtet werden. Fakt ist: Der Abriss war teuer und aufwendig - zwischen dem Abdecken des Dachs und der Niederlegung der Mauern konnten Jahrzehnte liegen. Ein schneller und vollständiger Abriss war immer dann das Gebot der Stunde, wenn durch den Verkauf von Steinen und weiterer Materialien Erträge erzielt werden mussten und/oder die Flächen für anderweitige Nutzungen vorgesehen waren. Zur erstaunlichen Häufung von Buchschließenfunden in Norfolk hat Willmott zwei Erklärungsansätze parat: Die Bevölkerung vor Ort könnte sich mit religiöser Literatur zu ihrem eigenen Nutzen versorgt haben und die Buchschließen, die sich im Laufe der Zeit lösten, entsorgt haben. Möglich wäre es aber auch, dass man auf die apotropäische Macht religiöser Texte setzte, sie vergrub und so auf bessere Ernten hoffte. Die gefundenen Buchschließen stünden dann für etwas, was den königlichen Kommissaren bereits 1535 aufgefallen war: die Verbreitung von Aberglauben und magischen Praktiken.
Sicher: Der hohe Adel (mit den Herzögen von Suffolk und Norfolk an der Spitze) nutzte die Chance zur Land- und Besitzakkumulation. Es war aber die gentry in der Provinz, die am stärksten von den frei gewordenen Gebäuden und Ländereien profitierte. Willmott weist zu Recht darauf hin, dass auch Dorf- und Stadtgemeinschaften entsprechenden Gewinn davontragen konnten, wenn etwa eine Umwandlung in Guildhalls, Townhalls oder auch Gefängnisse erfolgte. In 37 Augustiner- und 119 Benediktinerkirchen hatte die lokale Bevölkerung das bereits vor 1535 verbriefte Recht, Gottesdienste zu feiern. Der Abriss bzw. der Verkauf dieser Gebäude, immerhin rund ein Viertel des Bestands, war damit schwierig und mit rechtlichen Hürden versehen. Oblag nun den Ortspfarreien ihr Unterhalt, führte dies häufig zu einer radikalen Verkleinerung.
Die Schul- und Ausbildungsaktivitäten der Klöster, immerhin für 175 Institutionen nachgewiesen, kamen mit den Auflösungen zum Erliegen. Die Gründung neuer Schulen wurde nötig - und häufig wurden Konventsgebäude dazu genutzt, wie eindrucksvoll am Beispiel des Karmeliterkonvents in Coventry gezeigt wird. Entsprechende Nachnutzungen betrafen dort auch das Kircheninterieur: Aus Chorstallen wurden etwa Schulbänke.
Für 250 Klöster liegen archäologische Befunde vor, die eine Umwandlung in Wohneinheiten (zu einem Bruchteil der Kosten eines Neubaus) nahelegen. Willmott geht so weit zu behaupten, dabei handle es sich nur um die Spitze des Eisbergs: "It would be probably safe to say that only a minority of houses did not experience some form of secular occupation during the 16th century, even if only temporarily" (99). Dabei gilt es zwischen unterschiedlichen "Belegungstypen" zu unterscheiden: Die Spannbreite reicht von palastartigen Residenzen (insbesondere in London), über bescheidene Wohnanlagen bis hin zu Bauernhöfen oder Werkstätten.
Nach der Lektüre der Arbeit wird klar, dass es sich bei der Dissolution of the Monasteries nicht allein um einen geschickten politischen Schachzug oder eine kurzfristig ökonomisch motivierte Machtdemonstration des Königs handelte. Im Gegenteil: Wir sprechen von einem Prozess, "highly controlled and regulated", der einen flächendeckenden "scramble for spoils" (160) verhinderte (Plünderungen aber nicht ganz ausschließen konnte). Der Beitrag der Mittelalterarchäologie besteht darin, zu zeigen, wie die Krone bzw. die neuen Besitzer die Bau- und Örtlichkeiten konkret nutzten, und es ist diese Bestandaufnahme in der longue durée, die diese Untersuchung auch für Historiker so lesenswert macht.
Ralf Lützelschwab