Hérold Pettiau / Anne Wagner: L'Évêque contesté. Les résistances à lautorité épiscopale des Pays-Bas à l'Italie du Nord (= Rencontres; 557), Paris: Classiques Garnier 2023, 249 S., ISBN 978-2-406-13356-8, EUR 25,00
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Caterina Ciccopiedi: La figura del vescovo nellepistolario di Pier Damiani. Tra ideale e reale, Spoleto: Fondazione Centro Italiano di Studi sull'alto Medioevo 2019
LoDoCat (Chrétientés lotharingiennes- Dorsale catholique, IXe-XVIIIe siècle) heißt ein internationales Projekt, das vormoderne Formen des Christentums in den europäischen Grenzregionen zwischen West- und Mitteleuropa erforscht, welche sich von Flandern bis nach Savoyen und weiter bis zur Mailänder Kirchenprovinz ausdehnen. [1] Im besprochenen Sammelband sind die Beiträge einer Tagung veröffentlicht, die sich mit dem zweiten Themenfeld des Projekts auseinandersetzen: den pastoralen Modellen. Insbesondere konzentrieren sich die Beitragenden auf die Darstellung der bischöflichen Autorität und auf die Kritik an ihr in den angespannten politischen Kontexten vom 11. bis zum 18. Jahrhundert.
Der Band ist in vier chronologisch angeordnete Teile gegliedert. Im ersten Teil werden drei Fallstudien vorgestellt, die von Bischöfen im 11. und 12. Jahrhundert handeln. Im ersten Beitrag setzt sich John S. Ott mit dem bekannten Konflikt um den Erzbischof Manasse von Reims (1069-1080) auseinander, in den auch Papst Gregor VII. direkt involviert war. Ott betont nicht nur die damalige öffentliche Relevanz dieses Streits und der verfassten polemischen Schriften, sondern er achtet auch auf die spätere Nachwirkung dieses Konflikts. Diese zweite Dimension ist bedeutend, weil sie die modernen Darstellungen Manasses beeinflusst hat. Im zweiten Beitrag stellt Nicolas Ruffini-Ronzani einen zweiten klassischen Fall dar: die Spaltungen und Konflikte um die Bischofsitze Cambrai und Arras um 1100. Er konzentriert sich auf ein umfangreiches Gedicht - die Gesta Galcheri Cameracensis episcopi -, das den besiegten Bischof Walcher apologetisch darstellt. Die textuelle Analyse erweist sich als ziemlich knapp und die entsprechende Deutung wird von der Verwendung der Kategorie "gregorianisch" beeinträchtigt und vereinfacht. Dies betrifft teilweise auch den dritten Beitrag von Anna Wagner, die eher ausblickartig die Entwicklung der Vorwürfe gegen die Bischöfe von Toul zwischen 11. und 13. Jahrhundert schildert.
Der zweite Teil umfasst nur zwei sehr heterogene Beiträge, welche auch nicht ganz genau zur Teilüberschrift passen, die lautet: "L'essor de la principauté territoriale ecclésiastique face aux pouvoirs régionaux (XIe-XIIIe siècle)" (77). Der erste knappe und nicht besonders stringente Beitrag von Esther Dehoux untersucht die Bedeutung des Kreuzes als Attribut des Bischofs in alt- und mittelfranzösischen literarischen Texten, die zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert verfasst wurden. Der zweite Aufsatz - der umfangreichste des Bandes - ist im Gegenteil eine hervorragende Studie von Michel Margue. Margue untersucht den Fall des Bischofs von Metz, Rainald von Bar, in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts. Aus einer kulturgeschichtlichen Perspektive konzentriert er sich exemplarisch auf die Auswirkung der überwiegend kritischen Darstellungen des Bischofs auf die verschiedenen politischen Ebenen: insbesondere im Hinblick auf den Aufstieg der Dynastie der Luxemburger.
Im dritten Teil betrachten die Beiträge das Spannungsfeld zwischen unterschiedlichen Merkmalen der Bischofs-Modells hauptsächlich im 15. Jahrhundert. Zunächst untersucht émilie Rosenblieh den Konflikt um den Bischofsitz von Utrecht zwischen 1423 und 1448: Der lokale Streit zwischen verschiedenen Kandidaten wird in die Spannungen zwischen Papst und konziliarischen Gruppen eingebettet. Anschließend versucht Christine Barralis, Merkmale der Erzbischöfe von Trier aus den biographischen Profilen der Gesta Treverorum herauszuarbeiten: Sie zeigt das immer wiederkehrende Spannungsfeld und Geflecht zwischen politischen bzw. administrativen Fähigkeiten eines Kirchenfürsten und reformorientierten Tendenzen eines Seelenhirten.
Im vierten Teil handeln die letzten drei Beiträge von Bischöfen im Zeitalter der katholischen "Reform". Fréderic Meyer präsentiert mehrere Fallbeispiele von unbeliebten reformorientierten Bischöfen in Savoyen des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts: Seine allgemeine Schlussfolgerung, diese Unbeliebtheit sei unvermeidbar gewesen, bleibt jedoch sehr allgemein. Julien Léonard untersucht die polemischen Schriften des Predigers und Theologen Samuel Maresius, insbesondere La chandelle mise sous le boisseau par le clergé romain (1634). In dieser Schrift übte Maresius eine deutliche und subtile Kritik am katholischen Klerus und an der widersprüchlichen Stellung des weltlichen Fürstbischofs von Lüttich, des Kölner Erzbischofs Ferdinand von Bayern (1612-1650): Dessen formelle Anerkennung als Fürst delegitimiere ihn gleichzeitig als hohen geistlichen Würdenträger. Im letzten Beitrag beschreibt Paolo Cozzo ein Beispiel aus Norditalien: die umstrittene Figur des Bischofs von Casale Monferrato Pietro Secondo Radicati (1701-1728), dessen adlige Lebensführung ihm von den Herzögen von Savoyen vorgeworfen wurde, um ihn unter Druck zu setzen, bis er die Versetzung ins Bistum von Osimo akzeptierte.
In den Schlussüberlegungen fällt es Steffen Patzold schwer, die Fallstudien zu aussagekräftigen Gesamtergebnissen zusammenzufassen. Patzold versucht eher, anhand der Gemeinsamkeiten von beschriebenen Phänomenen und Prozessen potentielle Kategorien zu suggerieren: die historisch doppelte, untrennbare Natur der Bischöfe - gleichzeitig spirituelle Hirten und Fürsten -; die Bedeutung des Wandels in Kirche und Gesellschaft als Voraussetzung für reformorientierte Kritik an den Bischöfen; der strukturelle Charakter der Konflikte um die Bischöfe als 'politische' Bindeglieder zwischen lokalem Kontext, regionaler Ebene und übergeordneten Mächten; die mediale und öffentliche Dimension der ausgeübten Kritik an den Bischöfen. Patzolds kurze, nachträgliche Überlegungen können leider nicht eine eher unbefriedigende Einleitung ersetzen: wegen des Mangels an Leitbegriffen und Leitfragen, die das Geschichtsproblem klar aufwerfen; wegen der fehlenden Berücksichtigung wichtiger struktureller Merkmale des Bischofsamtes sowie der Adelsschichten, die es seit der Spätantike ausgeübt haben; [2] wegen des Verzichts auf den Umgang mit der überladenen historiographischen Kategorie "Reform"; sowie wegen der fehlenden Reflexion der institutionellen Bedeutung der Bischöfe und ihrer Modelle in der europäischen Geschichte. Demzufolge geht das Deutungspotential der Fallstudien leider in nicht unerheblichem Maße verloren.
Anmerkungen:
[1] Vgl. Christine Barralis (éd.): LoDoCat. In: Hypotheses. https://lodocat.hypotheses.org/ (Letzter Aufruf am 20.09.2023).
[2] Vgl. zum Beispiel: Claudia Rapp: Holy Bishops in Late Antiquity. The Nature of Christian Leadership in an Age of Transition, Berkley u.a. 2005.
Eugenio Riversi