Ella Müller: Die amerikanische Rechte und der Umweltschutz. Geschichte einer Radikalisierung, Hamburg: Hamburger Edition 2023, 364 S., ISBN 978-3-86854-382-7, EUR 40,00
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Die Konservativen und der Umweltschutz - in der jüngeren Zeitgeschichte blieb ihr Verhältnis vor allem eins: kompliziert. Während etwa die britischen Tories unter David Cameron in den frühen 2000ern noch an einem innovativen Umweltprogramm feilten, erinnerte sich unter Boris Johnson, Liz Truss und Rishi Sunak zuletzt kaum ein britischer Konservativer mehr an die "Vote Blue, Go Green"-Kampagne ihres Vorgängers. In Deutschland, wo sich die CSU mit der Gründung des ersten europäischen Umweltministeriums schmückt und ihr Parteivorsitzender Markus Söder sich noch vor wenigen Jahren als Baum- und Bienenschützer zu inszenieren suchte, hat die Christdemokratie mittlerweile die Grünen als die entscheidenden Antagonisten auserkoren. Vor allem aber in den USA, wo einst unter dem Konservativen Richard Nixon die wichtigsten Umweltgesetze in der Geschichte des Landes verabschiedet wurden, ließen die Republikaner spätestens mit Trumps Feldzug gegen die Umweltschutzbehörde United States Enviromental Protection Agency (EPA) und gegen internationale Klimaabkommen 2017 ihren Anti-Environmentalism Fakten sprechen. Wie lassen sich diese ideellen Wandlungen im Verhältnis von Konservativen zur Umwelt erklären? Zum amerikanischen Fall gibt Ella Müller mit ihrer kürzlich erschienenen Dissertation überzeugende zeithistorische Antworten.
Die Autorin zeichnet die Geschichte des amerikanischen Anti-Environmentalism in einer stilistisch hervorragenden Balance von übergeordneter, politikgeschichtlicher Erzählung und facettenreichen Fallstudien nach. Am Anfang steht dabei die Rekonstruktion des umweltpolitischen Konsenses der 1960er und 1970er Jahre. Müller beschreibt dazu den Aufbau des Environmental Management State (Kapitel 1), beginnend mit der Gründung des Forest Service 1905 und des National Park Service 1916. Umwelt- und Naturschutz wurden damit zu einem Teil des Reformprojekts des Progressive Movement, das von einem positiven Staatsverständnis ausging und somit auf gesetzliche Regulierungen und eine starke Exekutive setzte. Mit Franklin D. Roosevelts New Deal, Kennedys New Frontier und Johnsons Great Society dominierte dieser New Liberalism die US-amerikanische Bundespolitik bis weit in die 1960er Jahre und baute stetig den Environmental Management State aus.
Dabei blieb die konsequente Umweltpolitik von der aufstrebenden konservativen Bewegung zunächst unberührt. Müller weist nicht nur auf das ambivalente Umweltverhältnis der konservativen Gallionsfigur Barry Goldwater hin. Wie das zweite Kapitel darlegt, suchte sich auch Nixon durch den weiteren Ausbau des Environmental Management State umweltpolitisch zu profilieren - zumindest nachdem das Thema durch die Ölkatastrophe vor Santa Barbara mit voller Wucht in die Öffentlichkeit gedrungen war. Die Analyse der damaligen legislativen Aktivitäten offenbart allerdings, dass der historische National Environmental Policy Act nicht auf Nixon, sondern auf eine Initiative des demokratischen Senators Henry M. Jackson zurückzuführen war - und dass dessen reale Wirkmächtigkeit, ebenso wie diejenige des Endangered Species Act, bei Weitem nicht vorhergesehen wurde. Mit dieser Rekonstruktion einer für eine lange Zeit konsensualen Expansion des staatlichen Umweltschutzes fundiert das Buch seine zentrale These, dass das Phänomen des Anti-Environmentalism nicht als "Relikt einer präokologischen Zeit" (20) beschrieben werden kann. Vielmehr verdeutlicht der Anti-Environmentalism als Phänomen der jüngeren Zeitgeschichte Kontingenz und Prekarität seines Antipoden, des ökologischen Umweltbewusstseins.
Um die Genese dieses Phänomens zu verstehen, blickt die Autorin mit zwei Fallstudien auf den Nordwesten des Landes, wo sich der Environmental Management State aufgrund des weitläufigen bundesstaatlichen Grundeigentums am stärksten auswirkte. Die vielschichtigen Wege zum Anti-Environmentalism verdeutlicht Müller erstens anhand der Lebensgeschichte der ersten weiblichen Gouverneurin von Washington, Dixy Lee Ray (Kapitel 3). War die ehemalige Direktorin des naturkundlichen Pacific Science Center Ende der 1960er Jahre noch als Sympathisantin der Umweltbewegung hervorgetreten, so führte ihr verhärtetes Eintreten für die Atomkraft als grüner Zukunftstechnologie über die kommenden Jahrzehnte zu einer zunehmenden Entfremdung, die sie schließlich zu einer der prominentesten neurechten Antiökologinnen aufsteigen ließ. Zweitens historisiert Müller detailliert den "größten Artenschutzkonflikt [...] der amerikanischen Geschichte" (177) um die Northern Spotted Owl (Kapitel 5). Ausgelöst von den - ursprünglich so nicht intendierten - Konsequenzen des Endangered Species Act, kam es hier zu einem jahrzehntelangen Streit zwischen Naturschutzverbänden und dem regionalen forstwirtschaftlichen Mittelstand, der am Ende auf allen Seiten Verlierer zurückließ. Die Autorin versteht es, mit diesen klug gewählten Fallstudien die ursprüngliche Komplexität des gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses um den Umweltschutz darzulegen. Dass es dabei auch zu Entfremdungen kommen konnte und Verlierer zurückblieben, wird so ganz konkret nachvollziehbar.
Zuletzt macht das Buch deutlich, wie dieses diffuse antiökologische Potential gezielt von der konservativen Bewegung in ihren machtpolitischen Kulturkampf mit dem liberalen Amerika eingegliedert und radikalisiert wurde. Dass und wie der Environmental Management State ins Kreuzfeuer der sich formierenden konservativen Bewegung unter Reagan geraten musste, verdeutlicht Kapitel 4 in "sechs Momentaufnahmen". (145) Umso erstaunlicher ist die Erkenntnis des 6. Kapitels, dass der "reagansche Anti-Environmentalism [...] zu Beginn der 1980er Jahre nicht Konsens in der" Grand Old Party war (246) - und er unter seinem Nachfolger George H. W. Bush zunächst gar explizit zurückgenommen wurde. Erst vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie gezielt die republikanische Partei mit Bush, Newt Gingrich und dem neurechten Medien- und Institutionennetzwerk seit den mittleren 1990er Jahren auf den Anti-Environmentalism als nützlichem Instrument im radikalen Kampf um die politische Hegemonie zurückgriff - eine nachdenklich machende Geschichte, deren Stationen das letzte Kapitel erzählt.
So zeigt das Buch nicht nur die langen Kontinuitätslinien auf, die im gegenwärtigen Trumpismus kulminieren. Indem es den radikalen Anti-Environmentalism als Instrument einer politischen Strategie offenbart, öffnet es den Blick für dessen ursprüngliche Kontingenz und vielfältige Wurzeln, die im amerikanischen Kulturkampf der Gegenwart untergehen. Müller trägt damit einerseits zum bestehenden US-amerikanischen Forschungsdiskurs um die weitverzweigte, wissenschaftsfeindliche und antiökologische Radikalisierung der konservativen Bewegung bei, der mit der Wiederwahl Trumps von anhaltender Aktualität ist. Andererseits ist es ihr Verdienst, zum komplizierten Verhältnis von Konservatismus und Umweltschutz eine der ersten zeithistorischen Studien im deutschsprachigen Raum überhaupt vorgelegt zu haben. Damit kann Die amerikanische Rechte und der Umweltschutz nicht nur den bislang ausgebliebenen Austausch zwischen Konservatismusforschung und Umweltgeschichte befruchten. Es empfiehlt sich ebenso dem interessierten Beobachter zur Orientierung im gegenwärtigen Konflikt um einen engagierten Umweltschutz - weit über die Grenzen der USA hinaus.
Maximilian Ringleb