Detlef Döring: Die Geschichte der Deutschen Gesellschaft in Leipzig. Von der Gründung bis in die ersten Jahre des Seniorats Johann Christoph Gottscheds (= Frühe Neuzeit. Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext; Bd. 70), Tübingen: Niemeyer 2002, XII + 391 S., ISBN 978-3-484-36570-4, EUR 68,00
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Detlef Döring / Kurt Nowak (Hgg.): Gelehrte Gesellschaften im mitteldeutschen Raum (1650-1820). Teil 1, Stuttgart: S. Hirzel 2000
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Hanspeter Marti / Detlef Döring (Hgg.): Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680-1780, Basel: Schwabe 2004
Die Geschichte der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig, "die die erste ihrer Art war und zugleich für alle späteren Einrichtungen normprägend blieb" (VIII), wurde bislang im wesentlichen mit dem Wirken Gottscheds und damit auch mit dessen Biografie in Verbindung gebracht. Das mag für die Jahre 1727 bis 1738, in denen der ,Literaturpapst' ihr als Senior vorstand, wohl so gelten, ist es indes für die weitaus längere Zeit ihres Bestehens nicht.
Ausgehend von einem umfangreichen Bericht über die bislang geleistete Forschungsarbeit zu dem Thema unternimmt Döring den Versuch, anhand gründlicher Quellenrecherchen die Geschichte der ersten Jahrzehnte des Bestehens und der Wirksamkeit dieser Gesellschaft zu untersuchen. Er weist eindeutig nach, dass die Entstehung der Gesellschaft nicht, wie das allenthalben mit mehr oder weniger Nachdruck behauptet wurde, auf die Poetikvorlesung des Leipziger Professors Johann Burckhard Mencke, die Görlitzer Studenten besuchten, zurückzuführen ist, sondern vielmehr ihren Ursprung dem Wirken der Rektoren am Görlitzer Gymnasium Augustum, Christian Funcke und seinem Nachfolger Samuel Grosser, zu verdanken hat. Sie hielten ihre Schützlinge zu poetischen Übungen in der deutschen Sprache an, die diese dann als Studenten der Leipziger Universität fortsetzten und zu diesem Zweck 1697 die "Görlitzische Poetische Gesellschaft" gründeten. Deren Intentionen beschreibt Döring in folgender Weise: "Jedoch, weder Poesie und Sprache, noch die im weiteren zu behandelnden Bereiche des studentischen Lebens bilden in den ersten Jahrzehnten der Gesellschaft die vorwiegenden Themen der dichterischen Produktion, sondern eher das Streben nach einer moralisch reinen, religiös geprägten Lebensführung" (92). Sie war in den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens "ein der Übung im Versesetzen und der Unterhaltung gewidmeter studentischer Verein" (110), der nach 1710 mehrere Krisen zu überwinden hatte und sich 1717 in "Teutschübende Poetische Gesellschaft" umbenannte. Diese öffnete sich nunmehr unter dem neuen Präses Mencke allen Literaturinteressierten, favorisierte nicht mehr die Dichtung der schlesischen Schulen und unterzog auch die Arbeit an Prosatexten ihren Bemühungen.
Doch nicht Menckes Wirken stand im Vordergrund der Neukonstituierung der Gesellschaft, wie das gemeinhin immer noch angenommen wird, sondern vielmehr das von Christian Clodius, der für den Aufbau einer Bibliothek und den Schriftverkehr Sorge trug. Unter seinem Einfluss gelangte sie zu einem neuen Selbstverständnis hinsichtlich "ihrer Bedeutung für die Verbesserung der deutschen Sprache und Dichtung" (190) und wurde zu einer Institution, "die endgültig aus dem Stadium einer lockeren Schar von poetisierenden Studenten heraustritt und höhere Ansprüche an sich selbst richtet" (213).
Sein Abschied von Leipzig brachte die Gesellschaft 1725 in eine erneute Krise, für deren Lösung nunmehr Gottsched sorgen sollte. Gottsched, der zunächst in der Gesellschaft nur eine periphere Rolle gespielt hatte, trat nun als deren entscheidender Reformator auf den Plan. 1727 beginnt die Reform mit einer Umbenennung in "Deutsche Gesellschaft". Der bis dahin dominierenden Poesie wurde die Prosa prononciert an die Seite gesetzt, was in den jährlich zu vergebenden Preisen für Poesie und Beredsamkeit deutlich zum Ausdruck kam. Mit den Preisen und den 1732 begründeten "Beyträgen zur Critischen Historie der Deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit" gewann die Gesellschaft an öffentlicher Wirksamkeit. Das äußerte sich nicht zuletzt auch hinsichtlich der Mitgliedschaften in der Gesellschaft. Die Lausitzer spielten nur noch eine Außenseiterrolle. Dies gilt auch für die bislang das geistige Profil bestimmenden Theologen. Der Anteil der Adligen wuchs dem gegenüber an. Gottsched erhoffte sich davon eine größere Einflussnahme am sächsischen Hof. Freilich mit wenig Erfolg. Sein ehrgeiziges Projekt der Umwandlung der Gesellschaft in eine Akademie fand nicht die nötige Resonanz in Dresden.
Die hier vorgestellten wesentlichsten Ergebnisse der Arbeit Dörings sind aus einem gründlichen Quellenstudium erwachsen. Neben den Handschriften und Archivalien aus Thüringer, Berliner, Dresdener, Görlitzer, Dorpater, Zittauer und Züricher Beständen sind es vornehmlich die Leipziger Sammlungen, die den Löwenanteil für den immensen Erkenntnisgewinn ausmachen. Einige Quellentexte hat der Autor im Anhang mitgeteilt. Es handelt sich hier um Reden, Kasualgedichte, Briefe und Aufsätze. Insbesondere zwei Reden von Johann Friedrich May, die dieser 1726 beziehungsweise 1727 an die Gesellschaft richtete, geben Einblicke in die Krisensituation, in der sich die Gesellschaft in jener Zeit befand. Gleichermaßen bieten sie Auswege aus der Krise an, die zeigen, dass nicht allein Gottsched die Reform vorantrieb.
Einschränkungen zu dem bislang Gesagten können nicht verschwiegen werden. Sie beziehen sich auf das sprachliche Niveau der Studie, das dem inhaltlichen in keiner Weise entspricht. Neben den schon beinahe üblich gewordenen falschen Silbentrennungen stehen gravierende Kasusverwechslungen, syntaktische und orthografische Fehler, die teilweise sinnentstellend wirken. Um nur einige aus der Masse zu nennen: da steht "wanden" (37) statt wandten, "benut" (17), "wenigere Titel" (187), "er sei der erste gewesen zu sein" (209), "von entscheidender Bedeutung [...] mußte die Antwort auf die Frage bilden" (252). Probleme zeigen sich bei der Verwendung von "das" beziehungsweise "daß". Erst das Register gibt Aufschluss darüber, ob jemand Hancke oder Hanke, Juncker oder Junker heißt. In einer Arbeit, die sich einer Gesellschaft zur Pflege der deutschen Sprache widmet, sollten derlei Lässlichkeiten vermieden werden.
Hans-Joachim Kertscher