Esther-Beate Körber: Habsburgs europäische Herrschaft, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002, 160 S., ISBN 978-3-534-15124-0, EUR 14,90
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In den letzten Jahren haben sich mehrere Verlage dazu entschlossen, der gestiegenen Nachfrage nach Handbüchern, Überblicksdarstellungen und Studienbüchern durch einschlägige Reihen gerecht zu werden. "Geschichte kompakt" richtet sich an "Interessierte, Lehrende und Lernende" und verfolgt das Ziel, deren Bedürfnis "nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt" (VII), zu stillen. Die Bände sollen "Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen des Mittelalters und der Neuzeit verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung" (VII) vorstellen und zentrale Themenfelder des universitären Studiums, der schulischen Oberstufen und der Geschichtsforschung in Einzelpublikationen erschließen. Den Autoren stehen dafür jeweils rund 150 Seiten zur Verfügung, was etwa dem Umfang der Bände der "Enzyklopädie deutscher Geschichte" entspricht.
Gleichwohl gibt es zur "Enzyklopädie deutscher Geschichte" auffällige Unterschiede, die "Geschichte kompakt" ein eigenes Profil verleihen. Beispielsweise verzichtet die Reihe auf einen eigenen Abschnitt über den Forschungsstand, der in den Bänden der "Enzyklopädie deutscher Geschichte" immerhin circa ein Drittel des Umfangs ausmacht. Die Auswahlbibliografie ist nur kurz, dafür jedoch sind knappe Kommentare zu den einzelnen Titeln vorgesehen. Insgesamt bleibt deutlich mehr Raum für die Darstellung, weshalb sich die Bände in besonderer Weise für die inhaltliche Orientierung eignen.
Ausgehend von diesen konzeptionellen Vorgaben thematisiert die Berliner Historikerin Esther-Beate Körber im vorliegenden Band "Habsburgs europäische Herrschaft von Karl V. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts". Sie versteht darunter "eine europäische Geschichte des 16. Jahrhunderts mit dem Schwerpunkt auf dem Habsburger Reich" und den Konflikten, "in die das Haus Österreich innerhalb der europäischen Herrscherfamilien und werdenden Staaten geriet" (15). Die Autorin begründet damit die Gliederung des Stoffes nach Ländern, wobei jedes Länderkapitel "auch die Darstellung spezifischer europäischer Konflikte, die sich meist aus der geografischen Lage oder den wirtschaftlichen Bedingungen der einzelnen Länder ergaben" (15), enthalten soll. Damit hat sie ihr Verständnis von "europäischer Geschichte" umrissen.
Im ersten von fünf Abschnitten des Buches (1-15) erfolgt zunächst unter der Überschrift "Signaturen des 16. Jahrhunderts I: Der Mensch im Aufbruch" eine allgemeine Charakteristik der Wende vom Spätmittelalter zur Neuzeit. Als Kennzeichen der europäischen Neuzeit nennt die Autorin die Entwicklung der Zentralperspektive, die Distanz zu geistigen Traditionen und die Verdichtung von Herrschaft.
Der zweite Abschnitt (16-71) stellt das Imperium Karls V. in den Mittelpunkt. Die vier Unterkapitel widmen sich 1. Burgund und Nordwesteuropa, 2. Spanien und dem westlichen Mittelmeerraum, 3. dem Heiligen Römischen Reich und 4. den österreichischen Erblanden sowie den Königreichen Böhmen und Ungarn. Am Anfang befindet sich jeweils eine chronologische Übersicht der wichtigsten Ereignisse. Die Darstellung selbst ist gehaltvoll, sehr gut lesbar und aufgrund der in den Fließtext eingeschobenen Erläuterungen von Fachbegriffen leicht verständlich. Sie gewinnt zudem durch die Bemühungen, die historischen Wurzeln von Ereignissen aufzuzeigen und dabei nicht an der Epochengrenze stehen zu bleiben, noch weiter an Klarheit. Positiv zu vermerken sind ferner differenzierte Betrachtungen, wo es der Forschungsstand verlangt, etwa wenn die Autorin betont, deutsche Historiker hätten besonders die religiösen Dimensionen von Karls Verständnis vom Kaisertum hervorgehoben (36). Die spanische Historiografie etwa zeichnete hier bis in die jüngste Vergangenheit ein anderes Bild.
Die Ausführungen sind verlässlich. Allerdings besitzt die Bezeichnung Burgunds als "Kernland des Imperiums" (20) nur für die Anfänge der Regierungszeit des Habsburgers ihre Berechtigung, denn mit Fortdauer der Herrschaft verlagerte Karl den Schwerpunkt nach Kastilien. Die Definition der Huldigung (69) erwähnt nur die Treueverpflichtung der Untertanen, verschweigt jedoch den vom Herrscher zu leistenden Teil, wodurch der reziproke Charakter, der für das Verfassungsdenken gerade des 16. Jahrhunderts zentral war, im Verborgenen bleibt.
Die Gliederung des Abschnitts zeigt, dass die Autorin diesem Abschnitt ein Europaverständnis zu Grunde gelegt hat, das von geografischen Gesichtspunkten geleitet wird, denn die habsburgischen Besitzungen in Übersee, immerhin Ergebnis der europäischen Expansion, finden keine Berücksichtigung. Ob das eine glückliche Entscheidung war, sei dahingestellt, denn die Neue Welt wirkte in vielfacher Weise auf Habsburgs europäische Herrschaft zurück. Beispielhaft genannt seien die ökonomischen Auswirkungen und die Diskussionen über die Legitimität der Landnahme, die in Spanien stattfanden und für die Entwicklung des europäischen Völkerrechts von großer Bedeutung waren.
Die regionale Unterteilung hat den Vorteil guter Übersichtlichkeit, birgt jedoch die Gefahr der Vernachlässigung überregional-integrativer Elemente der habsburgischen Herrschaft. Die Universalmonarchie, wichtigste überterritoriale zeitgenössische Ordnungsvorstellung und zentrales Element der Außendarstellung der Herrschaft Karls, findet praktisch keine Erwähnung. Ebenso fehlt eine Erläuterung des komplexen Regierungssystems des Habsburgers, das belegt, dass es einen übergreifenden, die Territorien verklammernden Herrschaftswillen gab. Schließlich vermisst man die europäisch-universellen Dimensionen der dynastischen Politik des Kaisers, die bereits Karl Brandi besonders hervorgehoben hat.
Der dritte Abschnitt (72-114) trägt die Überschrift "Spanische und deutsche Habsburger in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts" und beschäftigt sich mit dem nach dem Rücktritt und dem Ableben Karls V. in zwei Teile gespaltenen habsburgischen Länderkomplex. Die vier Unterkapitel behandeln 1. den Aufstand der Niederlande und das spanische Engagement in Frankreich, 2. den Ausbau und die Grenzen des spanischen Imperiums, 3. das Heilige Römische Reich und 4. die österreichischen Erbländer, Ungarn und Böhmen. Die Präsentation des Stoffes ist sprachlich-stilistisch ähnlich ansprechend wie der vorangegangene Abschnitt. Der Entscheidung der Autorin, der Verflechtung von Religion und Politik und den daraus resultierenden herrschaftspolitischen Auseinandersetzungen - wohl das wichtigste Merkmal des Zeitalters - besondere Aufmerksamkeit zu schenken, ist zuzustimmen.
Allerdings trifft die Definition der Konfessionalisierung als "umfassenden Prozess der konfessionellen Prägung des gesamten Lebens" (96) nur zum Teil den Kern des Paradigmas, denn Wolfgang Reinhard und Heinz Schilling ging es vor allem um eine funktionale Gleichwertigkeit der drei großen Konfessionen im Hinblick auf ihre Verknüpfung mit Prozessen der politischen Modernisierung, etwa der Staatsbildung.
Im vierten Abschnitt (115-125) fasst die Autorin die wichtigsten politischen Veränderungen, die im 16. Jahrhundert stattfanden, kurz und prägnant zusammen. Der abschließende fünfte Abschnitt (126-140) thematisiert die veränderten Lebenswelten am Ende des behandelten Zeitraums. Die Auswahlbibliografie ist, den konzeptuellen Vorgaben entsprechend, sehr kurz gehalten (141-144). Nun ist es in Anbetracht der Komplexität des Themas kein Wunder, dass das eine oder andere Werk auf den knapp vier Seiten keine Erwähnung gefunden hat (etwa die Arbeit von Robert Evans über das Werden der Habsburgermonarchie). Zu bemängeln ist jedoch die Unausgewogenheit, denn 32 zeitlich übergreifenden und damit nicht themenspezifischen Hinweisen stehen 23 Titel zum "Imperium Karls V." und lediglich neun zu "Europa zur Zeit Philipps II." gegenüber. Von den drei Büchern, die dabei zum Heiligen Römischen Reich genannt werden, behandeln zwei das Thema Hexen. Über Böhmen findet man gar keine Titel, obwohl es hier durchaus moderne deutschsprachige Monografien gibt.
Davon abgesehen muss jedoch zusammenfassend festgehalten werden, dass Esther-Beate Körber die schwierige Aufgabe, den umfassenden Stoff zu komprimieren und leicht verständlich darzustellen, sehr gut gelöst hat. Sie hat ein inhaltsreiches und gut lesbares Handbuch geschrieben, das den Zielsetzungen der Reihe vollkommen gerecht wird.
Arno Strohmeyer