Adam Nicolson: Power and Glory. Jacobean England and the Making of the King James Bible, London: Harper Perennial 2004, XVIII S., ISBN 978-0-00-710894-7, GBP 8,99
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Populäre Darstellungen historischer Ereignisse haben in Deutschland keinen guten Ruf, zumindest nicht in der Geschichtswissenschaft. In England ist dies anders. Und mitunter machen Glanzlichter dieses Genres aus England darauf aufmerksam, dass Anschaulichkeit und Farbigkeit der Erzählung keineswegs immer auf Kosten der damit verknüften Deutung gehen müssen. Ein solches Glanzstück hat nun Adam Nicolson mit seiner populär geschriebenen Darstellung der Entstehung der unter Jakob I. in Angriff genommenen Bibelübersetzung vorgelegt.
Nicolson entwirft dabei zunächst ein Panorama Englands zur Zeit des Herrscherwechsels von Elisabeth zu Jakob. Über die Benachrichtigung des schottischen Königs, von nun an auch über Englands Geschicke bestimmen zu dürfen, sowie über seine Triumphfahrt nach London und die dortigen Feierlichkeiten, die durch die in London grassierende Pestepidemie jedoch stark beeinträchtigt wurden, erfährt man zahlreiche Details. Das große Projekt König Jakobs in seinen ersten Regierungsjahren, die Vorstellung einer Union der Königreiche Schottland und England, wird ebenso geschildert wie die Widerstände im englischen Parlament, die Jakob nicht überwinden konnte. Auf diese Weise, so Nicolson, rückte die Kirchenverfassung in den Blickpunkt des Königs. Die Einheit zwischen Schottland und England, die im politischen Rahmen vorerst nicht verwirklicht werden konnte, sollte nun wenigstens innerhalb der Kirche durchgeführt werden. Dass dabei noch weit größere Widersprüche zu überwinden waren als im weltlichen Bereich, wird bei Nicolson allerdings nur kurz gestreift.
Stattdessen widmet er sich umso ausführlicher dem Projekt der Bibelübersetzung, der in den Augen Jakobs zunehmend eine Schlüsselrolle für den angestrebten Einheitsprozess zukam: "The Bible was to become part of the new royal ideology" (66). Dabei war die Erarbeitung einer neuen Bibelübersetzung keineswegs von Beginn an ein wichtiger Punkt auf der königlichen Agenda. Auf der von Jakob einberufenen Konferenz über Kirchenfragen in Hampton Court war es John Reynolds, ein Sprachrohr der auf weitergehende Reformen der englischen Kirche dringenden Kritiker, der in den letzten Minuten des Zusammentreffens noch den Vorschlag einer neuen Bibelübersetzung vortrug. Obwohl Jakob allen sonst vorgebrachten Vorstellungen des Reformflügels eine Absage erteilte, ging er auf diesen Vorschlag ohne Zögern ein. Nicolson zeigt dabei sehr überzeugend, wie Jakobs Vorstellungen einer neuen Bibelübersetzung den Intentionen, die Reynolds zu seinem Vorschlag bewogen haben mochten, vollständig zuwiderliefen. Aus einem ursprünglich hierarchiekritischen Ansinnen wurde im Laufe der nächsten Jahre eine bedeutende Stütze für die etablierte Kirche in England.
Besondere Aufmerksamkeit widmet Nicolson den einzelnen Übersetzern der Bibel in den sechs verschiedenen Arbeitsgruppen, in denen unterschiedliche Teile der Bibel jeweils in gemeinsamer Arbeit übersetzt und Zweifelsfragen anschließend einer Gesamtkonferenz zur Entscheidung überlassen werden sollten. In diesen Arbeitsgruppen fanden sich zahlreiche prominente Theologen dieser Zeit wieder - alle bekannten Übersetzer sind im Anhang aufgelistet -, unter ihnen mehrere namhafte Bischöfe wie Lancelot Andrewes, John Overall, George Abbot und James Montagu. Über sie erfährt der Leser zahlreiche biografische Einzelheiten. Daneben wird man aber auch detailliert über die gemeinsame Arbeit an der Übersetzung informiert, zumindest soweit dies angesichts einer spärlichen Quellenlage möglich ist.
Das Genre populärer Geschichtsschreibung hat mitunter auch seine Schattenseiten. Zwar ist es müßig, allgemein das Fehlen von Fußnoten zu beklagen. In den meisten Fällen hat Nicolson auch im Text genannt, wem er seine Informationen jeweils verdankt. Wenn allerdings über die berühmte Expertenrunde zahlreicher Theologen in Hampton Court intime Details ausgebreitet werden, die sich nicht im offiziellen Bericht William Barlows finden lassen, so wüsste der Leser gerne, woher diese Informationen denn stammen. Zwar hat Nicolson guten Grund, dem Bericht Barlows zu misstrauen [1], der den Verlauf der Konferenz so schildert, wie ihn sein Mentor Richard Bancroft gerne gehabt hätte. Auf diese Weise wurde die Konferenz wenigstens im Bericht für die Nachwelt zu einem vollkommenen Triumph für die strikten Befürworter der Bischofskirche. Dies entspricht zwar dem weiteren Gang der Ereignisse, aber wohl weniger dem Verlauf der Konferenz, wie Nicolson unter Berufung auf weitere Quellen betont. Der Hinweis auf Aufzeichnungen von Teilnehmern der Konferenz, deren Identität jedoch leider ungeklärt sei (49), wirkt als Quellenangabe denn doch etwas dürftig.
Solche akademischen Quisquilien sollen allerdings die große Leistung dieses Buches keineswegs schmälern. Nicolson hat ein Werk vorgelegt, das zum einen die Entstehung der "King James Bible" ausführlich schildert. Zum anderen entsteht dabei auch ein Panorama dieser Zeit und ihrer Protagonisten, wie man es in dieser Anschaulichkeit selten zu lesen bekommt. Darüber hinaus lässt Nicolson keinen Zweifel daran, wem seine Liebe gilt. Nicht die dargestellten Personen ernten seine Bewunderung, sondern das Werk, das sie trotz oder auch wegen all ihrer minuziös dargelegten charakterlichen Schwächen hervorgebracht haben: die "King James Bible" selbst. Diese Bewunderung insbesondere für den Reichtum sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten steigt bei Nicolson noch, wenn er die "King James Bible" vergleicht mit der "New English Bible" des 20. Jahrhunderts. Wer nach einem Blick in die Lutherbibel die Einheitsübersetzung in die Hand nimmt, den mögen ähnliche Gefühle beschleichen.
Anmerkung:
[1] William Barlow: The Summe and Substance of the Hampton Court Conference, London 1604.
Andreas Pečar