Reza Hajatpour: Der brennende Geschmack der Freiheit. Mein Leben als junger Mullah im Iran, Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag 2005, 228 S., ISBN 978-3-518-12409-3, EUR 10,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Berna Pekesen: Nationalismus, Türkisierung und das Ende der jüdischen Gemeinden in Thrakien. 1918-1942, München: Oldenbourg 2012
Ulrike Mitter: Das frühislamische Patronat. Eine Studie zu den Anfängen des islamischen Rechts, Würzburg: Ergon 2006
Nimrod Luz: The Mamluk City in the Middle East. History, Culture, and the Urban Landscape, Cambridge: Cambridge University Press 2014
Matthew S. Gordon: The Rise of Islam, Westport, CT / London: Greenwood Press 2005
Einen eindrucksvollen Erlebnisbericht der ersten Jahre nach der iranischen Revolution von 1979 hat Reza Hajatpur vorgelegt. Der Iraner entschloss sich - einige Jahre vor der Revolution - Mullah zu werden. Gegen den Willen seiner Eltern geht er nach Ghom, ins theologische Zentrum Irans, und nimmt ein Studium der koranischen Wissenschaften auf. Der Leser erfährt viele Details über diesen für westliche Verhältnisse sehr ungewöhnlichen Ausbildungsweg. Die Studenten suchen sich ihre Lehrer selber aus und leben dann in deren Hochschule. Meist werden sie von ihren Lehrern finanziert. Auf dem Stundenplan steht das Studium der arabischen Grammatik, des islamischem Rechts und vor allem der Rhetorik, um sie auf ihre spätere Rolle als Prediger vorzubereiten.
Zuerst ist der junge Mullah begeistert von dem Lebensweg, den er einzuschlagen beschlossen hat. Doch langsam stellen sich Zweifel ein. Aus zwei Gründen: Er zweifelt an der Festigkeit seines Glaubens und hinterfragt die Religion an sich. Und damit durchlebt er einen alten Konflikt der islamischen Geistesgeschichte. "Tod den Philosophen" haben Vertreter dieser Religion schon immer gerufen, wenn jemand seine Skepsis an der Heiligkeit bestimmter Dogmen äußerte. Schlimmer zu schaffen machen dem jungen Mullah jedoch die Zweifel an der Integrität seines Berufsstandes: wie die Geistlichen ihre Kritiker ausmerzen und wie sie die Gesellschaft unterdrücken. Hajatpour fragt sich, wie Geistliche, denen es als schwere Sünde gilt, eine Ameise zu töten, zu solch skrupellosen Mördern werden können, wenn es um Macht geht? Er schreibt: "Eine Revolution, die ursprünglich einen Diktator beseitigt hatte, wurde selbst zur Diktatur, mit einem neuen Namen. Die Herrschaft der religiösen Autorität setzte sich die Krone eines Diktators auf. Man erlebte eine erbarmungslose Gewalt." (141-142)
Hajatpour wird vor den "Sondergerichtshof für Geistliche" gestellt, eine Institution, die Kritiker aus den Reihen der Geistlichkeit aburteilt. Er schafft es, seine Glaubenstreue zu beweisen, und kann zeigen, dass er kein Feind der Islamischen Republik ist. Doch seine Zweifel wachsen immer mehr. Schließlich verlässt er seine Frau und seine Kinder und geht nach Deutschland, wo er heute an der Universität Bamberg Islamwissenschaften lehrt. Gerade weil der Bericht für ein deutsches Publikum so spannend ist, ärgert man sich, wie lieblos der Suhrkamp Verlag das Buch lektoriert hat. Man kann von einem Ausländer, der mit dreißig Jahren angefangen hat, Deutsch zu lernen, keine literarische Glanzleistung erwarten. Aber man kann von einem Lektorat verlangen, dass es Sätze wie die folgenden nicht zulässt: "Der Tod blieb das einzige Geschenk des Schahs an sein Volk. Dieser Sommer kostete viele Menschen das Leben, niedergemetzelt in ihrem Verlangen nach Recht und Freiheit" (44).
Das ist orientalischer Pathos, der sich im Deutschen lächerlich anhört. Und das hätte dem Lektor auffallen müssen.
Anmerkung der Redaktion:
Für eine komplette Darstellung der arabischen Umschrift empfiehlt es sich, unter folgendem Link die Schriftart 'Basker Trans' herunterzuladen: http://www.orientalische-kunstgeschichte.de/orientkugesch/artikel/2004/
reichmuth-trans/reichmuth-tastatur-trans-installation.php
Katajun Amirpur